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So, 11. Mai 2003, 00:00

Softwarepatent-Konferenz in Brüssel

Erster Konferenz-Teil

Thompson, Kahin, Lessig (v.l.n.r.)

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Thompson, Kahin, Lessig (v.l.n.r.)

Der Mittwoch war ganztägig der Konferenz gewidmet, die in einem Tagungsraum im Dorint-Hotel stattfand. Der Raum, der 56 Besucherplätze hatte, war zu Beginn schon fast gefüllt. Bis zum Abend stieg die Teilnehmerzahl auf etwa 70, und am folgenden Tag im Europaparlament waren es noch einige mehr.

Die Konferenz war so organisiert, daß jeweils für etwa eine Stunde eine Gruppe von Rednern auf dem Podium Platz nahm. Jeder stellte sich der Reihe nach vor und gab dann eine Erläuterung eines bestimmten Aspektes oder hielt einen Vortrag von bis zu zwanzig Minuten.

Der Tag begann mit einem Highlight, als Professor Brian Kahin seinem Kollegen, Professor Lawrence Lessig, das Wort erteilte. Lessigs Vortrag war »Learning from American Mistakes« betitelt. Lessig wurde 2002 mit dem FSF-Award ausgezeichnet für die »Förderung des Verständnisses der politischen Dimension von freier Software« und ist in Open-Source-Kreisen hoch angesehen. In seinem Vortrag stellte er »sechs offensichtliche und einfache Prinzipien« vor, an denen sich der Nutzen von Software-Patenten (und Patenten allgemein) messen lassen müssen:

  1. Der Nutzen muß größer als die Kosten sein
  2. Patente sind gut in einigen Umfeldern
  3. Patente sind gesellschaftlich schlecht, falls die Kosten den Nutzen übersteigen
  4. Es gibt keine ernstzunehmenden Erkenntnisse, daß Patente gut sind
  5. Neuere Erkenntnisse besagen, daß Patente schaden, die Kosten übersteigen den Nutzen
  6. Es gibt keinen allgemeinen wirtschaftlichen Nutzen von Patenten

Lessig bezeichnete den Kurs der USA als »Intellectual Property Extremism« und zog einen Vergleich zwischen Schutzgelderpressungen der Mafia und Lizenzforderungen von Patentinhabern. Daß dieser Vergleich keineswegs überzogen ist, wurde im weiteren Verlauf der Konferenz an realen Fallbeispielen deutlich. In Afrika sterben 15-30 Millionen Menschen an AIDS, weil die USA sich weigern, das Know-How zur Herstellung von Medikamenten zu transferieren, so Lessig.

Mozelle W. Thompson, einer der fünf Kommissare der Federal Trade Commission der USA gab sich locker. Die FTC ist eine staatliche Organisation, die die Gesetze und Regelungen gegen unfaire und irreführende Methoden und Wettbewerber durchsetzt. Thompson Er sprach sich weder für noch gegen Software-Patente aus. Er wies darauf hin, daß das Thema auch in den USA seit langem debattiert werde. Man habe eine Reihe von Anhörungen zum Thema des »geistigen Eigentums« durchgeführt. Ein Report soll in den nächsten sechs Monaten erscheinen. Die bisherigen Erkenntnisse scheinen eher gegen Software-Patente zu sprechen:

  1. Patente werden von Startups gerne benutzt, um Kapital von Investoren anzulocken. So jedenfalls eine weit verbreitete Meinung, doch tatsächlich scheinen Patente dafür überhaupt nicht notwendig zu sein.
  2. Patente sollen die Innovation fördern. Im Software-Sektor setzt man jedoch viel mehr auf Wettbewerb als auf Patente.

Besonders interessant ist darin die Aussage eines Cisco-Managers, daß Software-Patente nie eine Triebkraft für Innovationen bei Cisco waren. Es ist unmöglich, im Vorfeld einer Innovation zu prüfen, ob man eventuell gegen ein Patent verstoßen könnte, denn die Zahl möglicherweise relevanter Patente ist viel zu groß. Man muß also bei der Konzeption eines Produkts bereits davon ausgehen, daß man wegen irgendwelcher Verstöße verklagt wird. Dies ist mit Kosten verbunden, die sich nicht im Voraus abschätzen lassen. Die einzige Möglichkeit, die potentiellen Kosten zu begrenzen, besteht darin, an dem Patent-Unsinn teilzunehmen und eigene Patente zu beantragen. Dann hat man im Konfliktfall etwas in der Hand, um Lizenzen austauschen zu können (Kreuz-Lizenzierung). Die Ressourcen, die für diese Aktivitäten verwendet werden, wären aber in Forschung und Entwicklung viel besser angelegt. Cisco ist aber auch der Ansicht, daß ein oder einige wenige Patente pro Produkt gerechtfertigt seien und helfen würden, das geistige Eigentum zu schützen. Doch in der aktuellen Situation müsse man hunderte von Patenten sinnloserweise anmelden. Schlußfolgerung: Das Patentsystem behindert Innovation und seine Kosten sind höher als der Nutzen.

