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So, 4. Juli 2004, 00:00

Migrationsleitfaden

Vorgestellt Mitte 2003 auf dem LinuxTag, ist der »Migrationsleitfaden« ein Buch, das IT-Verantwortlichen in Behörden und Firmen ganz klar aufzeigt, was die Alternativen beim Update einer Windows-Installation sind.

Vorwort

Cover des Migrationsleitfadens

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Cover des Migrationsleitfadens

Vorgestellt Mitte 2003 auf dem LinuxTag, ist der »Migrationsleitfaden« ein Buch, das IT-Verantwortlichen in Behörden und Firmen ganz klar aufzeigt, was die Alternativen beim Update einer Windows-Installation sind. Diese Alternativen sind: Fortführung der Windows-Installation, was einen kostspieligen Umstieg auf Windows XP und Einführung von Active Directory bedeutet, oder Migration auf Linux. Da das vom Bundesministerium des Innern finanzierte Buch von teilweise namhaften Open-Source-Experten geschrieben wurde, wird natürlich versucht aufzuzeigen, daß eine Migration auf Linux oft (aber nicht immer) die bessere Lösung darstellt. Die Bedingungen, unter denen das sinnvoll ist, und das Wie, sind Inhalte dieses Buches.

Das Buch

Rund ein Dutzend Autoren haben an der Erstellung des Buches mitgewirkt. Einige davon sind in der (deutschen) Open-Source-Welt bekannt, beispielsweise Peter Ganten, Sebastian Hetze, Volker Lendecke, Michael Meskes, Kurt Pfeifle und Thomas Uhl.

Der Leitfaden gliedert sich in fünf Kapitel und einige (kurze) Anhänge. Das Kapitel 1 ist die Einleitung, die die Ziele des folgenden Textes vorgibt. Dazu gehören Vergleichbarkeit verschiedener Alternativen, Berücksichtigung der zukünftigen Entwicklung, Machbarkeit und Wirtschaftlichkeits-Betrachtungen.

Kapitel 2 legt die Grundlagen für die folgenden drei Kapitel, indem es wichtige Begriffe definiert. Zentral dabei sind »Open Source-, Free-, Freie Software«, »Proprietäre Software«, »Commercial Linux Software«, »Ablösende Migration« und »Fortführende Migration«. Dann werden die Migrationspfade skizziert, wobei auf interne Abhängigkeiten innerhalb der Windows-Systemlandschaft hingewiesen wird. So setzt z.B. Exchange 2000 zwingend Active Directory voraus. Wenn also ein Update auf Exchange 2000 vorgenommen wird, sind weitere Windows 2000-Server mit Active Directory notwendig - die Abhängigkeit von MS-Produkten steigt. Dann folgt eine Übersicht über Linux-Distributionen und Lizenzmodelle.

In Kapitel 3 geht es um die technische Betrachtung der Migrationspfade. Es nimmt mit 250 Seiten den größten Teil des Buches ein. Jedes der siebzehn Unterkapitel (außer dem ersten) betrachtet einen Teilaspekt oder ein Subsystem, das ggf. separat von anderen migriert werden kann. In jedem Fall werden die beiden grundsätzlichen Alternativen, »Ablösende Migration« und »Fortführende Migration«, einander gegenüber gestellt. »Ablösende Migration« bedeutet, das vorhandene Windows-System durch ein Linux-System mit vergleichbarer Funktionalität zu ersetzen, »Fortführende Migration« dagegen, auf neuere Windows-Versionen upzudaten.

Dabei stellen die Autoren Bereiche fest, in denen mindestens gleichwertige freie Lösungen existieren, beispielsweise die Dateiablage mit Samba. Es werden die Fähigkeiten der verschiedenen Lösungen im Detail betrachtet und auf Unterschiede hingewiesen, die bei einer Migration beachtet werden müssen.

Weiter geht es in diesem Kapitel mit Druckdiensten, Authentisierung, Netzwerkdienste (hier hat Linux naturgemäß Vorteile gegenüber Windows), Systemüberwachung, Verzeichnisdienst (hier wird linuxseitig OpenLDAP vorgeschlagen), Middleware wie COM, .NET und J2EE, Web Services, XML, Webserver (Apache), SharePoint Portal Server (keine Migration, nur zukünftiger Einsatz wird betrachtet), Datenbanken, Groupware, Office/Desktop, Terminal Server und Thin Clients, sowie Hochverfügbarkeit. Hier warten wiederum umfangreiche Details auf den Leser. In den meisten Fällen gelingt es den Autoren, realistische Ersatz-Software für die Windows-Systeme vorzustellen. Dabei gibt es Linux-seitig fast immer mehr Optionen als unter Windows, da hier eben kein Monopol am Werk ist, das konkurrierende Anbieter unterdrückt.

