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Mo, 24. Juni 2002, 00:00

Freie Software - Zwischen Privat- und Gemeineigentum

Eine Rezension einer interessanten Publikation der Bundeszentrale für Politische Bildung.

Vorwort

Freie Software - Zwischen Privat- und Gemeineigentum

Karl Karzelek

Freie Software - Zwischen Privat- und Gemeineigentum

Wenn man "Bundeszentrale für Politische Bildung" hört, dann denkt man in erster Linie an Hefte, deren Farbspektrum von grau bis schwarz reicht, und die meistens das dritte Reich, Wiedervereinigung oder Globalisierung zum Thema haben. Doch es geht auch anders, wie Volker Grassmuck mit seinem Buch "Freie Software - zwischen Privat- und Gemeineigentum" beweist. Schon der Umschlag zieht neugierige Blicke auf sich, ist er doch in schillernden Farben gehalten, und entspricht gar nicht dem oben erwähnten Klischee. Was wieder abschrecken könnte, ist der Umfang des Buches, ist es mit 440 Seiten doch recht umfangreich geworden. Deshalb ist es mir hier auch nur möglich, Ausschnitte des Buches zu behandeln, denn es wäre zu umfangreich, auf jeden Aspekt einzugehen. Schließlich soll ein Anreiz bestehen, sich das Buch selber zu kaufen ;-) Der Preis, 1,50 EUR, ist sicherlich kein Hinderungsgrund.

Inhalt

Das Buch besteht aus einem umfangreichen Einleitungsteil und dem eigentlichen Inhalt, der in drei Teile gegliedert ist. Der Einleitungsteil enthält Vorworte von Thorsten Schilling, bpb, Georg Greve, FSF europe, und Volker Grassmuck, der darüber schreibt, wie er dazu gekommen ist, dieses Buch zu schreiben, und der einige Tips gibt, wie man das Buch effektiv lesen kann, da er es, ähnlich wie Freie Software, modular geschrieben hat.

Der erste Teil gibt einen ausführlichen Rückblick auf die Zeit vor dem Urheberrecht, mit dem System der Allmende, dem Gemeineigentum, wo Wissen, ähnlich wie öffentliches Gut, keinem einzelnen Menschen gehörte. Danach geht er auf die Entstehung des Urheberrechts ein, und behandelt dabei auch die Unterschiede des Urheberrechts im angloamerikanischen Raum, dem Copyright-System, und dem System in Kontinentaleuropa, dem Droit d'auteur, und wie sich die beiden Systeme in letzter Zeit immer weiter annäherten, trotzdem aber immer noch sehr verschieden sind. Z.B. in dem Punkt, dass ein Autor beim Copyright sämtliche Rechte an seinem Werk abgeben kann, während beim Droit d'auteur immer eine Verbindung zwischen Werk und Autor bestehen bleibt.

Als nächstes geht der Autor auf den Wandel des Urheberrechts im Angesicht der Veränderungen, die insbesondere mit dem Erscheinen des Computers einhergehen, ein, und beschreibt, wie die Rechteverwerter versuchen, ihr altes System, aus analogen Zeiten, in die neue, digitale Zeit zu übertragen. Dabei zeichnet der Autor ein erschreckendes Bild davon, wie die Rechteverwerter versuchen, jedes einzelne Bit an die Leine zu nehmen und zu kontrollieren, so dass keines in die "freie Wildbahn" entkommen kann. Ein Hilfsmittel, um das Ziel zu erreichen, sind sogenannte "Blackbox"-Systeme, also spezialisierte Systeme wie Spielekonsolen, PDA etc., die auf einen Verwendungszweck festgelegt sind. Die Universalmaschine PC soll so schnell wie möglich durch diese Systeme ersetzt werden.