Microsoft denkt, Aussagen von Bill Gates von 1991 zufolge, ähnlich und häuft aus dem gleichen Grund Patente an.

Kauppi, Lessig

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Kauppi, Lessig

Im zweiten Panel »Civil Liberties under Overlapping Property Regimes« saß erstmals eine Abgeordnete des Europäischen Parlamentes: Piaa-Noora Kauppi von den Konservativen. Sie äußerte Sympathie für die Bedenken gegen die Direktive, gab aber zu bedenken, daß die meisten Abgeordneten kaum Zeit und kein Verständnis des Themas hätten. Sie bat darum, sie und die anderen Parlamentarier mit geeigneten Informationen zu versorgen. Gleiches war auch von den wenigen anderen Abgeordneten zu hören, die sich sehen ließen.

Das nächste Panel wurde dominiert von der Präsentation von Reinier Bakels von der Universität Amsterdam, der eine von der EU finanzierte Studie über Software-Patente durchgeführt hat. Die im Raum stehende Frage lautete: »Wer versteht die Direktive der Kommission?« Bakels hatte eine klare Antwort: Die Direktive ist unklar und inkonsistent.

Ich kann nicht alle folgenden Panels im Detail wiedergeben, da ich mir nicht durchgängig Notizen gemacht habe. Bei einem solch schwierigen und abstrakten Thema dürfte es verständlich sein, daß die Konzentration irgendwann nachläßt. Jedenfalls erschienen im Verlauf des Nachmittags drei Abgeordnete von der Fraktion der Grünen, die aber jeweils nur für kurze Zeit anwesend sein konnten. Auch Richard Stallman traf ein und nahm zunächst neben der Tür als Zuhörer Platz. Professor Lessig dagegen mußte leider schon wieder abreisen.

Richard Stallman

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Richard Stallman

Im nächsten Panel sorgte Robert Dewar, Chef der Open-Source-Firma gnat.com, durch geistreiche und witzige Sprüche für Auflockerung. »Programmierung ist die nicht offensichtliche Kombination von offensichtlichen Dingen«, so seine These. Die Abgeordnete Mercedes Echerer bat um Hilfe, überzeugende Argumente gegen die Direktive zu finden. Ebenso der Abgeordnete Neil McCormick, der sich überzeugt zeigte, daß die Direktive falsch sei. Richard Stallman merkte in einer Wortmeldung an, wie Patente Fortschritte behindern: Im Ersten Weltkrieg hinderten Patente im Flugzeugbau die USA daran, eigene Kampfflugzeuge zu bauen - bis der Staat für teures Geld Lizenzen erwarb. Edisons Patent auf die Glühbirne verhinderte siebzehn Jahre lang jede Weiterentwicklung - Edison hatte kein Interesse, da sich das Produkt gut verkaufte, und andere konnten keine Lizenz erhalten.

Im letzten Panel des Tages referierte Richard Stallman darüber, wie Patente Software-Systeme beeinflussen. Einen ähnlichen Vortrag hielt er am nächsten Tag in der Anhörung. Er nahm sich Microsoft als Beispiel und zeigte auf, wie man mit einer Serie von Patenten die Konkurrenz für alle Zeit davon abhalten kann, interoperabel zu sein. Beispielsweise patentiert man im Abstand von einigen Jahren verschiedene Dateiformate. Zu dem Zeitpunkt, an dem ein Patent abläuft, hat man bereits die Umstellung auf ein anderes Dateiformat vollzogen, für das man schon Jahre zuvor ein Patent erhalten hat. Daß Stallman gerade Microsoft herausgegriffen hat, ist klar: Dieses Verfahren funktioniert am besten, wenn man durch ein Quasi-Monopol alle Anwender zum Upgrade zwingen kann. Firmen, die kein Monopol haben, tun sich schwerer mit solchen Methoden.

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