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Do, 17. Februar 2011, 08:00

Gesellschaft::Politik/Recht

Strategiewechsel im Auswärtigen Amt gerät unter Druck

Das deutsche Auswärtige Amt will die bereits auf Linux umgestellten Desktops auf Windows zurückmigrieren. Wie jetzt bekannt gewordene interne Dokumente zeigen, ist das das genaue Gegenteil der Empfehlung einer zuvor beauftragten Studie.

Vor zwei Wochen begann die Öffentlichkeit, auf die Migrationspläne des Auswärtigen Amtes aufmerksam zu werden, als SPD-Fraktion eine kleine Anfrage (PDF) stellte, um Kosten und Nutzen dieses Vorhabens zu hinterfragen. Die Antwort der Bundesregierung (PDF) bestätigte den Plan. Oliver Kaczmarek, der an der Anfrage beteiligt war, kritisierte die Antwort heftig. Die Bundesregierung gab an, dass das Potential der Einsparungen durch den Einsatz von freier Software nicht in vollem Umfang ausgeschöpft werden konnte. Dies konnte laut Kaczmarek nicht mit Zahlen belegt werden und sei ausweichend. Tatsache sei, dass die IT-Kosten bei Nutzung freier Software pro Arbeitsplatz deutlich gesenkt wurden.

Die Antwort behauptet auch: »Es hat sich jedoch gezeigt, dass Aufwendungen für Anpassungen und Erweiterungen durch selten bereits vorhandene Treiber und Schnittstellen höher sind als beim Einsatz von weit verbreiteten proprietären Produkten (Standardsoftware).« Daraus folgerte Kaczmarek: »Es gilt somit für die Bundesregierung: Standardsoftware entspricht proprietärer Software. Mit dieser Sichtweise dürfte sie ziemlich allein da stehen oder sie nutzt einen unscharfen Begriff von Standardsoftware.« Weiter bemängelt Kaczmarek, dass die Frage, ob bereits mit Unternehmen über die Umsetzung verhandelt wird, sowie Fragen nach der Sicherheit proprietärer Software nur unzureichend beantwortet wurden.

Nachdem nun interne Unterlagen des Auswärtigen Amtes bekannt wurden, die auf dem Politik-Blog Netzpolitik.org veröffentlicht wurden, könnte der politische Gegenwind für den Plan zum Sturm der Entrüstung werden. Das Blog spricht von einem erfolgreichen Einsatz freier Software, was auch von anderer Seite bestätigt wurde. Trotzdem wolle das Amt nun wieder verstärkt auf Herstellerabhängigkeit und weniger offene Standards setzen. Besonders brisant ist dabei ein Bericht (Auszüge als PDF) der Unternehmensberatung McKinsey zur Bewertung der Open-Source-Strategie, die das Auswärtige Amt im Jahr 2009 Auftrag gegeben hatte. Dort wird die Linux-Strategie bestätigt. Ende 2010 oder Anfang 2011 sandte der Referatsleiter IT Dr. Michael Groß eine Hausmitteilung (PDF) an alle Mitarbeiter, nach der schon im August 2010, kurz nach der Fertigstellung des Berichtes, die Entscheidung gefällt wurde, zu Windows XP zurückzugehen und dies später durch Windows 7 zu ersetzen. Dies soll laut der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage »keine mittelbaren Kosten« verursachen, da »Effizienzgewinne« erwartet würden. Netzpolitik.org bemerkt dazu lakonisch, dass dies etwas verwunderlich sei, da McKinsey für dieses Szenario »Mittelfristig signifikante Lizenz- und Migrationskosten« kalkuliert. Stattdessen empfiehlt die Studie, Microsoft Office abzuschaffen (es wurde bisher auf den Linux-Desktops noch virtualisiert zur Verfügung gestellt) und den ODF-Standard »härter« durchzusetzen.

»Gegen alle Vernunft« gehört noch zu den zurückhaltendsten Kommentaren, die die Pläne des Amtes ausgelöst haben. Auch die Free Software Foundation Europe (FSFE) hat in einer Mitteilung einen Kommentar abgegeben und spart nicht mit Kritik: »Die Bundesregierung verstellt der Öffentlichkeit den klaren Blick auf den Strategiewandel im Auswärtigen Amt. Es ist zu bezweifeln, dass ernsthaft versucht wurde, die Freie-Software-Strategie im Auswärtigen Amt umzusetzen«, so die FSFE. Sie kritisiert die Verschwendung von Steuergeldern durch die Hin- und Hermigration und die Schädigung der lokalen Wirtschaft, die nur bei anbieterunabhängiger freier Software gleichberechtigt mitbieten könne. Es stehe nun zu befürchten, dass das Auswärtige Amt seinen Verpflichtungen zur Unterstützung von ODF im Austausch mit der Bundesverwaltung nicht mehr genügen könne, da es noch immer erhebliche Defizite in der Unterstützung bei Microsoft gebe.

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