Im 2. Teil beschreibt der Autor eine Alternative zum aktuellen Trend, nämlich die Freiheit des Wissens zu erhalten. Als Titel wählt er den Begriff "Wissens-Allmende". Hier blickt der Autor, wie im ersten Teil schon, in die Geschichte zurück, gibt hier aber die Geschichte erfolgreicher, offener und freier Systeme wieder, wie z.B. die des Internets, oder der freien BSD-Derivate, GNU, Linux etc. Volker Grassmuck geht auch auf die Anfänge der Softwareentwicklung ein, eine Zeit, in der jede Software frei war. Hierbei geht er auch auf das legendäre KI-Lab ein, dem Ursprung der Hackerkultur, und wie ein junger Student namens Richard M. Stallmann mitansehen mußte, wie diese Zeit vorüberging. Er wollte nicht tatenlos mitansehen, wie die vormals freie Software immer mehr in Ketten gelegt wurde. Deshalb begann er mit der Arbeit an seinen heute legendären GNU-Werkzeugen, und schrieb die GPL, die sicherstellen sollte, das seine Software nie in Ketten gelegt wird. Nach diesem Rückblick geht der Autor auf die Arbeitsweise freier Programmierer ein, auf den immer größer werdenden Erfolg, der sogar Firmen wie Netscape oder Sun dazu brachte, Software offenzulegen, aber unter eigene Lizenzen zu stellen. Dar Autor geht auch auf diese Lizenzen ein und zeigt ihre Probleme auf.

Gegen Ende des zweiten Teils stellt der Autor verschiedene Projekte vor, die nur durch freie Software möglich waren, und zeigt auf, dass freie Software auch Entwicklungshilfe für ärmere Länder ist, die ansonsten keine Möglichkeiten hätten, an den Errungenschaften des digitalen Zeitalters teilzuhaben.

Der zweite Teil endet mit einem Zitat von RMS: "Wir können die Zukunft der Freiheit nicht als gegeben betrachten. Seht sie nicht als selbstverständlich an! Wenn ihr eure Freiheit behalten möchtet, müßt ihr bereit sein, sie zu verteidigen" (Stallmann, 1999a, S.70).

Der dritte Teil ist ein ausführlicher Anhang, der ein Glossar, ein Abkürzungsverzeichnis und eine umfangreiche Linksammlung enthält.

Fazit

Ein sehr lesenswertes Buch, das aber viel Aufmerksamkeit erfordert, besonders beim ersten Teil, sich also nur bedingt als Pausenfüller eignet. Das Buch hat mir geholfen, RMS's Intention zur Gründung der FSF, zum Schreiben der GPL und zum Entwickeln des GNU-Systems, zu verstehen. Wo ich ihn früher als fanatisch abgestempelt habe, so sehe ich ein, dass sein Ruf nach Freiheit der Software nicht bloß Träumerei, sondern in Zeiten, in denen Systeme entwickelt werden, die jedes Bit kontrollieren, eine Notwendigkeit ist.

Zum Schluß möchte ich noch auf die Homepage von Volker Grassmuck hinweisen, die dem Buch gewidmet ist, freie-software.bpb.de. Dort findet man ein ausführliches Inhaltsverzeichnis, eine PDF-Version zum kostenlosen Download, sowie, in Kürze, eine HTML-Version. Desweiteren überlegt der Autor, was mit dem Buch in der Zukunft geschehen soll. Eine Möglichkeit wäre, das Buch kooperativ weiterzuschreiben. Dazu wären Freiwillige notwendig, die einen Teil ihrer Freizeit dieser Aufgabe widmen würden. Über das "wie" und andere Fragen müßte noch diskutiert werden. Hierfür will der Autor eine Mailingliste öffnen, auf der über diese und andere Dinge diskutiert werden.

Fakten

Titel: Freie Software - Zwischen Privat- und Gemeineigentum
Autor: Volker Grassmuck
Preis: EUR 1.50
Umfang: 438 Seiten
Verlag: Bundeszentrale für politische Bildung
ISBN: 3-89331-432-6
Bestell-Adresse: http://www.bpb.de/publikationen/html/body_bestellen.html

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