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Di, 21. Januar 2003, 01:19

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Alternative Anhörung Urheberrechtsgesetz

Am Donnerstag 23. Januar 2003, 18:00 findet an der Humboldt Universität Berlin, Kinosaal, Unter den Linden 6, eine alternative Anhörung zu den gesellschaftlichen Folgen der Gesetzesnovelle, das Urheberrecht an die digitale Informationsgesellschaft anzupassen, statt.

Mit einer derzeit im Bundestag verhandelten Gesetzesnovelle hat sich die Regierung das Ziel gesetzt, das Urheberrecht an die digitale Informationsgesellschaft anzupassen. Für die Nutzer stellt der kurz vor der Abstimmung stehende Entwurf aber einen Rückfall in die analoge Steinzeit dar. So wird sich der Verbraucher in Zukunft beispielsweise von einer geschützten Musik-CD keine Kopie mehr für Auto oder MP3-Player ziehen können. Die digitale Privatkopie soll abgeschafft werden. Im Internet sollen die heutigen Nutzungsfreiheiten für Bildung, Bibliotheken und die Allgemeinheit überhaupt nicht mehr gelten. Medienkonzerne erhalten stattdessen einen Freibrief ausgestellt: sie können mit Kopierschutz und anderen technischen Maßnahmen festlegen und kontrollieren, wie Information künftig genutzt wird. Fachleute äußern dagegen Verfassungsbedenken.

Privatkopie.net nimmt das zum Anlass, eine alternative Anhörung zu veranstalten, um die gesellschaftlich prekären Folgen des Gesetzentwurfes aufzuzeigen. Dazu lud das Projekt eine Reihe namhafter Vertreter der Forschung und dem Cyberspace-Umfeld ein.

So wird unter anderem John Perry Barlow, Mitbegründer der Electronic Frontier Foundation (EFF), Fellow am Berkman Center for Internet and Society der Harvard Law School, über vier Jahre Erfahrungen unter dem Digital Millenium Copyright Act (DMCA), der US-amerikanische Entsprechung zur deutschen Novelle berichten. An zahlreichen Fällen hat sich gezeigt, dass das Umgehungsverbot für DRM-Systeme in großem Umfang rechtmäßige Verhaltensweisen beeinträchtigt hat. Der DMCA gefährdet die Meinungs- und Forschungsfreiheit, schmälert Verbraucherrechte und bildet ein erhebliches Hindernis für Wettbewerb und Innovationen. Barlow war Liedtexter der Grateful Dead und tritt seit langem für ein radikal neues Verständnis von Urheberrecht ein. Er gilt als Netzaktivist der ersten Stunde und ist der Verfasser der legendären "Unabhängigkeitserklärung für den Cyberspace".

Dirk Günnewig, M.A. Universität Dortmund, Politikwissenschaftler am FB Mathematik, und digital-rights-management.de, gibt einen Überblick über die technologischen Grundlagen der Digital Rights Management Systeme, für die das neue Gesetz einen Umgehungsschutz schafft. Ihr Kernbestandteil sind Verfahren der Nutzungskontrolle digitaler Güter, die meistens durch einen Kopierschutz ergänzt werden. DRM soll illegale Nutzungen verhindern und neue Geschäftsmodelle für Filme, Musik und Texte ermöglichen. DRM kontrolliert, wer, was, wann, wo, wie nutzt. Wird DRM nicht reguliert, müsste es mit "Digital Restriction Management" übersetzt werden.

Till Kreutzer, Institut für Rechtsfragen der Open Source Software (ifrOSS), erläutert die Regelung der Schranken im vorliegenden Gesetzentwurf. Schranken begrenzen die Rechte der Urheber und Verwerter und erlauben Bildung, Bibliothken, Behinderten und -- in Form der Privatkopie -- jedermann bestimmte Nutzungen ohne Zustimmung. Beim Einsatz von DRM ermöglicht der Gesetzentwurf den Begünstigten, die Mittel zur Nutzung eines Werkes von den Verwertern einzufordern. Davon ausgenommen bleibt allerdings die digitale Privatkopie. Im Onlinebereich sollen diese Durchsetzungsmöglichkeiten ganz entfallen.

Prof. Dr.iur. Bernd Lutterbeck, Professor für Informatik und Gesellschaft der Technischen Universität Berlin, wird den vorliegenden Gesetzentwurf in Bezug auf Unterricht und Forschung bewerten. Das Recht auf Zugänglichmachung z.B. in einem Intranet wird bestätigt. Auf die Stellungnahme des Bundesrates hin hat die Bundesregierung jedoch die Bildungsschranke verengt. Nun soll sie nur noch für »kleine Teile eines Werkes« oder »Werke von geringem Umfang« gelten. Filmwerke sollen ganz ausgenommen werden. Und die neue Bildungsschranke soll nun vergütungspflichtig sein.

Annette Mühlberg, Leiterin des Referats Neue Medien und eGovernment beim ver.di Bundesvorstand, Berlin, wird die gesellschaftlichen Auswirkungen der Umsetzung des Gesetzentwurfs in einen breiteren Zusammenhang stellen, und herausarbeiten, wie die Bundesregierung mit diesem Vorhaben ihre eigen politischen Leitlinien konterkariert.

Andreas Bogk, Chaos Computer Club, wird über die Werkzeuge und Technologien sprechen, die das neu zu schaffende Umgehungsverbot illegal macht, und welche Folgen das für die tagtägliche informatische Praxis hat.

Moderiert wird die Anhörung von Jeanette Hofmann, Wissenschaftszentrum Berlin, und Volker Grassmuck, Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität. Der Eintritt ist frei.

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