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Mo, 2. Mai 2005, 11:01

Offener Brief an die Linux- Entwickler

Ken Starks, Geschäftsmann aus Austin/Texas, hat einen offenen und kritischen Brief an die Gemeinschaft freier Programmierer geschrieben.
Von ThomasS

In diesem Brief appelliert Starks an die Gemeinschaft freier Entwickler, doch einen vollwertigen Ersatz für Intuit Quicken/Quickbooks zu programmieren und mehr auf unerfahrene Neulinge einzugehen. Einen Grund seiner Aufforderung sieht Starks vor allem darin, dass er noch 40 weitere Personen kennt, die bislang noch mangels einer vollwertigen Quicken-Alternative unter Linux mit Windows arbeiten müssen. Alle Versuche seiner eigenen Firma, Quicken in CrossOver Office unter Linux zum Laufen zu bringen, sind aus seiner Sicht auf Grund von fehlender oder eingschränkter Funktionalität gescheitert. Die Gruppe würde sofort auf Linux umsteigen, wenn es einen gleichwertigen Ersatz unter Linux gäbe.

Starks ist sich durchaus der bewusst, dass Forderungen nach neuen Features oder Programmen in der Open-Source-Gemeinschaft (OSS) nicht sehr beliebt sind. Er weist darauf hin, dass er selbst mit Spenden und Werbung für Linux unter Kunden einen aktiven Beitrag zur OSS-Gemeinschaft leistet, aber selbst kein Programmierer ist. Er hatte vor kurzem mit zwei OSS-Entwicklern eines angesehenen Projekts stundenlang zusammengesessen und erfahren, dass diese über die fehlende Anerkennung ihrer Leistungen für OSS frustriert waren.

Grundsätzlich ist Starks kein Microsoft-Verächter, aber unter anderem wegen eigener schlechter Erfahrungen mit dem entmündigendem und zerstörerischen Nebenwirkungen des Update-Mechanismus von Windows XP von der sich abzeichnenden technischen Überlegenheit eines GNU/Linux-System fest überzeugt. Dennoch, bei aller Wertschätzung für die Arbeit freier Programmierer stört Starks eine Sache an der OSS-Gemeinschaft: Das scheinbare Desinteresse für Neulinge. Dies drückt sich für ihn darin aus, dass sich beide Gesprächspartner sehr viel Gedanken um ihre Reputation innerhalb des Projekts kreisen ließen, allerdings wenig Aufmerksamkeit für Innovationen des Produkts oder neue Nutzer zeigten. Angesichts der Auskunft "Lerne die verdammte Shell oder lass' es" fragt sich Starks, wie neue technisch wenig versierte Interessenten überhaupt einen Einstieg in GNU/Linux finden können. Während er sich in die Shell einarbeiten konnte, deren Gebrauch ihm teilweise Spaß macht, sieht er für Neulinge wie seine Schwester oder Mutter keine Chancen zum Einstieg.

In Richtung der Entwickler-Gemeinschaft merkt er an: "Schreibt Linux-Software für Mütter und Schwestern. Setzt einfach einmal einen Neuling vor den Rechner und lasst ihn ImageMagick öffnen...., und, seht ihr? Wo kann man es im Menü finden? Wie kann meine Schwester es finden? Es ist wirklich sehr schade!" Im Abschluss lobt Ken Starks noch einmal die Dinge, die wirklich gut sind unter GNU/Linux. Hier hebt er besonders die Verdienste des Entwicklungs- und Supportteams von PCLinuxOS hervor, die nach seiner Ansicht zur Linux-Distribution 2005 gekürt werden sollte.

Die Antwort auf den offenen Brief von Starks ließ nicht lange auf sich warten. In einer provokativen, aber durchaus ernsthaft gemeinten Antwort dazu: "Ehrlich, ich bin etwas verwirrt, warum sollte für mich als Entwickler in einem Linux-Benchmark-Projekt deine Mutter interessant sein?" Der nicht namentlich genannte Programmierer ist sich der Tatsache bewusst, dass viele Nutzer den Standpunkt von Ken Starks teilen. Nach seiner Beobachtung sind die von Ken Starks geäußerten Wünsche in vielen Listen zu beobachten. Einmal handelt es sich um Forderungen nach einem Ersatz für Quicken, dann Photoshop oder ungewöhnliche Spezialanwendungen. Solches Ansinnen, der Ruf nach einem Clone von komplexen proprietären Programmen, stellt für OSS-Entwickler keine reizvolle Herausforderung dar und wird daher auch meistens ignoriert, stellt er klar. Die Gründe dafür sieht er vor allem darin, dass freie OSS-Entwickler für Forderungen dieser Art die falschen Adressaten sind. Mehr als irgendein Programmierer, der seine spärliche freie Zeit ins Programmieren von OSS investiert, sieht er die kommerziellen Distributoren in der Pflicht. Freie Programmierer lassen sich von eigenen Interessen und Wünschen beim Hacken leiten, nicht von den Erfordernissen des Marktes. Daher ist es auch für ihn auch nicht verwunderlich, dass die beiden von Starks erwähnten Programmierer mehr Aufmerksamkeit für die Anerkennung durch Gleichgesinnte aus dem Projekt hatten. Was auch immer die persönlichen Motive für die Partizipation an einem Projekt sind, die Nachprogrammierung von komplexen, proprietären Anwendungen in der spärlichen freien Zeit gehört für ihn jedenfalls nicht dazu: "Ich denke, der wirkliche Dissens ist, dass Leute die treibenden Motive für das Programmieren von OSS vergessen. Es befriedigt spezielle Bedürfnisse des Programmierers (oder einer Institution)."

In Anlehnung an Starks Kritik an der erforderlichen Nutzung der Kommandozeile unter ImageMagick ist sich der Entwickler der Auffassung, dass es keinen zwingenden Grund zum Erlernen der Shell für Neulinge gibt: "Ich musste tatsächlich niemals die Kommandozeile von ImageMagick benutzen, daher bin ich mir nicht sicher warum jemandes hypothetische Schwester dies tun sollte!" ImageMagick ist für ihn ein Programm zur Bewältigung von Aufgaben, mit denen die von Starks erwähnten Normalnutzer selten direkt in Berührung kommen.

Im Hinblick auf den Wunsch von Starks nach einer OSS-Alternative für Quicken rät der Entwickler zum freien GNUCash. Falls dieses freie Programm jedoch nicht über den erforderlichen Feature-Umfang verfügt, bleibt immer noch die Möglichkeit, den Hersteller von Quicken, Intuit nach einem Linux-Port zu fragen. Dieser Schritt wäre für den Hersteller sicherlich leicht und würde ihm möglicherweise eine bessere Position im Kampf gegen MS-Money verschaffen.

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