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Thema: PR: CCC spricht sich gegen Angriffe auf Kommunikationssysteme aus

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Von alec am Di, 18. September 2001 um 04:16 #
Dass Terroristen das World Trade Center filmreif in Schutt und Asche gelegt haben, hat inzwischen wohl jeder mitgekriegt. Alle sind
betroffen und trauern. Schließlich sind ja ein paar tausend Menschen gestorben. Ein bisschen befremdlich ist es zwar schon, daß die paar
tausend Menschen, die am 10. September oder am 12. September oder an jedem beliebigen anderen Tag an den Folgen von Hunger, Krieg und
Vertreibung gestorben sind, keine Schweigeminuten verdient haben - aber schließlich handelte es sich dabei ja nicht um Amerikaner!
Nichtsdestotrotz ist der Terroranschlag in Amerika nicht so einzigartig, wie jetzt immer getan wird. Er ist lediglich ein besonders
medienwirksamer Bestandteil einer Kultur der Gewalt, die in der weltweiten Politik vorherrscht.

Es ist durchaus üblich, politische, religiöse oder weltanschauliche Feinde massenhaft umzubringen. Manchmal schön langsam der Reihe nach,
manchmal möglichst viele auf einmal. Eine Frage der Kosten-Nutzen-Rechnung. Manchmal leise und klammheimlich, manchmal mit
großem Knall und bunten Action-Bildern. Eine Frage des Prestiges. Meistens trifft es Arme, selten auch mal Reiche. Eine Frage der
Mengenverhältnisse. Die Armen trifft es häufiger, da es einfach mehr Arme als Reiche gibt. Außerdem ist es leichter, gegen Schwächere
vorzugehen. Die Reichen erwischt man nur aus dem Hinterhalt, nur mit Überraschungseffekt, nur wenn keine Gegenwehr möglich ist. Feige -
aber effektiv.

Wer sich an Hiroshima und Nagasaki erinnern kann, oder - räumlich etwas näher - an London und Dresden, der erkennt Massenvernichtung
von Zivilbevölkerung in zivilisierten Großstädten als bewährtes, traditionelles Kriegsmittel im Arsenal der Staaten, die sich heute in der
NATO zusammengeschlossen haben und exklusiv das Qualitätsmerkmal "freie Welt" für sich beanspruchen. Amerikanische und deutsche
Politiker haben die Terroranschläge auch sofort als "kriegerische Handlungen" bezeichnet. Nur haben sie offensichtlich vorher nicht gewusst,
dass sie sich in einem Krieg befinden. Das wird halt jetzt nachgeholt. 1914 gab es beim Attentat in Sarajewo zwar weniger Opfer, aber
ansonsten bleibt alles beim Alten: Parteien rücken zueinander, endlich Burgfrieden, Sozialdemokraten sind begeistert vom Krieg. Deutschland
stellt einen Blankoscheck aus. Und die ganze Nation des Attentäters muss vernichtet werden, schließlich sind wir zivilisiert. Wo es früher
"Serbien muss sterbien!" hieß, müssen heute halt die Afghanen herhalten, oder die Palästinenser oder die Iraki.

Wenn ich hier schreibe, dass die feigen, brutalen Anschläge in Amerika nicht so außergewöhnlich sind, wie sie oberflächlich betrachtet
erscheinen, dann heißt das nicht etwa, dass ich diese Gewalttaten relativieren will oder gar befürworte. Im Gegenteil: sie sind auf das schärfste
abzulehnen. Aber das gilt eben auch für den Rest der politischen Gewaltkultur. Der Amerikaner, der im WTC gestorben ist, ist nicht
wertvoller als der Afrikaner, der des Hungers stirbt, oder als der Israeli oder Palästinenser, der im semitischen Krieg stirbt, oder als der
politische Gefangene, der im türkischen Gefängnis totgefoltert wird. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Das Problem ist die scheinbare
Legitimität staatlicher oder politischer Gewalt. Es wird allgemein anerkannt, dass Staaten oder ähnliche politische Gebilde (z.B.
Terrororganisationen) das Recht haben, ihre Weltanschauung mit Gewalt durchzusetzen. Achtzig Prozent der Palästinenser stimmen
Selbstmordattentaten in Israel zu, neunzig Prozent der Amerikaner stimmen massiven Vergeltungsmaßnahmen gegen egal wen zu, und es ist
anzunehmen, dass sogar viele der anständigen, demokratischen, autonomen Antifas mit größter Freude ein Flugzeug in ein Hochhaus voller
Nazis krachen lassen würden. Und natürlich jeweils umgekehrt, man lässt sich ja nicht lumpen. Zumindest sind selbst in unserem
APPD-Gästebuch genug solcher Gewaltfantasien geäußert worden.

Wir müssen anfangen, das Übel an der Wurzel zu packen. Wir müssen also im wörtlichen Sinne radikal werden. Denn die Symptome zu
bekämpfen heißt in diesem Falle Öl auf das Feuer zu gießen. Die Welt wurde noch nie besser durch Vergeltung. Kein Toter wird lebendig
gemacht, indem man einfach noch ein paar weitere Leute umbringt. Auch dann nicht, wenn man Rassist genug ist, um den Tod eines
Amerikaners schlimmer zu finden als den Tod eines Afghanen - oder wer letztendlich als Sündenbock herhalten muss. Radikal sein heißt:
Politischen Gebilden aller Art das Instrument der Gewalt aus den Händen zu nehmen. Ohne Gewalt können die meisten politischen Gebilde
zwar nicht überleben. Aber wenn Gewaltverzicht den Tod von politischen Gebilden bedeutet - nun, besser als der Tod eines Menschen ist der
Tod eines Staates allemal!

Konkrete Handlungsanweisung für rückverdummte Leser: Verweigert die Teilnahme an Gewalthandlungen, verweigert den Gehorsam,
verzichtet in jedem Fall auf Rache! (Ich weiß selbst, dass sich da keine Sau dran hält. Aber Recht habe ich trotzdem!)

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