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So, 27. Juli 2003, 00:00

100 Tage mit SuSE 8.2

Ein Erfahrungsbericht zu SuSE Linux 8.2.

Vorwort

Nach dem bereits erschienenen Bericht über SuSE 8.2 möchte ich nun über den täglichen Einsatz dieser Distribution auf einem Desktopsystem berichten. Ich habe zuvor die Versionen 6.1, 6.3, 7.0, 7.2 und zuletzt 7.3 produktiv eingesetzt, nebenbei habe ich auch verschiedene Mandrakes und Debians kennen gelernt.

Erwartungen

Die Aktualisierung von 7.3 auf 8.2 auf meinem leicht betagten PIII-533 habe ich aus folgenden Gründen unternommen:

  • Eine durch unzählige Updates und selbstkompilierte Programme »zerfranste« Installation wieder auf einen konsistent neuen Stand zu bringen.
  • Den Performancegewinn durch den gcc 3.x und glibc 2.3 nutzen.
  • Die neuen Funktionen des X Servers der Version 4.3 (»On the fly« Rotation und Auflösungsänderung) nutzen.

Deshalb habe ich mir im Internet gleich nach Erscheinen eine SuSE 8.2 Professional gekauft, die innerhalb von zwei Tagen in meinem Postkasten lag.

Installation

Über das Installationsprogramm ist ja im Bericht über SuSE 8.2 bereits viel gesagt worden, auch auf meinem Rechner verlief alles erstaunlich unspektakulär - nach ca 30 Minuten war das System einsatzbereit.

Die Hardware-Erkennung hat einwandfrei funktioniert; Grafikkarte (NVidia Riva TNT2), Monitor (Samsung 171N TFT), Modem (seriell), Scanner (HP ScanJet 5P) und Audiokarte (Ensoniq On-Board) wurden problemlos erkannt.

Administration

Das SuSE-eigene Konfigurationsprogramm YaST2 hat inzwischen endlich eine Reife erreicht, die den mit der Version 8.1 vollzogenen Abschied des textbasierten Vorgängers verschmerzen läßt.

Besonders hervorzuheben ist die flexiblere Paketverwaltung, die beliebige Verzeichnisse, FTP Server oder Netzlaufwerke berücksichtigen kann. Das Online-Update-Modul (YOU) saugt jetzt nur noch "Patch-RPMs" anstelle der kompletten Pakete, was die Downloadzeiten dramatisch reduziert. Für mich als Modem-Surfer eine wirkliche Erleichterung.

Viele Netzwerkdienste lassen sich komfortabel grafisch konfigurieren, der Mail Transfer Agent (jetzt standardmäßig Postfix statt Sendmail) ist beispielsweise innerhalb von Minuten betriebsbereit.

Die Schattenseite dieses Komforts ist wie bei vielen grafischen Frontends die mangelnde Transparenz. Ein erfahrener Nutzer will schon wissen, wie eine bestimmte Einstellung auf die Konfigurationsdateien wirkt, um gegebenenfalls manuell eingreifen zu können. Dass es nur auf Umwegen feststellbar ist, wo YOU seine Update-RPMs hinterlegt (/var/lib/YaST2/you/mnt/i386/update/8.2/rpm) macht die Datensicherung unnötig kompliziert. Hier besteht also durchaus noch ein Verbesserungspotential.

Do it yourself

Ich möchte nun berichten, wie es diese vollautomatisierte Komfort-Distro verkraftet, wenn man die von den grafischen Frontends vorgegebenen Pfade verläßt, und sich stattdessen "zu Fuß" an den Innereien zu schaffen macht.

Schrauben wir zuerst einmal ein wenig an der WWWoffle-Konfiguration herum und optimieren die Leafnode-Einstellungen. Dies klappt problemlos; YaST bemerkt alle händisch vorgenommenen Veränderungen und legt stets Sicherungskopien mit der Endung .yastsave an. So soll es sein.

