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So, 9. Juni 2002, 00:00

Der Linux-Kernel ist nicht frei

Wir haben heute teilweise die Freiheit, aber unsere Freiheit ist nicht sicher. Sie wird vom CBDTPA (früher SSSCA) und von der Broadcast "Protection" Diskussionsgruppe (siehe http://www.eff.org/) bedroht, die vorschlägt, freier Software zu verbieten, digitale Fernsehsendungen zugänglich zu machen. Sie wird bedroht durch Software-Patente (Europa erwägt jetzt, Software-Patente einzuführen), bedroht von den Microsoft nondisclosure Vereinbarungen für lebenswichtige Protokolle und von jedem, der uns mit einem nicht-freien Programm in Versuchung führt, das (technisch) "besser" als vorhandene freie Programme ist. Wir können unsere Freiheit wieder verlieren, genau so, wie wir sie das erste Mal verloren haben, wenn wir uns nicht genug darum kümmern, sie zu schützen.

Werden sich genügend viele von uns darum kümmern? Das hängt von vielen Sachen ab; darunter, wieviel Einfluß das GNU-Projekt hat und wieviel Einfluß Linus Torvalds hat. Das GNU-Projekt sagt, "Schätze deine Freiheit!" Joe Barr sagt, "Wähle zwischen den nicht-freien und freien Programmen alleine auf technischer Grundlage!" Wenn Leute Torvalds als den Hauptentwickler des GNU/Linux-Systems anerkennen, ist das nicht nur ungenau, es macht auch seine Botschaft einflußreicher - und diese Botschaft sagt, "Nicht-freie Software ist okay; Ich verwende sie und entwickle sie selbst." Wenn sie unsere Rolle erkennen, hören sie mehr auf uns, und die Botschaft, die wir ihnen bringen, ist, "dieses System besteht wegen der Leute, die sich um die Freiheit gekümmert haben. Komm zu uns, schätze deine Freiheit, und zusammen können wir sie erhalten." Siehe GNU zur Geschichte.

Wenn ich Leute bitte, das System GNU/Linux zu nennen, reagieren einige von ihnen mit dummen Entschuldigungen und Ausreden. Aber vermutlich haben wir nichts verloren, weil sie uns von Anfang an nicht wohlgesonnen waren. Unterdessen beachten andere Leute die Gründe, die ich angebe und verwenden diesen Namen. Indem sie das tun, helfen sie, anderen Leuten bewußt zu machen, warum das GNU/Linux-System wirklich besteht, und dieses erweitert unsere Fähigkeit, die Idee zu verbreiten, daß Freiheit ein wichtiger Wert ist.

Deshalb halte ich meinen Kopf hin gegen Voreingenommenheit, Verleumdung und Leid. Sie verletzen meine Gefühle, aber, wenn ich erfolgreich bin, hilft diese Bemühung der GNU-Projektkampagne für die Freiheit.

Da das obige im Kontext von Linux (dem Kernel) und von Bitkeeper aufkam, das nicht-freie Versionskontrollsystem, das Linus Torvalds jetzt gebraucht, möchte ich diesen Punkt außerdem ansprechen.

Die Bitkeeper Angelegenheit:

Der Gebrauch von Bitkeeper für die Linux-Quellen hat einen ernsten Effekt auf die freien Software-Gemeinschaft, weil jedermann, der Patches zu Linux zeitnah verfolgen will, es nur tun kann, indem er das nicht-freie Programm installiert. Es muß Dutzende oder sogar Hunderte Kernel Hacker geben, die dies getan haben. Die meisten von ihnen überzeugen sich stufenweise, daß es okay ist, nicht-freie Software zu benutzen, um die Wahrnehmung des Widerspruchs über das Vorhandensein von Bitkeeper auf ihren Maschinen zu vermeiden. Was kann man da machen?

