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So, 31. August 2003, 22:35

Unternehmen

Linux-Verband kritisiert Gesellschaft für Informatik

Scharfe Kritik übt der LIVE Linux-Verband an der Softwarepatent-Position des Vorstands der Gesellschaft für Informatik (GI).

"Der GI-Vorstand pflegt die Illusion, es gebe eine echte Möglichkeit, Trivialpatente im Software-Bereich zu vermeiden, wenn man einmal Softwarepatente legalisiert hat", so LIVE-Sprecher Daniel Riek. Dies widerspreche jedoch allen Erfahrungen, die zeigten, dass stets die große Mehrzahl der Software-Patente schon wegen eines Mangels an Neuheit und Erfindungshöhe eigentlich nicht zulässig wären. Darüber hinaus sei die effektive Unterscheidung von Trivialpatenten für die Patentprüfung auch theoretisch nicht möglich, da der Fortschritt in der IT-Welt sequenziell verlaufe, d.h. alle Neuerungen stets auf Vorarbeiten basieren und sich nur relativ gering von diesen abheben, dafür jedoch um so schneller aufeinander folgten. "Davon abgesehen ist der aktuelle Stand der Technik in der Software schlicht nicht dokumentiert und viel zu dynamisch, um als Meßgröße zu dienen" führt Riek aus.

Dass die GI nun gegen das Amazon-Patent vorgehe sei ein schlichtes PR-Manöver. Die Forderung nach einer schnellen Verabschiedung der Richtlinie jedoch führe die Aktion ad absurdum: "Da das Europäische Patentamt bereits seit vergangenem Jahr seine Prüfungsvorschriften an der zu erwartenden EU-Richtlinie ausgerichtet hat, ändert sich durch die Richtlinie natürlich nichts mehr an der Erteilungspraxis. Das Amazon-Patent ist exakt das, was dieser Richtlinienentwurf bezweckt" so Riek. "Die Forderung der GI nach einer raschen Verabschiedung der Richtlinie zeugt also höchstens von mangelnder Sachkenntnis". Zudem habe der FFII bereits anschaulich dargelegt, warum die Amazon-Patente richtlinienkonform seien.

Doch auch grundsätzlich sei die Position des GI-Vorstandes unhaltbar. "Einige Leute im Vorstand der GI - von den Vertretern der Großunternehmen mal abgesehen, die ja ohnehin ihre eigenen Interessen verfolgen - haben offensichtlich ein ernsthaftes Problem mit unserem Wirtschaftssystem", analysiert Riek. Dort habe man scheinbar noch nicht begriffen, dass freier Wettbewerb die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft sei. Stattdessen verfolge man ein merkantilistisches Konzept, bei dem der Staat über das Patentwesen Claims vergebe und Entwickler wie auf einem Mienenfeld um diese Claims herumentwickeln müssten. "Das von den offiziellen Vertretern der GI derzeit angestrebte Modell für die IT-Branche mit eine 20-Jahre-Monopol für Software-Firmen mit guter Rechtsabteilung wird schlimmere Folgen haben als die Planwirtschaft", glaubt Riek. "Ich glaube kaum, dass die Mehrheit der GI-Mitglieder diese Vorstandsposition gutheissen wird - zumindest wenn sie hinreichend über die Folgen von Software-Patenten informiert werden" meint Riek. Es sei schwer vorstellbar, dass die GI-Mitglieder ernsthaft eine Situation wünschen, in der jeder Entwickler für jeden in einem Software-Projekt eingesetzten Algorithmus und jede Geschäftsmethode, die er mit seiner Software abdecken möchte, einen Patentanwalt für umfangreiche Patentrecherchen beauftragen muss. Zudem gebe es ja auch mit einer Recherche keine Garantie, dass nicht ein Patent verletzt werde und der Patentinhaber irgendwann die Nutzung der Software unterbinde und dabei sogar direkt die Kunden belange.

Ein weiterer Punkt sei, führt Riek aus, die Tatsache, dass Software-Patente sich direkt gegen Freie Software richten. "Angesichts der Bedeutung, die Freie Software wie Linux auch in Forschung und Bildung hat, ist die Position des GI-Vorstandes schlicht unverantwortlich" meint Riek. Die GI habe viele Mitglieder aus dem wissenschaftlichen Bereich. Bemerkenswert für die Beurteilung ihrer Position sei in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass sich die Konferenz der Informatik Fachschaften ausdrücklich gegen Software-Patente ausgesprochen habe.

"Die Mitglieder der GI sind gefordert, endlich eine breite Debatte zu den Aktivitäten ihres Vorstandes einzufordern und den offiziellen Kurs der Gesellschaft für Informatik zu korrigieren" postuliert der Linux-Vertreter. Den GI-Vorstand forderte er auf, die Softwarepatent-Unterschtützung einzustellen und nicht weiter gegen Freie Software und Linux zu arbeiten.

In der Tat scheint die GI die Position zur Patent-Richtlinie überdenken zu wollen. Unter http://giserver.gi-ev.de/evewa/ wurde ein Diskussionsforum eingerichtet, das derzeit allen offen steht. Foren, auf die nur die Mitglieder Zugriff haben, sollen später noch hinzukommen.

Die Demonstrationen vor dem Europaparlament und online hatten einen weiteren Effekt. Die Petition von Eurolinux gegen Softwarepatente hat innerhalb weniger Tage den Sprung von 170.000 auf über 200.000 Unterschriften erreicht. Die bisherigen Unterschriften wurden bereits beim EU-Parlament eingereicht.

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