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So, 11. Januar 2004, 00:00

Pro-Linux Interview mit Daniel Riek

Pro-Linux: Dann dürfte SUSE wohl in naher Zukunft Probleme bekommen. Laut Aussagen von SUSE erzielte das Unternehmen im letzten Jahr fast zwei Drittel seiner Einnahmen mit dem Boxen-Geschäft.

Riek: Naja. Ich möchte mich nicht über die Konkurrenz auslassen. Meines Wissens haben die meisten unserer Konkurrenten immer wieder ernsthafte Probleme. Wir dagegen sind operativ profitabel und machen schon lange keine Verluste mehr. Das mit einem klaren Freie Software-Geschäftsmodell! Wir wurden auch nicht von einem proprietären Software-Hersteller übernommen, sondern können uns selbst strategisch weiter entwickeln. Ich denke, das spricht für sich.

Es spricht meiner Meinung nach nichts gegen ein Consumer-Angebot - allerdings meine ich damit nicht unser altes RHL-Modell oder das, was unsere direkte Konkurrenz derzeit treibt. Besonders proprietäre Hybridmodelle sind problematisch, da bei ihnen die Vorteile Freier Software verloren gehen. Jedenfalls muss man sich als Unternehmen immer überlegen "was können wir sinnvoll leisten". Man darf sich nicht verzetteln. Dass wir etwas nicht tun bedeutet deshalb nicht automatisch, dass wir denken man sollte es nicht tun... Wir glauben fest an ein Open Source Produkt, dass in Zukunft in vielen Unternehmen, in der Verwaltung und bei vielen Privat-Anwendern eingesetzt wird und vor allem der Desktop hat ein enormes Potential.

Pro-Linux: Wo wir schon bei SUSE sind. Mit Novell/SUSE/Ximian steht Ihnen plötzlich auch auf dem amerikanischen Markt, den Sie zweifelsohne dominieren, ein großer Player gegenüber. Haben sie Bedenken diesbezüglich?

Riek: Fairer Wettbewerb hat noch keinem gesunden Unternehmen wirklich geschadet.Wir freuen uns über die Herausforderung.

Pro-Linux: Die Stärke von Red Hat Linux war in der Vergangenheit eine variable Lizenz. Mit wenigen Lizenzen ließen sich komplexe Cluster bauen. Nun müssen gerade Firmen für jede ihre Installationen eine Lizenz erwerben. Befürchten Sie nicht, dass Sie diese Anwender in die Arme Ihrer Konkurrenz treiben?

Riek: Die Lizenz für Red Hat (Enterprise) Linux hat sich nicht geändert. Die Distribution selbst - also das Werk der Zusammenstellung von Software - steht unter der GPL und enthalten ist im Kern nur Freie Software - inklusive unserer Eigententwicklungen.

Wir haben lediglich eine freiwillige, kostenlose Serviceleistung eingestellt - nämlich das Entwickeln und Bereitstellen von Updates und Security-Fixes für Red Hat Linux -, weil wir feststellen mussten, dass sich das Modell nicht rechnete. Es ist ja immerhin so, dass nicht nur viele Anwender, diese kostenlose Dienstleistung in Anspruch nahmen, ohne je etwas an Red Hat bezahlt zu haben: Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen, die ihren Kunden auf Red Hat Linux basierende Lösungen verkaufen, dafür Support-Verträge abschließen und die Red Hat-Updates weitergeben. Der Kunde zahlt, Red Hat leistet einen nennenswerten Teil der Arbeit, profitiert jedoch nicht davon. Das bisherige Modell hatte sicher eine gewisse Zeit seine Berechtigung, macht für uns aber auf die Dauer einfach keinen Sinn. Mit dem Enterprise Linux-Modell existiert ein klarer Kanal, über den wir an der breiten Nutzung unserer Maintenance in fairem Umfang partizipieren. Gleichzeitig sind alle Beteiligten auch vertraglich abgesichert.

Das, was wir verkaufen, ist ein Software-Pflege- und -Supportvertrag in Form eines jährlichen Abonnements. Dieser Vertrag wird auf einer Pro-System-Basis abgeschlossen. Das war bei Red Hat Enterprise Linux schon immer so und auch bei den kommerziellen Support-Angeboten für das alte Red Hat Linux. Die Sourcen stehen auch wie bisher auf unseren Servern und den Mirrors zur Verfügung. Es gibt ja auch schon erste Nachbauten aus unseren Quellen.

