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So, 8. Oktober 2006, 00:00

Der Berg und der Prophet

Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann muss eben der Berg zum Propheten kommen. Was passiert aber, wenn sich zwei Berge treffen und kein Prophet passend zur Stelle ist? Dann spuckt der eine, einem Vulkan gleich, verbale Lava-Brocken aus und bewirft das Land, während der andere sich möglichst tief in sein Reich eingräbt, abgeschirmt durch einen spirituellen Panzer. Von einem Konsens weit entfernt stehen sie nun da. Während der eine den anderen satt hat, hält der andere eine Diskussion zwar für wünschenswert, verbittet sich aber jegliche Meinung, die von seiner abweicht. Das Theater kann beginnen.

Im Ring der Open-Source- und Freie-Software-Arena stehen nun zwei Berge. In der linken Ecke Torvalds, umringt von seinen Jüngern. In der gegenüberliegenden Ecke Stallman, unterstützt durch General Moglen. Beide Alphamännchen, die unangefochtenen Alleinherrscher. Nun wagt sich aber der eine in das andere Lager und randaliert. Schließlich wurde er auch eingeladen. Hat nicht Stallman eine Diskussion um sein neues Kind gewünscht? Wollte er keine Meinungen einholen? Ja, und deshalb steht nun er, das Alphatier, von den Toren und poltert lautstark mit den Ketten der Meinungsfreiheit. Zuhören dürfen alle, und die versammelte Journaille darf in großen Lettern berichten.

So hatte sich es der alte Prophet aber nicht vorgestellt, als er zur Diskussion einlud. Es sollte eine Diskussion nach seinem Gusto werden. Meinungen? Gerne, aber nur zu Themen, die ihm genehm sind. Weise zupft er seinen Rauschebart und sinniert. Er hat bereits erkannt, was der Jüngling noch lernen wird. Er sieht die Gefahren kommen und will sie mit aller ihm gegebener Macht bekämpfen. Er wird die Freiheit zementieren und der Sockel wird sein neues Kind sein.

Der andere sträubt sich allerdings dagegen, denn er liebt Haie. Am liebsten mag er die mit Lasern auf dem Kopf. Nun sieht er aber seine Laserhaie bedroht. Dabei versteht er sich als Naturschützer der kommenden Generationen der Computerflora und -fauna. In einer neuen, seltsamen Welt wird es viele Laserhaie geben und die gehören in Ruhe gelassen. Vorsprung durch Vertrauen. Stallman würde sie dagegen am liebsten sofort durch den GPL-Fleischwolf drehen und die Suppe an die Community verteilen - ebenfalls prophylaktisch.

Nun aber haben sie sich bewegt. Beide, wie sie meinen. Der eine erklärte prompt, dass ihm sowieso der zweitälteste der Stallmanschen Sippe am sympathischsten sei. Er will nichts von dem Jüngling wissen. Die Welt mag den heranwachsenden Sprössling lieb haben, ihm sei er egal. Quasi als Geschenk spuckte er zugleich noch eine Portion Galle. Der andere dagegen kann plötzlich doch mit Laserhaien leben. Vorsorglich hackt er aber ihnen gleich die Flossen ab und demontiert den Laser. Ob er dem Hai den Kopf lässt, will er noch nicht sagen. Dem Schutze der Allgemeinheit wegen sperrt er sie aber in einen wasserleeren Raum ein.

Währenddessen sitzen die Zuschauer in ihren Rängen und grübeln. Irgendwie haben sie sich den Kampf anders vorgestellt. Fairer. Sauberer. Im stillen sind sie sich sicher, dass sie eigentlich keinen Kampf wollten. Sie kamen nur der Stimmung wegen. Es sollte ein Volksfest mit freiem Bier und quelloffenen Bratwürsten werden. Keiner konnte einen Kampf ahnen. Oder doch? Hoffte doch vielleicht jeder nur insgeheim auf die Vernunft der Kontrahenten? Schließlich ist der eine als Verbalschläger bekannt und der andere hat selten seinen Stahlpanzer verlassen.

Nun haben sie sich aber bewegt. Es bedarf keines Propheten, um Annäherung zu finden. Konsens kann so schön einfach sein, wenn sich zwei treffen, die keine Widerrede dulden.

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