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Di, 22. Dezember 2015, 16:46

Gesellschaft::Politik/Recht

Digital-Manifest für den richtigen Umgang mit Big Data und Künstlicher Intelligenz

Das Digital-Manifest, in dem Wissenschaftler vor ernsten Gefahren für Freiheit und Demokratie durch Big Data und Künstliche Intelligenz warnen, ist zwar bereits einige Zeit online. Die Redaktion des »Spektrum der Wissenschaft« hat das Manifest aber nun zusammen mit weiteren Artikeln zu einer kostenlosen Sonderausgabe erweitert.

Spektrum der Wissenschaft

Immer mehr Bereiche unseres Lebens werden von automatisierten Algorithmen bearbeitet oder beeinflusst. Am Anfang standen, erst vor wenigen Jahren, Vorschläge in Suchmaschinen. Inzwischen sammeln jedoch Unternehmen, Behörden und Überwacher derart massiv Daten über jeden Einzelnen, dass sich fast täglich neue Anwendungen ergeben. Subtile Manipulationen des individuellen Verhaltens, »Nudging« genannt, werden immer wahrscheinlicher. Vor diesem Hintergrund haben neun europäische Wissenschaftler in einem Digital-Manifest vor diesen Entwicklungen gewarnt. Sie sehen ein massives Potential für Fehlentwicklungen. So kann niemand voraussagen, ob Nudging tatsächlich den gewünschten Effekt hätte oder in eine ganz andere Reaktion umschlagen könnte, mit möglicherweise katastrophalen Folgen. Nicht auszudenken, wenn Kriminelle, Terroristen oder Extremisten die Kontrolle über solche Systeme erlangen wurden - doch das wäre nahezu zwangsläufig. Wahlen wären manipulierbar, ebenso können Suchmaschinen die öffentliche Meinung beeinflussen. Zudem haben sich die Probleme in der Welt trotz Datenflut und Verwendung personalisierter Informationssysteme nicht verringert, stellen die Forscher fest. Eher ist das Gegenteil der Fall. Auch die Demokratie selbst ist in Gefahr. Die Gesellschaft braucht nach Ansicht der Forscher Diversität, um zu funktionieren. Genau das leisten Algorithmen jedoch nicht.

Ein Blick nach China zeigt laut dem Artikel, was uns in naher Zukunft droht: Das nun in China umgesetzte Konzept eines Citizen Scores, eine Vermessung der Bürger auf einer eindimensionalen Rankingskala, ist nicht nur eine umfassende Überwachung. Da die Punktezahl einerseits von den Klicks im Internet und politischem Wohlverhalten abhängt, andererseits aber die Kreditkonditionen, mögliche Jobs und Reisevisa bestimmt, geht es auch um die Bevormundung der Bevölkerung und ihre soziale Kontrolle. Weiterhin beeinflusst das Verhalten der Freunde und Bekannten die Punktezahl, womit das Prinzip der Sippenhaft zum Einsatz kommt: Jeder wird zum Tugendwächter und zu einer Art Blockwart; Querdenker werden isoliert.

Die Wissenschaftler sehen allerdings auch Chancen in den aktuellen Entwicklungen. Damit diese zu einer besseren Gesellschaft führen, fordern sie die Einhaltung von zehn Grundprinzipien: Die Funktion von Informationssystemen ist stärker zu dezentralisieren, informationelle Selbstbestimmung und Partizipation muss unterstützt werden, Transparenz für eine erhöhte Vertrauenswürdigkeit ist zu verbessern, Informationsverzerrungen und -verschmutzung sollen reduziert werden, Nutzer müssen über von ihnen selbst gesteuerte Informationsfilter verfügen, gesellschaftliche und ökonomische Vielfalt ist zu fördern, die Fähigkeit technischer Systeme zur Zusammenarbeit ist zu verbessern, digitale Assistenten und Koordinationswerkzeuge sollen erstellt werden, kollektive Intelligenz soll unterstützt und die Mündigkeit der Bürger in der digitalen Welt gefördert werden.

Auch einen Aktionsplan haben die Wissenschaftler vorgestellt, der zwar nicht direkt freie Software erwähnt, aber Open Innovation, Open Data und ein Recht auf Kopien. Dass Transparenz ohne freie Software erreicht werden kann, ist zudem kaum denkbar. Die Redaktion des »Spektrum der Wissenschaft« hat das Manifest nun zusammen mit weiteren Artikeln zu einer kostenlosen Sonderausgabe erweitert. Diese findet sich auf der Spektrum-Webseite und kann als PDF-Datei online gelesen oder heruntergeladen werden.

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