Eine Lösung ist, ein anderes Repositorium für die Linux Quellen mit CVS oder einem anderen freien Versionskontrollsystem zusammenzustellen und es einzurichten, neue Versionen in dieses automatisch zu laden. Dabei könnte Bitkeeper verwendet werden, um auf die neuesten Revisionen zuzugreifen, um dann die neuen Revisionen ins CVS einzufügen. Dieser Updateprozeß könnte automatisch und häufig laufen.

Die FSF kann dies nicht tun, weil wir Bitkeeper nicht auf unsere Maschinen installieren können. Wir haben bis jetzt keine nicht-freien Systeme oder Anwendungen auf ihnen, und unsere Grundregeln besagen, daß wir daran festhalten müssen. Das Aufsetzen dieses Repositoriums muß von jemand anderem geleistet werden, der bereit ist, Bitkeeper auf seiner Maschine zu installieren, es sei denn, es findet oder erstellt jemand eine Möglichkeit, das unter Verwendung freier Software zu tun.

Die Linux-Quellen selbst haben sogar ein noch ernsteres Problem mit nicht-freier Software: sie enthalten selbst welche. Einige wenige Gerätetreiber enthalten Reihen von Zahlen, die Firmwareprogramme darstellen, die in dem Gerät installiert werden. Diese Programme sind keine freie Software. Einige Zahlen, die in Geräteregistern abgelegt werden, sind eine Sache, ein Programm mit erheblichem Umfang eine andere.

Das Vorhandensein dieser nur binären Programme in den "Quell"-Dateien von Linux verursacht ein Sekundärproblem: es stellt in Frage, ob Linux-Binaries überhaupt legal weitergegeben werden können. Die GPL erfordert das "vollständige entsprechende Quellprogramm," und eine Reihenfolge von ganzen Zahlen ist nicht das Quellprogramm. Aus dem gleichen Grunde verletzt das Hinzufügen eines solchen Binäries zu den Linux-Quellen die GPL.

Die Linux-Entwickler haben einen Plan, diese Firmwareprogramme in getrennte Dateien zu verschieben; es dauert einige Jahre, das zu erreichen, aber, wenn sie ihn durchgeführt haben, ist das Sekundärproblem gelöst; wir könnten eine "freie Linux" Version bilden, die keine nicht-freien Firmwareprogrammdateien hat. Das allein bringt nicht viel, wenn die meisten Leute die nicht-freie "amtliche" Version von Linux verwenden. Das kann gut passieren, weil auf vielen Plattformen die freie Version nicht ohne die nicht-freien Firmwareprogramme läuft. Das "freie Linux" Projekt muß herausfinden, was die Firmwareprogramme tun, und ein Quellprogramm dafür schreiben, möglicherweise in der Assemblersprache für den eingebetteten Prozessor, auf welchem auch immer es läuft. Das ist eine schreckliche Arbeit. Es wäre weniger erschreckend, wenn wir es Stück für Stück über die Jahren getan hätten, anstatt es anzusammeln. Um Leuten dafür zu gewinnen, diese Arbeit zu erledigen, müssen wir die Idee überwinden, die durch einige Linux-Entwickler verbreitet wurde, daß diese Arbeit nicht notwendig ist.

Linux, der Kernel, wird häufig für das Flaggschiff der freien Software gehalten, dennoch ist seine gegenwärtige Version teilweise nicht-frei. Wie geschah das? Dieses Problem, wie die Entscheidung Bitkeeper zu verwenden, reflektiert die Haltung des ursprünglichen Entwicklers von Linux, eine Person, die denkt, daß "technisch besser" wichtiger als Freiheit ist.

Schätze deine Freiheit oder du wirst sie verlieren, lehrt die Geschichte. "Belästige uns nicht mit Politik," reagieren die, die nicht lernen wollen.

Copyright Richard Stallman 2002; Die unveränderte Wiedergabe und Verteilung dieses gesamten Textes ohne Lizenzgebühr in beliebiger Form ist gestattet, sofern dieser Hinweis beibehalten wird.

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