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Do, 2. Februar 2012, 13:08

Gesellschaft::Politik/Recht

Der leise Tod von Wienux

Das einstige Vorzeigeprojekt der IT-Abteilung von Wien, der Umstieg der Behörden-PC auf Linux, wird »aufgrund technischer Einschränkungen de facto nicht genutzt«. Von den ursprünglich umgestellten Rechnern ist fünf Jahre nach der Umstellung kaum noch etwas übrig geblieben.

Im Oktober 2004 startete in Wien eine Arbeitsgruppe, die Vorbereitung der sanften Migration zu Linux treffen sollte. Wichtig dabei war, dass die Open-Source-Lösung mit der bestehenden Infrastruktur kommunizieren kann. Mitte 2005 war es so weit. Der Wiener Stadtrat präsentierte mit »Wienux« eine Linux-Distribution, die zukünftig in der Stadtverwaltung zum Einsatz kommen konnte. »Konnte« deshalb, weil der Umstieg freiwillig war. Wer mochte, konnte zukünftig auf den Behörden-PCs auf die Open-Source-Lösung setzen. Wer lieber alles beim Alten ließ, konnte allerdings auch weiterhin unter Windows arbeiten. Im Sinne einer kreativen Verwaltung wollte man den Mitarbeitern dadurch die individuelle Freiheit erhalten, so die damalige Aussage der Verantwortlichen.

Die Distribution basierte auf Debian GNU/Linux 3.1 mit einem Kernel 2.6.11 und XFree86 4.3. Als Desktop setzten die Wiener KDE 3.3.2 ein. Mozilla Firefox wurde als Browser genutzt. Der Zugriff auf E-Mails erfolgte entweder über MS Outlook oder über eine Web-Schnittstelle. Als Office-Lösung kam in Wienux das freie OpenOffice.org zum Einsatz. Dabei war die Umstellung auf OpenOffice.org unabhängig vom Linux-Betriebssystem: OpenOffice wurde auf Wunsch auch unter Windows installiert und konnte dort parallel zum vorhandenen MS Office betrieben werden.

Doch bereits bei der Umstellung war klar, dass die freiwillige Migration nicht an einem Ansturm von Interessenten scheitern wird. So ging die Magistratsabteilung 14 davon aus, dass im ersten Jahr nicht mehr als einige hundert Anwender umsteigen werden. Bei insgesamt 32.000 Systemen nicht wirklich eine große Zahl. Doch auch zwei Jahre später fiel die Bilanz immer noch ernüchternd aus. So war das System nur auf knapp 1000 Rechnern zu finden. Von den umgestellten Linux-Anwendern waren insgesamt 70 Recherche-Stationen in den Bibliotheken sowie 720 Arbeitsplätze in den 360 Kindergärten der Stadt umgestellt worden. Nur 200 Angestellte, so der damalige Bericht der Stadtverwaltung, migrierten tatsächlich auf Linux.

Als nur drei Monate später die 750 Verwaltungs- und pädagogische Arbeitsplätze in Kindergärten mit einer neuen Software zur Sprachstandserhebung ausgestattet wurden, die nur den Internet Explorer von Microsoft unterstützte, war der leise Tod des Projektes zu befürchten. Wienux verschwand nun wieder von den Arbeitsplätzen der Kindergärten und wurde durch Microsoft Vista ersetzt. 2009 der nächste Schlag. Im Dezember beschließt der Gemeinderat den Erwerb zeitlich befristeter Microsoft-Lizenzen, denn »für einige Arbeitsbereiche gab es am Markt keine Open-Source-Alternative«, so die Begründung.

Fünf Jahre später scheint Wienux bereits Geschichte zu sein. Zwar können die Mitarbeiter weiterhin auf Wienux setzen, doch nach so vielen Jahren kann nicht mehr von einem modernen System gesprochen werden. Denn eine Weiterentwicklung des Systems findet laut einem Bericht von Standard mittlerweile nicht mehr statt. Auch der Download über die Webseite des Magistrats ist seit 2008 nicht mehr möglich. Übrig geblieben ist nur eine englischsprachige Seite. Wer auf eine Besserung hofft, sollte seine Erwartungen bremsen.

In der Ausgabe 30 [PDF] des Silver-Magazins stellt Dr. Johann Klar, Leiter der MA 14, fest, was viele bereits dachten. So sei Wienux als Betriebssystem am Arbeitsplatz weiterhin eine Option, die aber aufgrund technischer Einschränkungen de facto nicht genutzt wird. Als Grund nennt er den allgemeinen Tenor weg vom Desktop, hin zu Thin Clients ohne eigentliches Betriebssystem und Smartphones, sowie Tablets. »Anzumerken ist, dass der Einsatz von Linux am Desktop weltweit stagniert«, so Klar weiter. Hier könnte er sich allerdings geirrt haben.

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Kommentare (Insgesamt: 49 || Alle anzeigen )
Download (Wienux, Fr, 23. Mai 2014)
Astalavista Linux (Astalavista Linux, So, 12. Februar 2012)
Typisch öffentliche Verwaltung (tuxilator, Fr, 10. Februar 2012)
Re[5]: Grundsätzliche Fehler (krake, So, 5. Februar 2012)
Re[4]: Grundsätzliche Fehler (Lexi, Sa, 4. Februar 2012)
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