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Do, 14. September 2000, 00:00

Quantencomputer

Von Grovel

Vorwort

Als ich 1989 auf meinem damals schon uralten ZX-Spektrum-Computer zum erstenmal in Basic ein kleines Fraktal berechnete mit Farbtiefe 2 (Schwarz-Grün) und der 80 Kilohertz-Prozessor in 7 Stunden ein grob-pixliges Bild auf dem 12-Zoll Bildschirm aufbaute, hätte ich nie gedacht, dass ich zehn Jahre später ein farbiges Fraktal in weniger als 10 Minuten aufbauen und auch noch auf dem Bildschirm anschauen könnte. Dennoch arbeiteten schon damals Wissenschaftler an einem revolutionären neuen Computer-System, welches es ermöglichen sollte, alle bisherigen und zukünftigen Rechner zu schlagen und u.a. ein Fraktal in nur einem Schritt berechnen könnte. Seither macht die Quantenforschung jährlich Fortschritte und nähert sich damit Quäntchen für Quäntchen jenem Traum der Wissenschaft oder dem ultimativen Computer...

Aber bevor wir weitergehen, sei eine Warnung von Niels Bohr zitiert, einem der Väter der Quantenmechanik: "Jeder, der über die Quantenmechanik nachdenken kann, ohne dass ihm schwindlig wird, hat sie nicht verstanden." Mit anderen Worten, bereiten Sie sich auf ein paar recht absonderliche Gedankengänge vor.

Das Superpositionsprinzip und Schrödingers Katze

Doch beginnen wir die Geschichte mit einem Experiment, welches der englische Physiker Thomas Young Ende des 18. Jahrhunderts durchführte, zu einer Zeit, als die Leute noch kopfrechnen konnten und Computer noch nicht einmal als Utopie durch die Köpfe großer Denker schwirrten. Wer jemals zwei Steine in ruhiges Wasser geworfen hat (Vor Nintendo und Pokémon war das mal ein Kinderspiel) wird beobachtet haben, dass die Wellen sich fächerförmig ausbreiten und sich gegenseitig so beeinflussen, dass ein ganz bestimmtes Muster aus Wellentälern und -kämmen entsteht. Ausgehend von der später in seinem Klassiker der Physik »Die Wellentheorie des Lichts« verewigten Theorie, dass sich Licht wie Wellen verhält, versuchte er obige Beobachtung mittels einer Lampe zu wiederholen, deren Licht durch zwei Spalten einer Trennwand auf einen Schirm fiel. Statt nun wie erwartet auf dem Schirm zwei helle Streifen zu sehen, beobachtete er, dass sich das Licht hinter den beiden Spalten fächerförmig ausbreitete und ein Muster aus hellen und aus dunklen Streifen entstand. Das Phänomen erklärte er so, dass sich die beiden entstehenden Wellen überlagern und sich gegenseitig ablenken und in Wechselwirkung treten. Wo zwei Wellenkämme oder -täler auf den Schirm trafen, entstand ein heller, ansonsten ein dunkler Streifen. (Auch beim Wasserbeispiel heben sich Tal und Kamm gegenseitig auf, während sich zwei Täler oder Kämme gegenseitig verstärken. Das ist wie in der Mathematik. 1+1=2, -1-1=-2, 1-1=0).

Heute wissen wir, dass sich Licht tatsächlich wellenförmig verhält, doch gleichzeitig auch so, als bestünde es aus Teilchen. Ein Lichtstrahl besteht aus zahllosen einzelnen Teilchen, den Photonen, welche Welleneigenschaften aufweisen. Jene Photonen sind es auch, die jenseits der Trennwand aufeinandertreffen und gegenseitig in Wechselwirkung stehen. Mit den Mitteln der heutigen Zeit ist es jedoch möglich, ein einzelnes Photon zu erzeugen. Wiederholt man nun obiges Experiment mit einzelnen Photonen, so können sich diese jenseits der Trennwand ja nicht mehr gegenseitig beeinflussen und es dürfte kein Streifenmuster entstehen, da ein einzelnes Photon ja nur durch einen Spalt fliegen kann und auf der anderen Seite auf kein zweites trifft. Denkste! Es entsteht genau dasselbe Streifenmuster...

Mit den Mitteln der klassischen Physik ist dieses Phänomen nicht zu erklären. Stattdessen greifen die Physiker auf die Quantenphysik zurück, eine Theorie, die sich mit der Welt der Atome befasst. Die Quantenphysiker erklären das Phänomen nun folgendermassen, das Photon fliegt irgendwie durch beide Spalten gleichzeitig und tritt auf der anderen Seite mit sich selbst in Wechselwirkung. Aber wie? Wenn wir nicht wissen, was ein Teilchen tut, so können wir annehmen, dass es alle Möglichkeiten gleichzeitig anstellt. Jede Möglichkeit ist ein sogenannter Zustand, und weil das Photon beide Möglichkeiten verwirklicht, befindet es sich in einer sogenannten Superposition, einer Überlagerung seiner Zustände. Um das Superpositionsprinzip zu erklären, benutzt man oft das Beispiel von »Schrödingers Katze«, benannt nach dem Quantenphysiker Erwin Schrödinger, welcher 1933 den Nobelpreis für Physik erhielt. Angenommen, wir stellen eine Katze in eine Kiste. Wir sehen und wissen, dass die Katze lebt. Als nächstes legen wir eine Phiole Zyankali zu der Katze in die Kiste und schließen den Deckel. Jetzt beginnt eine Zeit der Ungewissheit. Ist die Katze tot oder lebendig? Nach den Regeln der klassischen Physik ist die Katze entweder tot oder lebendig. Nach den Regeln der Quantenphysik aber befindet sich die Katze in einer Superposition ihrer Zustände, sie ist tot und lebendig zugleich. Wenn wir den Deckel öffnen, können wir sehen, ob die Katze lebt oder tot ist. Der Akt, die Katze anzusehen (ihren Zustand zu messen) zwingt sie, in einem bestimmten Zustand zu sein und in diesem Augenblick verschwindet die Überlagerung.

Ob wir die Superpositionsthese nun verstanden haben oder nicht, ist egal, ohne die Quantentheorie gäbe es viele Dinge auf dieser Welt nicht, keine Atomreaktoren, aber auch keine CD-Player. Ob wir wollen oder nicht, ob wir verstehen oder nicht, wir leben in einer Quantenwelt.

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