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Mo, 1. Mai 2006, 00:00

Simplicity

Wie Linux sich das Leben schwer macht

Simplicity: Was jetzt ganz einfach klingt, ist in Wirklichkeit ziemlich schwer. Linux steht Windows in nicht viel nach, zumindest nicht für den durchschnittlichen Heimanwender. Daß weiterhin viele Spezialanwendungen nur für Windows geschrieben werden und dieses Betriebssystem damit in der Arbeitswelt einfach oft ohne Alternative ist, und die Gründe, warum diese Situation so ist, lassen wir mal außen vor.

Was Linux aber nach wie vor nicht so beherrscht wie Windows, ist das Simplifizieren. Für die meisten technisch begabten Computeranwendern ist genau dies einer der größten Vorteile von Linux, für den Durchschnittsanwender ist es gleichzeitig die größte Hürde. Auch wenn wir es nicht mehr wahrnehmen, es ist einfacher, eine Treiber-CD in den Schacht zu kicken und drei- bis siebenmal OK zu drücken, als sich vor dem Hardwarekauf die Informationen zu besorgen und danach dann eigentlich gar nichts mehr einrichten zu müssen. Es ist deswegen einfacher, weil sich der Anwender nicht drum kümmern muß, ob es funktionieren wird, sondern nur dann, wenn es ausnahmsweise mal nicht funktioniert (denn in der Regel geht alles glatt, allen wunderbaren Problemgeschichten, von denen auch ich ein paar erzählen kann, zum Trotz). Manche Dinge sind in Windows komplizierter und versteckter, aber die meisten Menschen nehmen diese Defizite überhaupt gar nicht wahr, weil ihnen ein vorkonfiguriertes System vorgesetzt wird, das in aller Regel einfach funktioniert. Und die meisten Heimanwender arbeiten ganz einfach mit ihrem PC, müllen ihn mit der Zeit zu und kaufen sich 3-5 Jahre später einen neuen. Sie installieren und aktualisieren ihre Programme alle einzeln in einzelnen Paketen und benutzen gelegentlich ihr Windows-Update, welches sie zu multiplen Reboots zwingt, was jedem Debianbenutzer merkwürdig umständlich vorkommt, aber auch hier ist es wieder eine Simplifizierung. Wieso? Man muß sich nicht drum kümmern, in welchen Repository denn nun die neuste Version des jeweiligen Programms ist, und man muß nicht wissen, wozu das Paket genromfs gut ist, oder ob man Gdk-Imlib braucht. Während »echte Linuxer« diese Informationen schätzen, sind sie für den normalen Computeranwender noch irrelevanter als das Wissen, daß der Nahrungsmittelzusatzstoff E224 Sulfit bezeichnet.

Was wir »aufgeklärten« Anwender oft beklagen, nämlich die Ahnungslosigkeit des Mausschubsers, das schätzen wir an anderer Stelle, wenn einer dieser Mausschubser mit seinem WISO-Programm unsere Steuerschuld herunterrechnet, oder irgendetwas anderes mit der Zeit macht, die er nicht dafür verwendet, den Rechenknecht verstehen zu wollen. Es ist nicht das Geld für die Gehälter von Programmierern, die der Kunde einer Software beim Kauf ausgibt. Programmierer sind ihm völlig egal und wenn es kostenlose Programme gibt, umso besser. Ob die quelloffen sind oder nicht ist auch egal, nein, das Geld, das er auszugeben bereit ist, ist der Gegenwert für die gesparte Zeit, für die Zeit, die er sich nicht dem Problem an sich beschäftigen muß.

Da hinkt Linux hinterher. Ubuntu macht es in dieser Hinsicht besser, andere Distributionen schlafen zwar auch nicht, aber ein Linux-System seinen Wünschen nach zu gestalten, was der normale Anwender durchaus will und es bei Windows auch völlig ohne Verständnis des Systems kann, das erfordert unter Linux immer noch eine gewisse Lernkurve. Beispiele? Xandros, ein System fast ohne Macken, sehr vorkonfiguriert, sehr einfach, im Prinzip absolut top; und wie installiere ich das neuste amaroK (oder $programmname, der nicht im Repository ist)? Dito Linspire. SuSE, endlich mit Multimedia und halbwegs fehlerbereinigt kommt die nächste Version, die auch der durchschnittliche Anwender haben will - schließlich wird alles besser, meint er, und alles was sich ändert ist oft die Versionsnummer seiner Probleme. Ubuntu? Also ohne gescheite sources.lst ist Ubuntu ungefähr so flexibel wie Xandros.

Der Anwender will gestalten und er will nicht lernen, wie das System funktioniert. Das klingt blöd und mag es vielleicht auch sein, aber es nur die Kombination aus zwei sehr verständlichen Verhaltensweisen. Ich erwarte von einer modernen Stereoanlage, einem Palm oder einem Handy, daß ich sie ohne stundenlanges Studieren der Bedienungsanleitung benutzen kann. Umfragen nach den genutzten Funktionen von Geräten ergeben klar und deutlich, alle tolle Funktionen, die sich nicht aus der direkten Interaktion mit dem Gerät ergeben, werden nicht genutzt. Punkt.

Vereinfachen ist keinesfalls nur Weglassen, vereinfachen bedeutet, die Funktionen, die da sind, überschaubar zu präsentieren. Vereinfachen bedeutet, die selbstverständlichen Dinge automatisch erledigen zu lassen. Vereinfachen bedeutet nicht Bevormunden, in der Regel weiß der Anwender, wann er eine nummerierte Liste erstellen will und wann nicht. Wenn er das will, dann schätzt er einen Button dafür. Windows zeigt meiner Meinung nach, daß sogar die Bevormundung an vielen Stellen positiver (= einfacher oder zielführender) empfunden wird als das, »dann trage die Parameter von Hand ein« von Linux. SuSE ist unglaublich beliebt, nicht wegen seiner überragenden Qualität, sondern wegen Yast. Die erfolgreichsten Distributionen sind die, die dem Anwender die meiste Denkarbeit ersparen und trotzdem flexibel sind.

Es reicht nicht mehr, Linux für die Hardware fit zu machen, Linux muß fit für den normalen Benutzer werden. In vielen Bereichen ist das bereits so, in anderen eben noch nicht. Technisch ist Linux seit Jahren reif für den Desktop, nur sind die meisten Benutzer nicht reif für Linux, oder eben: ist Linux nicht reif für die meisten Benutzer.

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