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Di, 1. August 2000, 00:00

Editorial: Die Macht des Webs

Oh, ist es schön in unserem unzensierten und freien HTTP-Netz. Kostenlos, gratis, umsonst und völlig unentgeltlich werde ich umfassend informiert. Ist es nicht schön? Und da will mir noch einer einreden, dass Informationen Geld kosten. Pustekuchen, sage ich nur dazu.

Nehmen wir an, ich will meine eigene und dazu noch kostenlose Homepage ins Netz stellen. Oh, welche Möglichkeiten mir zur Verfügung stehen. Vor Anbietern kann ich mich nicht mal retten. Nur wenige Daten eingeben und die komischen Ah Ge Bes bestätigen und schon bin ich ein stolzer Eigentümer einer eigenen Adresse im Netz der Netze. Und die Kosten? Nix, null und finito. Wenn mir jetzt wohl einer versuchen wird zu erklären, dass Internet-Präsenz Geld kostet, den lache ich aus. OK, die Banner, die meine künstlerische Freiheit einschränken, sehen zwar nicht schön aus, aber damit muss ich wohl leben. Schade nur, dass ich die nicht verändern darf, wenn der Provider mir mit seinen intelligenten Robotern einen 600er Banner in meine 100Pixel breite Frame-Seite platziert hat.

Auch die Weitergabe von Daten an Dritte ist mir egal. Wer seine richtige Adresse im Netz eingibt, der ist selber schuld. Was aber, wenn Sie gezwungen sind, die richtige Hausadresse anzugeben, weil Sie dafür eine bei der DENIC angemeldete DE-Domain bekommen und der Betreiber voller Freude in seinen AGBs schreibt: »Hierin ist die mögliche Weitergabe der Daten inbegriffen?« Hoffentlich haben Sie in diesem Fall einen Altpapiercontainer gleich neben der Tür stehen und sind gewillt, täglich Bodybuilding zu betreiben.

Pervers wird es erst, wenn die AGBs etwas vorschreiben, was Ihnen persönlich weh tut. So änderte kürzlich nach eigenen Angaben ein zu den größten der Branche gehörender Anbieter seine AGBs. Er strich ohne Ankündigung ein paar sehr böse Zeilen, die das Copyrightrecht an ihn übertrugen. Ersetzt wurde diese Passage durch eine andere, ebenfalls sehr lustige Zeile:

»Der Teilnehmer gewährt das Publizieren des auf die Rechner des Projekts XXX übertragene Material in Form von Daten der Firma XXX«.

Aha! Heißt es, dass ich mich schon jetzt freuen kann, meine Arbeit in Form eines Buches mal in der Bücherei zu sehen? Auch wenn es nur peinliche Erinnerungen an das Treffen mit Onkel Jusuf sind.

Erfindungsgeist zeigen aber nicht nur Anbieter von Web-Präsenzen, sondern auch große Homepages von renommierten Firmen. Was aber, wenn die Zahl der Besucher nicht der des Vorstandes entspricht und der Kopf des Web-Admins sich mittlerweile nicht mehr so ganz wohl da oben füllt? Not macht erfinderisch und der schon immer für seine Improvisationen bekannte Dilettant beschließt, das zu machen, was auch andere gemacht haben - aus eins mach zehn.

Leicht gesagt, leicht getan. Die neue Homepage steht und keiner merkt, dass die Zahlen eher lustig, als real sind. Viele Wege führen zum Erfolg. Einer davon ist ein Diskussionsforum zu Nachrichten. Ein Garant für viele so wichtige Pageviews. Nur einzig und allein ein Board macht noch nicht Besucher, also muss es ein spezielles Board sein - ein Superboard.

Ein Kochbuch für ein Superboard könnte so aussehen: Man nehme eine Nachricht und lasse sie von streitlustigen Usern kommentieren. Natürlich müssen die Nachrichten entsprechend klingen - eine wichtige Voraussetzung, die nicht unterschätzt werden sollte. Lieber »Computer begeht Selbstmord« als »Durch eine Panne Computer ausgefallen«. Nun sollte man sich ein Board aussuchen, welches jeden Kommentar in eigenem Fenster darstellt. Eine fundamentale Grundlage für eine große Anzahl an Besuchern. Wollen die sowieso nie auf den Zähler schauenden Besucher alle Kommentare lesen, so müssen sie um, den Zusammenhang eines Threads zu verstehen, jeden Kommentar anklicken. Das wiederum bedeutet sehr viele Pageviews, die so wichtig für eine Seite sind. Oh, welche Freude für jeden Seitenbetreiber. Und erst die Ergebnisse. Stehen auf Seite eines dummen Admins alle Kommentare unter einer Nachricht, so hat er bei 1000 Seitenabrufen, eben, wie viele jetzt schreiend bemerkt haben, 1000 Pageviews. Ein kluger macht dabei locker 30000 Pageviews. Richtig interessant wird es erst, wenn wir über 5000 Seitenabrufe haben. So dürfte die Ausbeute des Klugen auf fast eine Million stoßen - pro Nachricht wohl gemerkt.

Bleibt noch abzuwarten, wann der erste Admin auf die bereits bei Computern sehr beliebte und bekannte »Sind Sie sicher-Strategie?« umschwenkt. Es könnte ja sein, dass der Besucher sich in seinem Internetwahn gar verklickt hat und die Seite gar nicht lesen wollte. Eine entsprechende Abfrage zu jeder seiner Wahlen würde da schon Klarheit und vor allem so wichtige Pageviews bringen. Sage und schreibe 100% mehr Besucher würde eine solche Aktion machen. Das ist eine Überlegung wert, liebe Web-Admins.

Alle obengenannten Möglichkeiten bedeuten aber Arbeit. Wie man bekanntlich weiß, kriegt man von der Arbeit einen Buckel, aber keine Moneten. Es sollte also eine Möglichkeit geben, die ohne Anstrengung oder gar Arbeit mich zum Milliardär macht (Millionär ist schon jeder, der ein Haus hat). Auch dazu haben wir einen Rezept. Sie brauchen nur 700 DM, einen Anwalt, einen Namen und einen vom Beischlaf mit seiner Frau träumenden Beamten. Den Rest werden Sie wohl selber kennen...

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