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Mi, 1. April 2015, 15:00

Der nette Erzfeind

Es ist der 1. April und eigentlich Zeit für derbe Späße, Ulk und Absurditäten. Doch was wäre besser als das reale Leben? Dieses schreibt bekanntlich die besten Geschichten. Wenn in dieser noch Linux und Microsoft vorkommen, umso besser!

Derrick Coetzee

Als wir vor Jahren das Editorial über die Dominanz von Microsoft geschrieben haben, war die Welt noch klar strukturiert. Das Unternehmen warnte vor Linux, Krebsgeschwüren und Mutanten und war sich der eigenen Sache so sicher wie seinerzeit Sun, das Linux auf dem Server höchstens einen Spielzeugwert einräumen wollte. Schließlich besaß Sun das einzig wahre Unix und verstand sich selbst als eine Art Gralshüter der Tradition und der Technik. Nur brachte ihm der Besitz herzlich wenig, als Oracle die Reste des einstigen Musterschülers zersägte. Das ist aber eine andere Geschichte.

Die Dominanz eines Segments ist ein Segen und Fluch zugleich. Das mussten nicht nur Imperien, sondern auch Unternehmen einräumen. Denn in dem Erfolg steckt zugleich der Keim für den Abstieg. Man denke nur einmal an Nokia. Oder eben Sun. Vielleicht aber auch schon bald Sony. Oder Microsoft?

Der einstige Erzfeind aller Linux-Anwender ist weiterhin ein Platzhirsch – keine Frage. Denn trotz Stotter-Start von Windows 8 blieb das Unternehmen auch im letzten Jahr der weltweit größte Software-Hersteller. Doch der Umsatz und die Gewinne der Betriebssystemsparte schrumpfen schneller als es Microsoft lieb sein dürfte. Denn Windows läuft, wenn auch weltweit zu 90 Prozent, bisher fast ausschließlich auf traditionellen PCs und Notebooks – und der Absatz schrumpft dramatisch. Auf den zukunftsträchtigen Märkten in der IT- und Kommunikationstechnologie, den Smartphones oder Tablets, hat Microsoft mittlerweile nichts mehr zu melden. Der Titan schaut verschmäht zu, wie andere im Garten spielen.

Der Prozess der schöpferischen Zerstörung und das Beben auf dem Markt des mobilen Internets sind im historischen Kontext nicht ungewöhnlich. Imperien kommen und gehen. Namen wie John D. Rockefeller stehen noch immer für längst vergangene Zeiten und Firmen, deren Lenker die Wirtschaft zu jener Zeit dominierten. Wie seinerzeit Gates, der klug das aufkommende Zeitalter der PCs dazu nutzte, den damaligen Platzhirsch IBM vom Thron zu stoßen. Nun ist Microsoft selbst in der Defensive und es sind die Hände anderer, die an allen Beinen des Redmonder Throns sägen. Kunden hatten das Unternehmen deshalb längst abgeschrieben. Innovationen?! Das war die Domäne der anderen.

Mit Satya Nadella am Ruder könnte Microsoft allerdings das schaffen, was viele nicht geglaubt haben – die eigene Rettung. Microsoft, das war früher Steve Ballmer, der irre Parolen in die Menge bellte. Er war es, der gegen das Krebsgeschwür Linux kämpfte. Und schlussendlich die Schlacht zu verlieren drohte. Der gebürtige Inder Nadella ist aber anders. Das »Über-den-Tellerrand-hinaus-Denken« und »Über-das-eigene-Ökosystem-Hinausgehen«, wie es der Tagesanzeiger kürzlich nannte, liegt in seiner DNA. Das notwendige Übel wird plötzlich offen. Und für das Unternehmen akzeptabel.

Seit einem Jahr lenkt Nadella die Geschicke bei Microsoft und unter seiner Ägide ändert sich das Unternehmen rasant. Nicht nur streicht er zahlreiche Jobs. Auch die verbleibenden Microsoft-Mitarbeiter müssen sich nun auf spürbare Veränderungen einstellen. Denn die Redmonder wollen sich neu erfinden. Und öffnen. Der alte Erzfeind aller Linuxer wird nett. Für diesen Sinneswandel gibt es mehrere Gründe. Der Wichtigste: Absatzförderung.

Es dürfte auch bei Microsoft angekommen sein, dass das Knebeln der eigenen Nutzer nicht mehr zum Erfolg führt. Apple sei hier ausgenommen – Kirchen durften es schon immer. Microsoft müsste deshalb in einer von mobilen Diensten und Cloud-Services geprägten Welt seine Kunden nicht nur besser verstehen, sondern auch beweglicher auf Veränderungen am Markt reagieren. Daten und Anwendungen sollen laut der neuen Maxime von jedem Gerät aus erreichbar sein - auch wenn sie von Konkurrenten stammen. Das ist neu. Und durchaus erfolgreich. So glich das Wachstum in neuen Bereichen in dem Ende Dezember abgeschlossenen zweiten Geschäftsquartal den Rückgang im Windows-Geschäft mehr als aus. Dieser fiel nämlich weiter und schrumpfte um 13 Prozent.

Der einstige Feind der Linux-Szene entwickelt sich zwar nicht unbedingt zu deren Verbündetem, doch die nachlassende Strahlkraft der Redmonder hat andere erstrahlen und erstarken lassen. Unternehmen, die noch vor wenigen Jahren kaum jemand auf dem Radar hatte, dominieren nun die Märkte und gehen teils noch gnadenloser vor, als es Microsoft je getan hat. Microsoft musste handeln und sucht sein Heil auch in der zuvor so verhassten freien Gemeinschaft - baut sie auf, pflegt sie und umgarnt sie mit zahlreichen Projekten. Vergessen scheinen die Wunden der Vergangenheit.

Microsoft als der zahme Moloch? Mitnichten! Zu präsent sind noch beispielsweise die Erinnerungen an das Gemetzel, als Microsoft das Internet verschlief und danach ein Blutbad anrichtete. Doch das Böse ist umgänglicher geworden. Netter. Es hat zwar immer noch Gelüste, doch es winkt wenigstens den Nachbarn freundlich zu. Wird das reichen? Die Zeit wird es zeigen!

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