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Mo, 14. Mai 2007, 20:58

Glosse: Eigentlich sind wir tot

Darf man Microsoft glauben, so ist die freie Software-Bewegung bereits tot - eine Analyse.

Kleider machen Leute. Manchmal sind es eben auch Titel. Einem Programmierer unterstellt man automatisch, Ahnung von Computern zu haben, einem Schreiner gesteht man den Umgang mit Holz zu und einem »Microsoft platform strategy director« Kenntnisse der gängigsten Betriebssysteme. Oftmals täuschen aber Kleider, genauso wie Titel.

Einn bravouröses Beispiel der eigenen Unkenntnis lieferte der amtierende »Head of Microsoft's Linux Labs«, Bill Hilf. Während seiner Asien-Reise letzte Woche ließ sich der Manager naturgemäß, durch seinen Titel befähigt, zu Aussagen bezüglich Linux hinreißen. Die Welt sollte danach nie mehr so sein, wie sie mal war, denn laut Hilf ist die freie Software-Bewegung und Linux im Jahre 2007 des Herrn bereits tot. Mmm... Ja.

Wir resümieren. Laut Hilf werden die meisten kommerziellen Distributionen nicht von Freiwilligen, sondern von... kommerziellen Distributoren erstellt. Es wird aber noch erschütternder, denn diese tragen die meiste Arbeit zur Entwicklung des Kernels bei. Die Welt ist in der Tat nicht mehr, wie sie mal war. In einer vor nicht mal drei Monaten veröffentlichten Studie zum Kernel 2.6.20 waren in der Top 10 der Beitragenden gerade mal zwei klassische Distributoren vertreten. Ein verrücktes Jahr 2007.

Wir wollen allerdings nicht so streng sein, denn in der Tat wurde die Mehrzahl des Codes zum Kernel 2.6.20 von Unternehmen beigesteuert. Sicherlich meinte Herr Hilf das, formulierte es aber nur ein wenig unglücklich. Kann schon mal passieren im Eifer eines Interviews. Damit das aber nicht passiert, präzisiert man oftmals die Aussagen.

Wir resümieren die präzisierte Aussage. Linux tot. Noch mehr. Die komplette freie Software-Bewegung ist tot. Kein »Love, Peace and Harmony« mehr. Nur noch eine graue Masse aus großen kommerziellen Unternehmen wie IBM und kleinen Unternehmchen wie Ubuntu. Wahrhaftig ist Linux und die Bewegung tot, denn die Software wird von... Menschen geschrieben. Dass sie auch arbeiten (müssen), mag manch einem im Aktien-Optionsrausch entfallen sein. Ist es wirklich verwerflich, wenn ein Linux-Enthusiast bei einer Firma anheuert, in der er das machen kann, was er schon immer machte? Wenigstens gibt der Microsoft-Manager zu, auch wenn unfreiwillig, dass Linux von professionellen Programmierern geschrieben wurde und kein »Frickelsystem« ist. Das ist doch schon etwas.

Von dem Umstand, dass die Mehrzahl der Entwickler eines Kernels bei Unternehmen beschäftigt ist, auf einen Tod einer kompletten Bewegung zu schließen, ist allerdings gelinde gesagt »gewagt«. Würde eine Bewegung sich nur über einzelne Personen definieren, könnten man das vielleicht akzeptieren. Vielleicht. Da sich freie Software aber durch eine Idee identifiziert, greift die Argumentation nur bedingt - denn Ideen sind auch gegen »ans Bein pinkeln« der Konkurrenz immun. Es spielt für die Idee keine Rolle, wer sie ausführt, sondern, dass sie befolgt wird. Kommerzielle Interessen sind oftmals ausdrücklich gewünscht - so steht es auch in der GPL. Wo ist also das Problem?

Wahrscheinlich wollte der Manager ein wenig mit den Ketten rasseln und vergaß sie nur zu heben. So wurde aus einer angeblichen Lichtung von Mythen ein peinlicher Moment der eigenen Unkenntnis. Dabei würde nur ein Blick auf einen Partner des eigenen Unternehmens reichen, um zu erkennen, wie die Symbiose zwischen der Community und Unternehmen funktioniert. Wie seit geraumer Zeit ein omnipräsenter Fall eines vermeintlichen »Linux-Jägers« zeigt, kann eine Community ohne eine Firma sehr wohl überleben. Ob diese Firma allerdings auch ohne eine Community überlebt, ist nicht bewiesen.

Kleider und Titel machen eben Leute. Wenn manche aber schon beim Anblick ihrer zerlumpten Kleider rot werden, wieviel mehr müssten sie sich ihrer noch armseligeren Ideen schämen?

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