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Mi, 16. März 2005, 13:07

Gesellschaft::Politik/Recht

Softwarepatente: Bundesregierung ignoriert auch künftig den Bundestag

In einem Einheits-Antwortschreiben, welches derzeit verschiedene Mitarbeiter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) an besorgte Software-Entwickler und -Unternehmer verteilen, wird erklärt, Ziel der Politik der Bundesregierung sei es, die Spruchpraxis des Europäischen Patentamtes festzuschreiben.

Da hiermit nur der Status Quo festgeschrieben werde, drohe den Anfragern keine Gefahr, vielmehr beruhten ihre Sorgen auf Missverständnissen.

Die vom europäischen Parlament vorgeschlagene Lösung wird von der Bundesregierung weiterhin ohne Begründung abgelehnt. Das BMWA hält es nicht für nötig, eine Gesetzgebung durch wirtschaftspolitische Ziele zu rechtfertigen. Es versteht sich vielmehr als ein Organ zur Festschreibung »höchstrichterlicher« Beschlüsse.

Ohne Belege und unter Ignorierung aller vom BMWA initiierten Studien behauptet das BMWA, ein Verzicht auf die Erteilung breiter Monopole für Verfahren der »zeit- oder speicherplatzsparenden Anordnung von Daten« wäre »innovationsschädlich«. Damit versperrt das BMWA auch jeden Weg zu dem »strengeren Technikbegriff«, den der Bundestag gefordert hat.

Das Schreiben verspricht zwar, die Forderungen des Bundestages im späteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens berücksichtigen zu wollen, doch das Versprechen bleibt abstrakt und unverbindlich. Von der zunächst entscheidenden Frage der Programmansprüche ist überhaupt nicht die Rede. Hier war eine zunächst klare Forderung des Bundestages durch Einwirken der Ministerien (und einiger Koalitionsabgeordneter) verwässert worden. Aus dem vorliegenden Schreiben lässt sich schließen, dass die Bundesregierung dies als einen Freibrief aufnimmt, ihre bisherige Pro-Softwarepatent-Maximalposition auch in einem Vermittlungsverfahren weiter zu vertreten. Spielraum bleibt demnach nur noch auf dem Nebenkriegsschauplatz des »Interoperabilitätsprivilegs« (Art 6a).

Derweil haben wir an den EU-Rat einige Fragen zur Sitzung vom 7. März gerichtet. Wir wollen wissen, was, im Sinne der Verfahrensregeln des Rates, auf dieser Sitzung passierte. Wenn auf dieser Sitzung ein Gemeinsamer Standpunkt zustande kam, dann wohl nur dadurch, dass einige Delegationen für ihre Parlamente daheim Theater spielten und gegen sich selbst stimmten. Aber es erscheint fraglich, ob überhaupt eine Annahme stattfand.

Im Vorfeld dieser Sitzung hat die Bundesregierung laut Aussagen des dänischen Ministers Bendtsen sich einer von diesem (angeblich) im Auftrag seines Parlaments geforderten Neuereröffnung der Verhandlungen entgegengestellt. Sicher ist, dass sie trotz bester Gelegenheiten, trotz anderslautender Beteuerungen und trotz eines Mandates des Bundestages nicht auf Neuverhandlungen im Rat hingewirkt hat. Darüber hinaus hat die Bundesregierung die Bedenken des Bundestages nicht einmal als »unilaterale Erklärung« zu den Beschlussakten gegeben.

Hieraus ergibt sich die Frage, ob sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestag mit ihrer Einflusslosigkeit abfinden wollen.

Eine Mindestforderung an den EU-Rat müsste darin bestehen, dass eine von der Bundesregierung in einer Ratssitzung gegebene Zustimmungen innerhalb einer bestimmten Frist vom Bundestag durch Mehrheitsbeschluss widerrufen werden kann. Ähnliche Forderungen wurden vom Ausschuss der nationalen Parlamente der EU (COSAC) bereits 2001 erhoben.

Dies ließe sich möglicherweise auf der Ebene der Verfahrensregeln des Rates durchsetzen. Die Zeit drängt. Eine EU-Verfassung, deren Forderung nach parlamentarischer Kontrolle des EU-Rates wie schon bisher nur in abstrakter Form (Art I-46) erhoben wird, verdient weder die Zustimmung des Bundestages noch die der Völker, die in den nächsten Monaten nach ihrer Meinung gefragt werden.

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