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Do, 14. September 2000, 00:00

Quantencomputer

Von Grovel

Der Quantencomputer - Science Fiction?

Eines der bedeutendsten Wunder der Quantenphysik könnte eines Tages evtl. der Quantencomputer sein. Er würde alle herkömmlichen Superrechner wie zerbrochene Rechenschieber hinter sich stehen lassen und sämtliche gebräuchlichen Verschlüsselungstechniken zur unnützen Zeitverschwendung machen. Ein solcher neuartiger Computer hätte mit dem Gerät auf dem Bürotisch so gut wie nichts mehr gemein - eher schon mit der Tasse Kaffee daneben. Der Pionier der Quantencomputer heisst David Deutsch. Er veröffentlichte 1985 einen Aufsatz, der die Vision eines Computers beschrieb, der nach den Gesetzen der Quantenphysik arbeitet. Nehmen wir an, wir hätten zwei Versionen einer Frage (z.B. eine Rechnung mit unterschiedlichen Variablen), dann müßte ein herkömmlicher Turing-Computer zuerst die erste Frage, dann die zweite durcharbeiten. Bei einem Quantencomputer jedoch könnten die beiden Fragen als Überlagerung von Zuständen zusammengefasst und gleichzeitig eingegeben werden. Die Maschine selbst würde dann für jede Frage in einen anderen Zustand übergehen und sie gleichzeitig beantworten. Ein Quantencomputer arbeitet also wie ein gigantischer Parallelrechner.

Um eine Vorstellung von der Leistungsfähigkeit eines Quantencomputers zu bekommen, vergleichen wir ihn mit einem herkömmlichen Computer. Als Aufgabe sei ein essentieller Algorithmus der heutigen Informatik gegeben: das Grundprinzip von PGP (Pretty good privacy). Der öffentliche Schlüssel berechnet sich aus den beiden privaten Schlüsseln, welche beide sehr große Primzahlen sind. Wollte man nun mit einem herkömmlichen Computer vom öffentlichen Schlüssel auf die beiden privaten kommen, so müßte man jede Primzahl der Reihe nach ausprobieren, ein hoffnungsloses Unterfangen. Ein Quantenrechner könnte gleichzeitig sämtliche Primzahlen durchrechnen, indem er jeder Primzahl ihren eigenen Zustand gäbe (das sind nicht unendlich viele, da der öffentliche Schlüssel die obere Grenze darstellt).

Die Zahlen werden dabei in einem Quantencomputer als Spin eingegeben, das heisst als Richtungsvektor der Eigenachsendrehung eines Elementarteilchens. Im Uhrzeigersinn bedeutet dabei 0, im Gegenuhrzeigersinn 1. Das entspricht dem klassischen Bit, man spricht von einem Quantenbit oder Qubit. Mit acht Teilchen könnte man also ein »ganz normales« binäres QuByte erstellen, welches dann je nach Spins eine Zahl zwischen 0 und 255 darstellen könnte.

Doch Halt! Eine Zahl? Nein, ein QuByte könnte beliebig viele Zahlen zwischen 0 und 255 darstellen, alle [0..255] oder ein paar [8,16,32,64,128] oder keine [ ]. Denn wenn ein solches Teilchen nicht beobachtet wird, dann gelten für es die Gesetze der Quantenphysik und jedes QuBit kann beliebig viele Spin-Zustände annehmen. Das QuByte wird in den Computer eingegeben, und jener bearbeitet alle Zustände unabhängig voneinander und das gleichzeitig in einem Rechenschritt. Man spricht der Einfachheit halber von einer Sekunde (als Abkürzung für das einmalige Durchlaufen eines Algorithmus).

Der Vorteil von Quantenrechnern kommt erst zur Geltung, wenn man viel mehr Teilchen in Betracht zieht. Bei 250 QuBits ist es möglich, ungefähr 1075 Kombinationen darzustellen, mehr als die Zahl der Atome im Universum (Vorausgesetzt, die Physiker aus der anderen Forschungs-Ecke ändern ihre Zahlen nicht mehr).

Eine gloriose Idee und ihre hapernde Umsetzung

Als Deutsch Mitte der 80er Jahre seine visionäre Idee vom Quantencomputer veröffentlichte, konnte sich niemand so recht vorstellen, wie ein solcher Quantencomputer funktionieren sollte. Kein Mensch war in der Lage, ein Teilchen in die Superposition zu versetzen, geschweige denn sie zu erhalten, denn ein einziges verirrtes Atom, welches mit dem Teilchen in Wechselwirkung tritt, würde die Berechnung stören und das Quantenkalkül scheitern lassen.

Eine weitere Hürde war, dass die Wissenschaftler nicht den Schimmer hatten, wie ein Quantencomputer zu programmieren wäre und daher auch nicht, welche Berechnungen er ausführen könnte. Im Jahr 1994 jedoch gelang es Peter Shor von AT&T Bell Laboratories in New Jersey, ein brauchbares Programm für einen Quantencomputer zu entwickeln. Kryptoanalytiker (Entschlüssler) aus aller Welt horchten auf, denn Shors Programm bestand aus einer Reihe von Schritten, um eine astronomisch hohe Zahl in ihre Faktoren zu zerlegen. Genau die bisherige Unmöglichkeit dieses Prozesses aber ist die Grundlage vieler heutiger Verschlüsselungstechniken (RSA-Verschlüsselung). Leider (oder gottseidank, Big Brother is watching you) konnte Shors Programm bisher noch nie vorgeführt werden, denn es gibt noch nichts, was einem Quantencomputer auch nur nahekommt. Zwei Jahre später entwickelte Lov Grover, ebenfalls von Bell, ein zweites Programm, welches eine Liste mit unglaublich hoher Geschwindigkeit durchsuchen kann. Das klingt wenig interessant, doch genau diese Leistung ist nötig, um die zweite Säule der Verschlüsselung zu stürzen (DES-Verschlüsselung). Damit könnte man PGP wieder deinstallieren. Doch keine Angst, der Quantencomputer ist noch weit entfernt. Die heutigen Quantenrechner entsprechen in etwa Alan Turings Bomben gegenüber einem Hochleistungsrechner (der aber auch nach dem Turing-Prinzip (0, 1 - wahr, falsch) funktioniert). Vor einigen Wochen meldeten Forscher, sie hätten eine Quantenrechner mit 4 QuBits entworfen, zu wenig, um auch nur einen Taschenrechner zu ersetzen.

Die gelegentliche Euphorie in den Medien muss also deutlich gebremst werden. Serge Haroche von der Universität Paris VI hat das Aufsehen um die Erfolge etwas gedämpft. »Die Entwicklung eines funktionierenden Quantencomputers ist keineswegs eine Frage von nur wenigen Jahren. Dies zu behaupten, heisst, mit größter Mühe das erste Stockwerk eines Kartenhauses zustande zu bringen und dann zu verkünden, die nächsten 15000 Stockwerke seien eine bloße Formalität«.

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