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So, 13. April 2008, 00:00

Die Macht der Lobbyisten

Vor einigen Jahren hatte ich ein Gespräch mit einem Microsoft-Produktmanager über die Zukunft von Microsoft bei zunehmend stärker werdender Konkurrenz durch das freie Betriebssystem Linux. Damals war das Kommentar von Microsoft-Seite: »Bisher hatten wir keine Angst vor Linux, auf kurze Sicht gesehen müssen wir das wohl nun haben, auf lange Sicht aber nicht.«

Wenn man die Produktstrategien von Microsoft verfolgt, könnte sich das auf Dauer sogar bewahrheiten. Aufgrund der enormen Marktmacht hat der Großkonzern mittlerweile leichtes Spiel, um vorhandene Märkte auszubauen und neue zu erobern. Beispielhaft sei hier die Office-Integration erwähnt. Eine Vielzahl von Programmen nutzt Microsoft Office als festen Bestandteil, liefert aber keine vollwertigen Lizenzen dafür mit. Durch Add-Ins oder sogar den Einsatz MS-Access/MS-SQL Server ist der Kunde auf Dauer gezwungen, nahezu jeden Update-Schritt mitzumachen, da die Softwarehersteller ihre Systeme natürlich auf neue Microsoft-Versionen hin anpassen (und den Support für ältere Versionen einstellen).

Durch diese Abhängigkeiten ist es für gleichwertige Open-Source-Produkte somit ungemein schwierig, in diesen Umgebungen Fuß zu fassen. Eine Ablösung von Microsoft Office durch freie Alternativen kann aufgrund der mangelnden Unterstützung der Softwarehersteller schnell unkalkulierbare Risiken bergen. Hier hilft auch die Freigabe der Schnittstellenspezifikation durch Microsoft nicht weiter und wirkt eher wie eine weitere Provokation. Solange sich Softwarehersteller und Microsoft selbst massiv gegen die Integration bereits ratifizierter offener Standards wehren, hinken offene Lösungen, die vorhandene Produktsegmente abdecken wollen, immer einen Schritt hinterher.

Während also viele Open-Source Projekte auf die Brocken zurückblicken, die Microsoft ihnen hingeworfen hat, und versuchen, daraus brauchbaren Code zu generieren, baut der Redmonder Riese seine Marktposition in weitere Felder aus und wirft immer neue Produkte (z.B. das Krankenhaus-Informations-System Amalga(n), Silverlight als Flash-Konkurrent, die Sicherheitskonsole Stirling, Office 2007 mit SharePoint Portal Server, Vista, Windows Mobile ...) auf den Markt. Vorhandene Komponenten werden so umgebaut, dass sie wiederum andere Produkte benötigen, um bestmöglich zu arbeiten. So wurde beispielsweise in Exchange 2007 der Frontend/Backendserver-Mechanismus, der für Remote-Dienste wie Active Sync dringend empfohlen wird, wieder entfernt und lässt sich nun nur noch durch einen ISA-Server abbilden. Edge-Server-Rollen sollen vorhandene Relays ablösen.

Auch die SharePointServices (abgespeckte Version des Portal-Servers) sind bereits seit langem kostenfreier Teil der Windows-Server-Linie. Mit dem (vergleichsweise eher späten) Anlauf des Marketings für dieses Produkt werden vorhandene Kunden nun nur noch darauf hingewiesen, dass sie doch schon längst im Besitz dieser »hochmodernen« Lösung seien und es doch einfach mal ausprobieren sollten. Dass ein Umstieg auf die vollwertige Version dieser Serverkomponente in Zukunft schnell enorme Kosten verursachen kann, kommt natürlich nicht zur Sprache.

Gerade hier wird deutlich, dass die Marketingmaschine jeden Tag mit neuer Energie arbeitet. Tausende (gut bezahlte) Lobbyisten weltweit bearbeiten Techniker, Systemhäuser, IT-Entscheider, Geschäftsführer und Unternehmen, um immer neue Abhängigkeiten zu generieren. Für Techies werden Veranstaltungen wie tech@night, für Vertriebsprofis sales@night sowie eine Vielzahl von Trainings und für potenzielle Kunden Verkaufsveranstaltungen aller Couleur angeboten. Organisationen wie Krankenhäuser und Bildungseinrichtungen kommen in den Genuss nahezu kostenfreier Produktlizenzen und Support in MSDNAA-Verträgen. Privatanwendern versuchen namhafte Hersteller wie Fujitsu-Siemens oder Dell gerade den Home-Server schmackhaft zu machen.

Durch den enormen Profit und das Sponsoring durch Microsoft sind gerade Hardwarehersteller sehr eng an Microsoft gebunden und entsprechend loyal. Als Auswirkung ist beispielsweise ein PC mit Windows Vista bei der Distribution oft günstiger als das gleichwertige Gerät ohne Betriebssystem (wenn dies überhaupt verfügbar ist). Nur in neuen Produktsegmenten wie UMPCs kann Linux glänzen.

Was können wir also tun, damit es nicht soweit kommt und bereits ausgespielte Karten neu gemischt werden?

Open-Source-Projekte wie Linux haben große Vorteile. Eine Vielzahl Entwickler arbeiten aus unterschiedlichsten Motiven an einer gemeinsamen Lösung, die in der Regel technisch besser ist als das bisher Vorhandene. Viele Innovationen entstehen erst durch gemeinsame Kooperationen und Austausch. Firmen, die Open-Source-Produkte einsetzen, beschäftigen wiederum Open-Source-Entwickler und bezahlen sie für die Weiterentwicklung. Somit ist heute ein geregelter Kreislauf entstanden, der nicht mehr aufzuhalten ist. Auch Microsofts Versuche, durch den Einkauf bei einigen namhaften Distributionsherstellern Einfluss auszuüben, hat bisher eher das Gegenteil bewirkt. So wurden Projekte wie openSUSE lange mit Verachtung gestraft und viele Entwickler wechselten zu (scheinbar) unabhängigeren Distributionen.

In Hardwarekomponenten wie Routern, Media Centern und auch Mobiltelefonen kommt heute schon sehr oft Linux zum Einsatz, Tendenz steigend. Auch der hart umkämpfte Internetmarkt (Webserver, Mailserver...) wird von Linux und BSD dominiert.

Aber jeder einzelne von uns kann seinen Teil dazu beitragen, das Linux erfolgreich ist und bleibt. Immer da, wo freie Software eingesetzt werden kann und eine (zumindest gleichwertige, wenn nicht bessere) Alternative darstellt, sollten wir dafür sorgen, dass es auch passiert. Linux-Neulingen mit Offenheit und Geduld zu begegnen, steigert die Verbreitung enorm. Gegenseitige Unterstützung auch im Linux-Business anstatt Konkurrenzdenken; Zusammenarbeit statt Arroganz. Bei Hardwarekäufen sollte nachgefragt werden, ob der Rechner nicht auch ohne Microsoft-Betriebssystem (ja vielleicht sogar mit Linux vorinstalliert) erhältlich ist. Ist dies nicht der Fall und die Microsoft-Lizenz wird nicht benötigt, kann man versuchen, diese zurückzugeben und den vollen Wert erstattet zu bekommen.

All das bringt uns gemeinsam weiter. Lobbyismus kann auch positiv sein ;)

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