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Do, 4. November 2010, 15:00

Neues aus der Linux-Embedded-Welt

Die Embedded Linux Conference 2010 in Cambridge

Ein Einblick über die Welt von Embedded-Linux und eine Zusammenfassung der diesjährigen »Embedded Linux Conference Europe«.

Im Vortragsraum

Robert Schuster

Im Vortragsraum

Zwei Tage lang trafen sich Ende Oktober rund 300 F/OSS-Entwickler und -Ingenieure im traditionsreichen Cambridge (UK), um sich über die neuesten Entwicklungen im Bereich Embedded Linux auszutauschen. Trotz des starken wirtschaftlichen Wachstums in diesem Bereich bildet dieser Teil der F/OSS-Welt noch immer einen etwas elitären Zirkel. Dies kann womöglich daran liegen, dass zu ihrem Verständnis und Teilhabe mehr benötigt wird als der eigene PC. Traditionell waren sogenannte Entwicklerboards auch eine kostspielige Angelegenheit oder es musste erst ein vorhandenes Gerät geknackt werden, um es anschließend mit eigener Software zu bespielen. Gerade in diesem Zusammenhang hat sich jedoch Bedeutendes getan. Der folgende Artikel möchte einen Einblick über die Welt von Embedded-Linux geben und eine Zusammenfassung der diesjährigen Embedded Linux Conference Europe (ELCE) präsentieren. Ersteres halte ich für notwendig, um einige der Ereignisse auf der ELCE gut einordnen zu können.

Die Gemeinschaft von Embedded Linux wurde seit 2003 hauptsächlich von einer Organisation namens CE Linux Forum vorangetrieben. Ihr Vorstand von einer Handvoll Personen setzt sich aus einem leitendem Angestellten von Sony, aber vor allem Vertretern mittelständischer Unternehmen und einzelnen Selbständigen zusammen. Sie alle eint, dass sie sich professionell mit der Nutzung von eingebettetem Linux auf Geräten beschäftigen. Hier liegt auch ein weiterer möglicher Grund, wieso die Gemeinschaft von Embedded Linux eine eher eingeschworene Gemeinde ist. Die Embedded-Welt ist das komplette Gegenteil von offen und frei. Hier herrschen Patente auf Software und industrielle Verfahren. Lizenzierung, d.h. die Vermarktung des eigenen Know-Hows ist ein Grundpfeiler dieser Industrie und sie führt zu extremen Formen von Geheimniskrämerei. Das Unterzeichnen von Vertraulichkeitsvereinbahrungen (NDA) ist gang und gäbe. Verträge enthalten für jemanden mit einer Fokussierung auf die freie Softwarewelt strenge und unfreundliche Regelungen.

Wie passen nun Linux und freie Software in diese Welt? Im Grunde ist es sehr einfach. In der Embedded-Welt besteht ein sehr sehr starker Innovationsdruck. Die Zeit, bis ein Produkt zur Marktreife kommt, ist extrem wichtig. So wichtig, dass die Codequalität oft auf der Strecke bleibt. Außerdem wird oft alles unternommen, um die Entwicklungskosten für ein Produkt so niedrig wie möglich zu halten. Lizenzabgaben pro Gerät von einigen Cent fallen dabei schon ins Gewicht.

Ein Betriebssystemkern, dessen Qualität sehr hoch, seine Entwicklungsgeschwindigkeit rapide und dessen Lizenzkosten Null betragen, musste daher zwangsläufig eine Beachtung in diesem Bereich finden. An dieser Stelle trafen jedoch Copyleft und die Ideale der freien Softwarebewegung mit diesem Markt wie Feuer und Wasser aufeinander. Zunächst begannen die Veränderungen schleppend. Erst wurde Linux von engagierten Entwicklern händisch auf Embedded-Hardware portiert, die zu diesem Zweck nicht vorgesehen war. Später erschienen die ersten Produkte, die von Hause aus den Linux-Kern mitbrachten. Ein exzellentes Filter- und Firewallsystem namens netfilter/iptables fanden die Routerhersteller nur allzu interessant. Schwere Zeiten, geprägt von GPL-Lizenzverstößen und Unmut der Gemeinschaft über den Unwillen der Embedded-Hersteller, mit ihr zusammenzuarbeiten, begannen.

In jüngerer Zeit (etwa seit 2007) beginnt jedoch ein immer stärkerer Wandel die Embedded-Industrie zu ergreifen. Eines der ersten mit Spannung erwarteten Endverbrauchergeräte, das ab Werk auf Linux setzte, war das Nokia N770. Groß war die erste Begeisterung: Endlich ein cooles Gerät mit Touchscreen, WLAN und so weiter. Bald war jedoch klar, dass zwar der überwiegende Teil der Systems auf freier Software basiert und ausgetauscht werden konnte, jedoch ein kleiner Teil, bestehend aus Kernel-Treiber und anderer hardwarenaher Software, geschlossen und, für die Gemeinschaft, undokumentiert blieben. Damit wurde effektiv die Nutzung mit alternativen Distributionen oder ein Updaten auf neuere Linux-Kernel-Versionen verhindert. Dieser Zustand blieb auch bei den Nachfolgegeräten N800 und N810 erhalten.

