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So, 28. September 2003, 20:27

Gemeinschaft

Zwanzig Jahre GNU

Am 27. September 1983 verkündete Richard Stallman mit einem Posting im Usenet, daß er das GNU-Projekt starten wolle.

Das Posting im damals noch sehr jungen Internet wurde archiviert und ist daher heute noch verfügbar. Es beginnt mit den Worten »Free Unix!« Dann kündigt Stallman an, in Kürze ein »komplettes Unix-kompatibles Software-System« namens GNU (ein Akronym für »GNU's not Unix«) schreiben zu wollen. Das System sollte Unix-Programme ausführen können und alle wichtigen Programme, angefangen von Editor, Shell und C-Compiler bis zu Spielen, Tabellenkalkulation und Dokumentation enthalten. Es sollte ferner Verbesserungen gegenüber dem Unix-System enthalten.

Ohne falsche Bescheidenheit stellt sich Stallman als der Autor des EMACS-Editors vor (dessen Leben 1975 begann), und zählt auf, daß er ansonsten noch an Compilern, Editoren, Debuggern, Interpretern, den Betriebssystemen ITS und Lisp Machine Operating System, einem absturzsicheren Dateisystem und zwei Window-Systemen in Lisp gearbeitet hat.

Zu diesem Zeitpunkt wohnte Stallman in seinem ehemaligen Büro im legendären AI Lab am MIT. Die einzigartige Hacker-Kultur, die dort in den 1970er Jahren herrschte, war jedoch zerstört werden, als die Firma Symbolics ihre Lisp Machine herausbrachte und fast alle der exzellenten Programmierer des AI Labs abwarb. Als im Jahr 1983 eine Anschaffung neuer Maschinen von Symbolics bevorstand, auf denen Stallmans frühere Programme nicht mehr liefen, und die mit proprietärer Software ausgestattet waren, war für Stallman die Zeit gekommen, etwas radikal Neues zu tun.

Dieses Neue war, seine Programme für jeden frei zur Verfügung zu stellen. Stallman erklärte: »Wenn ich ein Programm mag, muß ich es mit anderen teilen, die es ebenfalls mögen. Ich kann nicht guten Gewissens ein NDA oder eine Software-Lizenzvereinbarung unterzeichnen. Damit ich weiter Computer nutzen kann, ohne meine Prinzipien zu verletzen, habe ich entschieden, eine ausreichenden Sammlung freier Software zusammenzustellen, so daß ich ohne irgendwelche Software auskomme, die nicht frei ist.«

Er wählte Unix als Vorbild für das GNU-System, da Unix zu dieser Zeit das einzige Betriebssystem war, das nicht nur theoretisch portabel war, sondern auch tatsächlich auf verschiedenen Rechnern eingesetzt wurde. Portablilität war notwendig, weil immer wieder neue Rechnerarchitekturen auf den Markt kamen und alte verschwanden. So stellte DEC zu jener Zeit die Produktion der PDP-10 ein, auf der ITS gelaufen war. Unix war freilich auch nicht frei. Sein Quellcode war unter Umständen verfügbar, war jedoch ein Geschäftsgeheimnis. Um nicht in den Verdacht zu geraten, Geschäftsgeheimnisse zu stehlen, schaute Stallman nie den Unix-Quellcode an und verpflichtete später alle Mitentwickler, selbiges zu tun.

Stallman forderte Firmen auf, ihm Rechner und Geld zu spenden. Als Gegenleistung würde GNU auf diesen Rechnern zuerst laufen. Interessierte Personen sollten Arbeit oder Software beisteuern. Er deutet die Möglichkeit an, weitere Programmierer einzustellen, falls genug Geld zusammenkäme. Diese hätten keine hohe Bezahlung zu erwarten, da es um die gute Sache und weniger um Geld gehe. Nach der Gründung der Free Software Foundation (FSF) im Jahre 1985 wurde dies Realität; Ende der 80er Jahre arbeiteten 30-50 Leute an GNU. Auch heute werden gelegentlich noch Stellen vergeben.

Doch das GNU-Projekt begann Anfang 1984 bescheiden. Zuerst portierte Stallman den Parser-Generator Bison auf GNU, das heißt auf Unix, da GNU noch keinen eigenen Kernel hatte. Es folgte EMACS. Dieser war sehr populär, was Stallman ermöglichte, Magnetbänder mit EMACS zu verkaufen und damit ein bescheidenes Einkommen von etwa 1500 USD monatlich zu haben. EMACS wurde unter einer Vorläuferversion der GPL vertrieben. Es kamen weitere Tools und schließlich der GNU C Compiler hinzu. Dieser war eine Zeitlang der beste Compiler für alle Systeme, auf denen er lief, und brachte das Projekt weiter voran. Im Jahre 1990 waren die wichtigsten GNU-Komponenten vorhanden, jedoch noch kein Kernel. In diesem Jahr begann die Arbeit an einem auf Mach aufbauenden Microkernel, der als Hurd bekannt wurde. Leider entpuppte sich Mach als sehr fehlerhaft und das Debugging als so schwierig, daß es bis heute kein Hurd 1.0 gibt. Doch bekanntlich betrat 1991 Linus Torvalds die Bühne, baute auf GNU auf und hob den Linux-Kernel aus der Taufe, so daß es heute ein vollständiges GNU-System gibt. Mehr noch, die heutigen freien Systeme wie GNU/Linux, FreeBSD oder NetBSD sind so umfangreich und so erfolgreich, wie es sich selbst Stallman wohl kaum hätte träumen lassen.

Richard M. Stallman, der dieses Jahr fünfzig Jahre alt wurde oder noch wird, begann schon früh mit Computern. Doch da er der Ansicht war, sich das Programmieren selbst beibringen zu können und er in der Informatik keine Herausforderung sah, studierte er Mathematik und Physik und schloß 1974 mit Bestnote in Physik ab. Im Jahre 1990 erhielt er eine Art Stipendium der McArthur-Stiftung, die ihm binnen fünf Jahren rund 230.000 USD und damit finanzielle Unabhängigkeit brachten. Sein konsequenter und kompromißloser Einsatz für freie Software hat ihm viele Gegner beschert, auch aus dem Open-Source- und BSD-Lager, die weniger radikale Positionen verfechten, doch hat er zweifellos einiges bewegt.

Neben den Webseiten von GNU und FSF sind u.a. auch die Bücher Rebel Code und Free As In Freedom eine gute Quelle zur Geschichte von GNU und freier Software.

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