Ich kenne nur zwei Modelle von Support-Verträgen, die im Markt etabliert sind: Abrechnung nach Aufwand oder pauschal pro System. Sicher hat die Einstellung der kostenlosen Maintenance im Rahmen des klassischen Red Hat Linux für einige Anwendungsgebiete deutliche Nachteile, aber wir gehen in unseren Angeboten auf die Anforderungen der Kunden ein. Wenn ein Anwender aber darauf besteht, Freie Software mit Freibier zu assoziieren und auch noch die Dienstleistung kostenlos zu fordern, dann wird es schwierig, eine Geschäftsgrundlage zu finden.

Pro-Linux: Unbestritten bleibt immer noch, dass ich für einen Uni-Cluster mit 400 Knoten Unsummen an Lizenzzahlungen entrichten muss. Gibt es Sonderregelungen oder Rabatte für Universitäten und Bildungsstätten?

Riek: Nun, die Kosten entstehen ja für die Softwarepflege und den Support. Der Begriff Lizenzen ist hier also fehl am Platz. Für Bildungseinrichtungen gibt es ein entsprechendes Programm, das ihre spezifischen Bedürfnisse berücksichtigt - inklusive kostenlosem Zugang für den Privatgebrauch von Studierenden, Schülern und Mitarbeitern.

Pro-Linux: Wie war eigentlich die Reaktion Ihrer Unternehmenskunden auf Ihre Ankündigung?

Riek: Es ist verständlich, dass auch große Abnehmer Ihrer Produkte sich wenige Boxen kauften und diese dann auf mehreren Rechnern installierten - mit vollem Support, versteht sich. Freudentaumel nach der Ankündigung waren wohl wenige zu hören?

Ich unterscheide bei solchen Fragen gerne in Kunden und User. User ist jeder, der die Software benutzt, Kunde wird man demgegenüber nur, indem man etwas bezahlt. Im Allgemeinen haben wir die Erfahrung gemacht, dass Kunden, die Linux in Ihrem Geschäft einsetzen - also mit GNU/Linux Geld verdienen und umgekehrt auch Geld verlieren wenn die IT nicht läuft - durchaus verstehen, dass wir ein tragfähiges Geschäftsmodell brauchen. Und die meisten dieser Kunden teilen mit uns auch die Einschätzung, dass ein solches, tragfähiges Geschäftsmodell nur dann möglich ist, wenn wir an dem breiteren Einsatz unserer Produkte partizipieren. Mit einer einzelnen Subscription pro Kunden - auch wenn der hunderte Systeme mit unserer Maintenance betreibt - funktioniert das schlicht nicht.

Diese Kunden haben ein großes Interesse daran, dass wir langfristig stabil am Markt bleiben und das Freie Software langfristig weiterentwickelt wird. Vor allem wollen sie nicht, dass wir demnächst auch von irgendeinem proprietären Software-Hersteller übernommen werden. Immerhin sparen diese Unternehmen durch unsere Produkte und Dienstleistungen nennenswerte Summen ein und erhalten einen klaren Mehrwert.

User, die sich nicht für die nachhaltige Entwicklung von Open Source interessieren und für die Freie Software gleich kostenlose Software ist, haben da weniger Verständnis. Da fehlt aber - wie gesagt - auch die Geschäftsgrundlage.

Für professionelle Anwender hat unser Weg den Vorteil, dass mit dem von für RHEL angestrebten 12-18 Monats-Zyklus ein besseres und stabileres Produkt entsteht, durch die 5-Jahres-Lebensdauer haben sie zudem eine langfristige Sicherheit und dank des Abo-Modells entstehen keine überraschenden Kosten durch Upgrades o.ä., da sie stets den Zugang zu allen aktuell gepflegten Versionen der Software haben. Daher haben diejenigen unserer Konkurrenten, die ebenfalls professionelle IT-Anwender adressieren ja auch ähnliche Modelle aufgelegt - wenn auch nicht auf demselben Level.

Pro-Linux: Greifen Sie bitte in Ihren roten Hut und stellen eine Prognose, wo Sie persönlich Linux in 10 Jahren sehen. Zerstört von SCO oder doch marktdominierend, wie es Ihr CEO sieht?

Riek: SC-Wer? Aber im Ernst, das Modell der Freien Software hat sich längst als fester Bestandteil der IT-Branche etabliert. Zehn Jahre sind eine lange Zeit und ich bin kein Hellseher. ... Jedenfalls bin ich mir sicher, dass Freie und Open Source Software in 10 Jahren im IT-Markt noch wichtiger sein und dass Red Hat mit seinen Produkten dabei eine zentrale Rolle spielen wird. Dass irgendwelche Unternehmen aus Utah dabei wichtig sein werden, glaube ich allerdings nicht.

Pro-Linux: Herr Riek, wir bedanken uns für das Gespräch.

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