Auf Maemo-Konferenzen auf die prekäre Situation angesprochen verwies Nokia immer wieder auf vertragliche Bindungen mit seinen Zulieferern. Einer der wichtigsten ist dabei Texas Instruments, das die Embedded-CPU-Serie OMAP produziert. TI ist eines der Schwergewichte in der Embedded-Industrie. TI-Chips kommen in vielen Mobiltelefonen zum Einsatz. Die GSM-Welt ist noch einige Male verschlossener, als es die normale Embedded-Welt schon ist. Kaufen kann man Chips nur in riesigen Mengen. Jede weitere Nutzung ist dagegen Peanuts und behindert nur den reibungslosen Geldfluss. Für mich war damals klar: Das ist das Ende der Fahnenstange. Hier geht es nicht weiter. Was sollte einen Hersteller, der eine überaus gute Einnahmequelle mit proprietärer Software hat, dazu bringen, mal über den Tellerrand zu schauen, um ein paar Freunde freier Software näher an ihre Ideale zu bringen?

Es kam jedoch ganz anders: Im Laufe des Jahres 2008 wurde das Beagleboard vorgestellt, ein von TI-Ingenieuren im Rahmen eines Freizeitprojektes entwickeltes Entwicklerboard auf Basis der bis dahin neuesten Chipgeneration OMAP3, welches vor allem für den Betrieb unter Linux vorgesehen war. Ungläubig redete ich damals mit einem TI-Entwickler auf dem Linuxtag über das Projekt und konnte meine Begeisterung kaum zurückhalten. Allerneueste Technologie und nicht erst acht Jahre abgehangene und auf dem Markt längst irrelevante Technologie konnte für einen günstigen Preis erworben werden. Zum Vergleich: Ein richtiges Evaluierungsboard kostet einige tausend Euro - das Beagleboard wurde für 150 Euro angeboten. Der Traum ging jedoch noch weiter, denn das Beagleboard wurde mitsamt Spezifikation, Schaltplänen und Board-Entwurfsdateien (sogenannte Gerber-Dateien) angeboten. Damit kann jeder mit dem nötigen Know-How und Zugriff auf die Anlagen ein eigenes Beagleboard herstellen. Das war eine Initiative, die im Hinblick auf die vorherige Situation höchst ungewöhnlich und aus freier Software-Sicht sehr erfreulich war.

Ubuntu auf dem Panda-Board

Robert Schuster

Ubuntu auf dem Panda-Board

CPU-Info des Panda-Board

Robert Schuster

CPU-Info des Panda-Board

Seit diesen Ereignissen sind wieder zwei Jahre ins Land gegangen und die Embedded-Welt hat sich weiter geöffnet. Eine schöne Bescherung wurde allen Fans des Beagleboards auf der ELCE gemacht: Ein Nachfolger - das Pandaboard - steht ab sofort zum Kauf bereit. Ausgestattet ist es mit dem Neuesten, was die Labore bei TI zu bieten haben. Angeboten wird es zu einem unwiderstehlichen Preis um die 140 Euro. Ein Blick auf das Board und seine Ausstattung verrät nicht nur etwas über eine üppige Hardwarelandschaft, sondern zeigt einen grundlegenden Wandel zu mehr Offenheit auf, und dass hier ernst gemeintes Engagement seitens Texas Instruments vorherrscht: Das Beagleboard hatte seinerzeit weder Ethernet noch WLAN oder den bekannten 9-poligen seriellen Anschluss (RS232). Der Grund war unter anderem, das man nicht den »echten« Evaluierungsboards aus dem eigenen Hause das Wasser abgraben wollte. Die »große« Industrie sollte weiterhin zum teuren Kit greifen, die Hobbyisten zum Beagleboard. Auf dem Pandaboard stehen hingegen Ethernet, WLAN, Bluetooth und eine standardgemäße serielle Schnittstelle zur Verfügung. Den Kern bildet ein Dual-Core ARM Cortex A9, dem großzügig 1 GB RAM spendiert wurden. Raffiniert es für ein solches Gerät weiterhin, dass es mit zwei HDMI-Anschlüssen sowie den Lötpunkten zum Anschluss eines Kameramoduls daher kommt.

Deutlich wird auch, welche Sprünge Software für Embedded-Linux-Geräte in den vergangenen zwei Jahren gemacht hat. Das Beagleboard kam mit einem minimalen Betriebssystem. Auf dem Pandaboard steht bereits jetzt ein Ubuntu 10.10 zur Verfügung, das neben dem Werk-Image benutzt werden kann. Das Pandaboard ist ein wirklicher Meilenstein in vielerlei Hinsicht und könnte für viele der Einstieg sein, sich einmal ernsthaft mit der Thematik Embedded Linux zu befassen. Die Möglichkeit, mit den dabei erworbenen Kenntnissen früher oder später Geld zu verdienen, sind dabei gerade sehr gut. Nach Aussagen von Keynote-Sprechern auf der ELCE möchte man derzeit einer globalen Knappheit an Embedded-Linux-Entwicklern vorbeugen.

Kommentare (Insgesamt: 10 || Alle anzeigen )
Danke.. (Gast, Mo, 29. November 2010)
Re[2]: Danke (Anonymous, Sa, 6. November 2010)
Re: Danke (Interessierter Lesende, Fr, 5. November 2010)
Re: Danke (1ras, Fr, 5. November 2010)
Leistung des Pandaboard (Pandaboard, Fr, 5. November 2010)
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