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Mi, 11. Mai 2011, 10:00

Gesellschaft::Politik/Recht

Bundesregierung: Open Source ja, aber nicht überall

Vor fast einem Monat stellten die Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, Agnieszka Malczak, Omid Nouripour, Wolfgang Wieland und die Fraktion der Grünen eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung, in der diese Stellung bezüglich der Nutzung von Open-Source-Software in Behörden beziehen sollte. Jetzt gibt es Antworten auf die 39 Fragen.

Anlass für die Kleine Anfrage der Grünen war die geplante Rückmigration der Arbeitsplätze des Auswärtigen Amtes auf proprietäre Betriebssysteme und Büroanwendungen. Als Gründe für die Abkehr von freier Software im Auswärtigen Amt nannte die Bundesregierung Benutzerunfreundlichkeit und Interoperabilitätsprobleme. Die Kleine Anfrage der Grünen konfrontierte die Bundesregierungen mit Fragen zum Einsatz offener Software sowie Standards, Sicherheit und Kosten.

In ihrer Antwort, die von den anfragenden Abgeordneten dem Linux-Magazin zugestellt wurde, erläutert die Bundesregierung, dass sie die Nutzung freier Software in der Verwaltung überall dort unterstütze, wo sie geeignet und wirtschaftlich ist. So wurden im Rahmen des Konjunkturpaketes Mittel für die eine verbesserte IT-Organisation des Bundes eingesetzt und der Einsatz freier Software im Kernbereich »Innovation/Zukunftsfähigkeit« gefördert. Auch offene Standards werden auf den Papieren der Bundesregierung ausdrücklich gewünscht, beispielsweise im Grundlagenpapier »Standards und Architekturen für E-Goverment-Anwendungen (SAGA)« und in der aktuellen Fassung der Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen.

Die Bundesregierung gibt zu, dass freie Software die IT-Sicherheit verbessert, etwa indem der Quelltext eingesehen und Monokulturen verhindert werden können. Sie plane nicht, die Stellung marktbeherrschender Unternehmen im IT-Bereich aktiv zu stärken bzw. Lösungen solcher Hersteller als Standards anzuerkennen. Verbindliche Standards sollten laut der Bundesregierung weiterhin offen sein und Open-Source-Lösungen dürfen bei der Beschaffung bei entsprechender fachlicher Eignung und Wirtschaftlichkeit nicht benachteiligt werden. Laut dem Antwortschreiben stimmt die Regierung den Auffassungen des BSI zu, dass offene Standards und Schnittstellen unabdingbar sind, um Interoperabilität zu gewährleisten und setzt sich im IT-Planungsrat dafür ein, dass offene Interoperabilitätsstandards auch für Länder und Kommunen verbindlich werden.

Der Wechsel auf proprietäre Software im Auswärtigen Amt (AA) wird laut der Bundesregierung nicht alle Bereiche betreffen. Die Arbeitsplatzrechner der Mitarbeiter, die bei der Migration im Vordergrund stehen, werden auf Windows 7 und MS Office 2010 umgestellt. Im Backend, zur Absicherung der Netzinfrastruktur und punktuell im Clientbereich wird weiter freie Software genutzt. Die Beschwerden der Mitarbeiter des AAs, die fehlende Bedienerfreudlichkeit, mangelnde Funktionalität und Interoperabilität der eingesetzten freien Software betreffend, lassen sich laut der Regierung am effektivsten mit einem proprietären Betriebssystem beheben.

Die Interoperabilitätsprobleme beim Versenden und Empfangen von Textdokumenten im OpenDocumentFormat entstanden gemäß Antwortschreiben durch die verschiedenen Implementationen des ODF-Standards in den einzelnen Anwendungen (KOffice, LibreOffice, OpenOffice, StarOffice, NeoOffice, ...) die den Standard um produktspezifische Merkmale ergänzt hätten. Aufgrund dieser Defizite müssten empfangene Dokumente mit dem Erstellerprodukt in gleicher Version geöffnet werden, um fehlerfrei angezeigt zu werden. Die Mitarbeiter des AAs sind auf schhnelle, reibungslose und unkomplizierte Kommunikation mit vielen verschiedenen Behörden angewiesen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können, so dass dort neben dem ODF-Format auch die weit verbreiteten Microsoft-Binär-Formate unterstützt werden müssen.

Dass die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes mit veralteten Softwareversionen arbeiten mussten, wurde von der Regierung damit begründet, dass die Aktualisierung von Open-Source-Software mit einem hohen internen Ressourcenaufwand verbunden wäre. Neben funktionalen Ergänzungen käme es auch zu unerwünschten Nachteilen. Da eine Herstellerhaftung nicht geltend gemacht werden könne, müsse die IT-Organisation des AAs das Risiko schwerwiegender Funktions- und Sicherheitsmängel tragen. Zudem hat es sich als unwirtschaftlich erwiesen, die eingesetzte Software zu aktualisieren. Drittsoftware wie OpenOffice, Groupware und der eingesetzte Mailclient ließen sich nicht aktualisieren, ohne auch das zugrundeliegende Betriebssystem einem Update zu unterziehen. Alle für eine Aktualisierung erforderlichen Maßnahmen wie Anwendungen auf Mängel und Schwachstellen zu prüfen, anzupassen, zu testen, zu warten und zu pflegen, würden Ressourcen binden und seien so auf Dauer personalintensiv und nicht wirtschaftlich.

Laut einer Kostenschätzung vom März 2010 betragen die Kosten für den Einsatz freier Software auf den Zeitraum von fünf Jahren betrachtet 5,6 Millionen Euro. Darin sind die höheren Kosten für Hardware, Periphereie und Entwicklung, die quelloffene Software erfordere, nicht enthalten. Ebenso fehlen die Kosten, die für Virtualisierungssoftware für fachlich notwendige Windows-Anwendungen anfallen. Eine proprietäre Lösung würde für den gleichen Zeitraum mit 6,6 Mio. Euro kosten, wobei zukünftig der monetäre und zeitliche Aufwand von Schulungen für Mitarbeiter wegfallen würde, die bisher an zwei Arbeitsplatzumgebungen durchgeführt werden mussten.

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