Besonders vor dem Hintergrund von Migrationen wie in München oder Schwäbisch Hall ist das Unterkapitel 3.15, »Office/Desktop« interessant, auch wenn das Thema aufgrund der schnellen Entwicklung kaum abschließend betrachtet werden kann. Es werden beispielsweise die Funktionen von MS Office und OpenOffice verglichen, die Konvertierung von Office-Dokumenten wird angesprochen, und die Integration von Windows (Fach)-Anwendungen bildet ein zehnseitiges Unterkapitel, das sicherlich zu den interessantesten in diesem Buch zählt. Es stellt WMware, Win4Lin, Wine und seine Abkömmlinge, Citrix Metaframe und Windows Terminal Server vor.

Das nachfolgende Kapitel 4 stellt Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen an. Selbst wenn die Migration auf Linux politisch erwünscht ist, ist sie finanziell vertretbar? Vielerorts geht man sogar so weit, die Kosten an die erste Stelle zu setzen. Es wird festgestellt, daß eine TCO-Betrachtung nicht ausreichend ist, sondern eine Analyse nach der Kapitalwertmethode angestellt werden sollte. Nachrangig kann man auch eine Nutzwertanalyse mit einbeziehen. In fast allen Fällen dürften die Zahlen, die im Buch natürlich nur beispielhaft und nicht an konkreten Projekten ermittelt wurden, für eine Migration auf Linux sprechen.

Im Kapitel 5 werden Empfehlungen ausgesprochen - nicht, wohin man migrieren sollte, sondern wie die Entscheidung am besten getroffen wird. Es werden für Behörden wichtige Richtlinien wie SAGA und WiBe angesprochen. Es werden Überlegungen zu Fat und Thin Clients, zu vollständiger und Teilmigration, zu schneller und sanfter Migration angestellt. Für den Fall, daß auf Linux migriert werden soll, werden bestimmte Softwarepakete empfohlen, bei den Distributionen, dem Desktop und der Frage, ob StarOffice oder OpenOffice, legen sich die Autoren aber nicht fest. Für den Fall der fortführenden Migration lautet die Empfehlung, daß man eventuell eine Teilmigration in Erwägung ziehen sollte. Man sollte alles vermeiden, was die Integration der Microsoft-Komponenten erhöht, da so eine spätere ablösende Migration immer schwerer wird. Die Freiheit der Behörde, zu einem späteren Zeitpunkt noch migrieren zu können, sollte man sich nicht durch eine zu starke Abhängigkeit von Microsoft zunichte machen lassen.

Ohnehin sehen die Autoren keine technischen Gründe, bei Windows zu bleiben. Wenn nicht auf Linux migriert wird, dann sind immer die zu hohen Umstellungskosten der Grund dafür.

Das Buch schließt mit einigen Verzeichnissen und Anhängen. Den ganzen Leitfaden gibt es auch zum kostenlosen Download.

Fazit

Der »Migrationsleitfaden« ist wohl die erste deutschsprachige, vielleicht gar die weltweit erste Publikation, die die Migration von Windows auf Linux im Detail untersucht. Es bleibt dabei neutral und sachlich und spricht auch keine eindeutigen Empfehlungen aus, sondern stellt die Kriterien vor, an denen man die verschiedenen Möglichkeiten messen muß. Dabei wird auch auf innerbehördliche Vorschriften Rücksicht genommen. Doch nicht nur IT-Verantwortliche in Behörden, sondern auch in Firmen können von dem Buch profitieren. Er zeigt die Alternativen auf, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches verfügbar waren. Heute, ein Jahr später, wäre das Buch wohl noch um einige Unterkapitel zu ergänzen. Dennoch ist der »Migrationsleitfaden« ein wichtiges Werk.

Fakten

Jahr: 2003
Autor: Bundesministerium des Innern (Hrsg.)
Preis: 29,95 EUR
Umfang: 444 Seiten
Verlag: mitp
ISBN: 3-8266-1421-6

  • Dieses Werk wurde unter der Commons Attribution-Share Alike Lizenz veröffentlicht. Kopieren, Verbreiten und/oder Modifizieren ist erlaubt unter den Bedingungen der Commons Attribution-Share Alike, veröffentlicht von der Creative Commons.

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