Der neue Compiler gcc in der Version 3.3pre bringt den installierten Binärpaketen zwar eine enorme Geschwindigkeitssteigerung gegenüber dem altehrwürdigen 2.95.3 aus SuSE 7.3, allerdings hat er bei meinen eigenen Übersetzungsversuchen durchweg enttäuscht. Weder ein eigenes kleines Projekt noch ein NVidia Kernelmodul, und noch nicht einmal ein Vanilla-Kernel (2.4.21) konnten erfolgreich kompiliert werden. Dies ist schon ein größeres Problem, das die Eignung der SuSE 8.2 als Entwicklersystem in Frage stellt.

Dokumentation

Traditionell wird den mitgelieferten Handbüchern der SuSE Distribution eine hohe Qualität zugesprochen; dies ist auch bei der Version 8.2 der Fall. Das Pro-Paket kommt mit einem 424seitigen Benutzerhandbuch, das die Installation, Konfiguration, sowie einige Anwendungen (KDE, OpenOffice, Evolution, GIMP etc.) beschreibt. Desweiteren liegt ein Administrationshandbuch (611 Seiten) bei, in dem weiterführende Informationen über Hardwarekonfiguration, Aufbau der Distribution und der Einsatz verschiedener Serverdienste zu finden sind.

Die Bücher sind zwar insgesamt klar gegliedert und verständlich geschrieben, jedoch fehlen viele Programmbeschreibungen, beispielsweise für den WWWoffle oder den weit verbreiteten Leafnode News-Cache. Ein großes Manko stellt auch der äußerst dürftige Index dar. Somit ist ein schnelles Auffinden bestimmter Informationen nicht möglich.

Kundendienst

Ich habe insgesamt zwei Probleme, die ich der Distribution zuschreiben konnte, per E-Mail an den SuSE-Support gemeldet. Nach einer unmittelbar automatisch verschickten Empfangsbestätigung kam innerhalb von 48 Stunden eine persönliche Meldung eines Kundendienstlers. Es wurden jeweils weitere Angaben zu der Konfiguration sowie Logdateien angefordert. Danach wurde in einem Fall (YaST freeze) ein YOU-Update zur Verfügung gestellt, im anderen Fall (kppp segfault, Kernel oops) die Installation eines von Herrn Hubert Mantel (einer der SuSE-Gründer) gebauten 2.4.21er Kernelpakets vorgeschlagen, was das Problem ebenfalls gelöst hat. Insgesamt bin ich somit sehr zufrieden mit dem SuSE-Support.

Fazit

Wenig Schatten

Der gcc 3.3pre ist sicherlich als gewagtes Experiment zu bezeichnen. Auch wenn die damit kompilierten Binaries alle problemlos und schnell funktionieren, so war mir das Übersetzen von Quellcode leider nicht gelungen. Es ist noch anzumerken, dass beispielsweise Mandrake für die später erschienene 9.1 noch den offiziell freigegebenen gcc 3.2.1 gewählt hat. Offensichtlich die bessere Wahl.

Viel Licht

Dennoch hat selten eine Distribution auf meinem System so problemlos und zuverlässig funktioniert. Die neue SuSE bestätigt eindeutig den Eindruck, dass die Qualität der Distribution mit jeder Minor-Release deutlich steigt; die 8.2 kann insgesamt als ein sehr ausgereiftes Produkt bezeichnet werden. Auch der Kundendienst hat kompetent und schnell geholfen. Ich werde daher dem Unternehmen aus Nürnberg auch in Zukunft "die Treue halten".

Über den Autor

Mein Name ist Hendric Stattmann, ich bin 27 Jahre alt, wohne in der Nähe von Lausanne in der Schweiz, habe Chemie an der Universität Genf und Werkstoffwissenschaften an der ETH Lausanne studiert. Neben Naturwissenschaften und Informationstechnologie interessiere ich mich auch für Politik und Sport, besonders Shodokan Aikido.

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