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Mo, 12. Juni 2006, 00:00

Nachgefragt! Debian-Projektleiter Anthony Towns

Von ThomasS

Leserfrage: Wie entwickelt sich die Zusammenarbeit zwischen Ubuntu und Debian im Augenblick? In welchen Bereichen gibt es eine Zusammenarbeit, wo sehen Sie Möglichkeiten zur Verbesserung? Denken Sie, dass Ubuntus Beiträge in einer Art wechselseitigen Gebens und Nehmens zu Debian zurückfließen? Können Sie einige Beispiele für eine fruchtbare Zusammenarbeit nennen?

Anthony: Einige Entwickler haben seit Beginn des Ubuntu-Projekts zusammengearbeitet, und einige Ubuntu-Entwickler sind persönlich am Erfolg von Debian als Distribution interessiert. Dies hatte sowohl einen großen Einfluss auf den Installer und das Paketieren der X.org-Pakete für beide Distributionen als auch einen geringeren Einfluss auf andere Einzelpakete.

Eines der technischen Probleme, die sich aus der Zusammenarbeit mit Ubuntu ergeben, betrifft die Integration von Modifikationen. Meist werden Entscheidungen getroffen, die zwar kurzfristig funktionieren, sich aber primär an den Bedürfnissen der Ubuntu-Nutzer und an einem semi-zentralisierten Entwicklungsmodell orientieren. Allerdings sind dies aus der Sicht der meisten Debian-Nutzer nicht immer unproblematische Entscheidungen. Eine Lösung, die gleichermaßen für beide funktioniert, die Ubuntu-Nutzern ein problemloses Upgrade erlaubt und für Debian nicht zum Problem wird, ist schwierig zu finden. Beide Seiten müssen lernen, wie man mit bestimmten Sachen, einschließlich X.org und Python, umzugehen hat. Wir stehen erst am Anfang einer Zusammenarbeit und unsere haben daher unsere öffentlichkeitswirksamen Bestrebungen vereint. Ich denke, sobald das neue Debian-Publicity-Team seine Arbeit aufnimmt, werden wir innerhalb der nächsten paar Monate erste Resultate sehen können.

Steve: Ich bin mir gar nicht sicher, ob Debian tatsächlich eine Position gegen Ubuntu einnimmt. Es gibt eine Schnittmenge von Leuten, die gemeinsam an beiden Distributionen arbeiten, und ein großer Teil der Arbeit wird ausgetauscht zwischen ihnen. Ubuntu kann auf die solide Basis von Debian aufbauen und wir können im Gegenzug von ihrer Arbeit profitieren, wie sich an den X.org-Paketen und unserem Installer zeigt. In den meisten Bereichen arbeiten wir gut zusammen, weil individuelle Maintainer beider Seiten eine Zusammenarbeit etabliert haben.

In einigen Bereich ist die Zusammenarbeit nicht so erfolgreich und die Pakete in Debian und Ubuntu driften auseinander, da die Kommunikation nicht so gut funktioniert. Es wäre schön, wenn es von der Ubuntu-Seite mehr Bemühungen gäbe, z.B. Patches oder Fehlerberichte weiterzuleiten, statt Debian die Nachforschung allein aufzubürden. Dazu wurde schon im letzten Jahr das Utnubu-Projekt gegründet, um solchen Probleme entgegen zu wirken. Leider ist es an dieser Front sehr ruhig geworden.

Ungeachtet der Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen Debian und Ubuntu tatsächlich ist. Es gibt einige positive Punkte zu erwähnen: Immer mehr Nutzer kommen mit freier Software in Berührung und wir haben mehr Entwickler, die an dieser freien Software arbeiten. Das ist für uns alle gut!

Leserfrage: Wie lange wird Debian zukünftig Releases nach ihren ersten Erscheinen und der Veröffentlichung des Nachfolgers unterstützen?

Anthony: Gegenwärtig gewährleistet unser Sicherheitsteam die Unterstützung für die Zeitspanne eines Jahres nach Erscheinen des Nachfolgers, daher wird der Woody-Support jetzt bald eingestellt. Das Testing-Sicherheitsteam arbeitet gerade daran, unsere Sicherheitsinfrastruktur so umzustellen, dass beide Teams zeitgleich darauf arbeiten können. Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass wir ältere Releases solange unterstützen könnten, wie es Leute gibt, die daran ein Interesse haben.

Steve: Unsere Standards sind an diesem Punkt ziemlich einfach. Jede Hauptversion N von Debian wird bis zu 12 Monate nach Erscheinen von N+1 oder bis zum Release von N+2 unterstützt. Das gewährt unseren Nutzern genug Zeit, in der Tests und der Umstieg auf eine neue stabile Version erfolgen können.

Leserfrage: Wie sieht es mit der Entwicklung von Hurd und Einbindung in den Stable-Zweig auf lange Sicht aus und gibt es bereits Pläne oder Ideen?

Steve: Hurd steht nicht als Release-Kandidat bei der Veröffentlichung von Etch zur Debatte, da noch eine Menge Arbeit zu tun ist. Wir halten für das Hurd-Team ein Archiv bereit und viele Debian-Pakete sind auch schon auf Hurd portiert worden. Allerdings gibt es immer noch einige Hindernisse, die vor einer Veröffentlichung gelöst werden müssen. Ich denke, dass dies noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Natürlich ist uns jede weitere Hilfe jederzeit herzlich willkommen!

Eines der anstehenden größeren Projekte könnte wohl in diesem Sommer im Rahmen von Googles Summer of Code seinen Abschluss finden. Wir haben dazu ein studentisches Projekt, das die Portierung des Debian Installers auf Hurd umsetzt.

Was den Kernel betrifft, kann ich nur sagen, dass jetzt statt Mach der L4 den Vorzug bekommen hat. Ich muss allerdings gestehen, dass ich die aktuellere Entwicklung nicht allzu aufmerksam verfolgt habe.

Leserfrage: Wird Debian möglicherweise in Zukunft einen BSD-Kernel als Standard einsetzen?

Steve: Das hängt davon ab, wie schnell die noch anstehenden Aufgaben erledigt werden. Überall dort, wo es erforderlich gewesen ist, sind zahlreiche Patches bereits implementiert worden. Allerdings bleibt noch viel zu tun.

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