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Mo, 11. Juli 2005, 12:53

Software

Freie Software-Aktivisten aus Lateinamerika berichten

Meike Richter hat Interviews mit brasilianischen und argentinischen Vertretern der freien Software-Bewegung geführt und bietet diese als Audio-Dateien zum Herunterladen an.

Brasilien ist weit vorn in Sachen GNU/Linux, das färbt auf die Nachbarn ab. Weil Microsoft wie immer schon vorher da war, ist die Arbeit der Freie Software-Aktivisten Fernanda Weiden (Brasilien), Beatriz Busaniche und Federico Heinz (beide aus Argentinien) mühsam.

Fernanda Weiden programmiert für die Linux-Distribution Debian und ist unter anderem aktiv beim Projeto Software Livre Brazil (Projekt freie Software Brasilien). Die Initiative setzt sich für freie Software und technologische Unabhängigkeit ein. Weiden arbeitet für das IBM Linux Technology Center Brasilien und engagiert sich bei feministischen Organisationen wie dem Projeto Software Livre Mulheres.

»Als die Regierung unter Präsident Lula anfing, ihre IT-Politik auf freie Software umzustellen, hat sie die Community eingeladen, den Prozess mitzugestalten«, sagt Weiden. Die Zusammenarbeit zeigt Früchte. Lulas Partido dos Trabalhadores (PT) eröffnete mit freier Software betriebene Telecentros, in denen Menschen unentgeltlich Computer nutzen können. Im Rahmen der Kampagne PC Conectado vergibt die brasilianische Regierung etwa eine Million Linux-PCs an Haushalte mit kleinem bis mittleren Einkommen zu günstigen Konditionen. Brasilien kommuniziert seine Politik als Mittel, um den sogenannten Digital Divide zu überbrücken. Indem mehr Menschen Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien erhalten, so die Hoffnung, soll Entwicklung und Chancengleichheit gefördert werden. Der Aufbau einer lokalen Software-Industrie ist ein erklärtes Ziel. Die Brasilianer möchten auch ihre Bundesverwaltung mit 300.000 Rechnern migrieren. Dabei gibt es auf Bundesebene noch keine rechtliche Grundlage für diese Politik - gehandelt wird allein auf Empfehlung.

Mittlerweile gebe es eine breite gesellschaftliche Debatte über freie/Open Source Software. Brasiliens wichtigste IT-Zeitschrift ignoriert das Thema zwar weitgehend. Aber Tageszeitungen, MTV Brasilien oder der populäre Sender TV Cultura bringen Interviews und zeigen Interesse. Trotzdem sind Fernanda Weiden und ihre Mitstreiter mit Basisarbeit beschäftigt. GNU/Linux ist noch lange nicht in den Institutionen verankert. Die Aktivisten suchen den Kontakt zu gesellschaftlichen Gruppierungen außerhalb der Techie-Gemeinden.

Die enge Zusammenarbeit mit Lulas Arbeiterpartei hat den Vorteil, dass die Umstellung auf GNU/Linux vorankommt. Die Gefahr dabei: sollte die PT die nächsten Wahlen verlieren, könnte auch der Einsatz freier Software schnell von der politischen Agenda verschwinden. So geschehen im Bundesstaat Rio Grande do Sul. Die unter PT-Politikern eröffneten GNU/Linux Telecentros wurden nach der Abwahl der Partei geschlossen. Ähnliches passierte nach einem konservativen Machtwechsel in São Paulo. Die neue Verwaltung kürzte die Budgets für die mit Freier Software betriebenen Telecentros um 50%.

Federico Heinz und Beatriz Busaniche aus Argentinien teilen Weidens Erfahrungen. Außerhalb der Techie-Gemeinde setzt sich das Bewusstsein für freie Software erst langsam durch. Heinz und Busaniche arbeiten für die Stifung Vía Libre, die sich für nachhaltige Entwicklung im Zusammenhang mit Informationstechnologien einsetzt. Heinz ist außerdem ein Sprecher der Free Software Foundation (FSF). Busaniche war als Vertreterin der Zivilgesellschaft beteiligt an Konferenzen des UNO-Weltgipfels der Informationsgesellschaft.

Die Debatte um den »Digital Divide« sehen die Argentinier kritisch. »Dieser Ausdruck - Digital Divide - was ist denn daran digital?« fragt Heinz. »Eigentlich ist das nur ein neuer Ausdruck für den uralten Kampf zwischen Arm und Reich.« Oft fehle es an Elementarem wie Zugang zu Bildung. Die Auffassung mancher Politiker und NGOs, dass sich mit dem Aufbau einer IT-Infrastruktur automatisch die Lebensumstände ärmerer Bevölkerungsschichten verbessern, teilt er nicht. Die Bevorzugung proprietärer Programmcodes verschlimmere die Situation noch. Abhängigkeiten würden so nur zementiert. Dabei gebe es viele gute Argumente für Linux, gerade in der öffentlichen Verwaltung: Transparenz, Flexibilität, Kostenreduktion und Unabhängigkeit. Aber weil Microsoft leider schon vorher da war, bleibt die Auseinandersetzung über Softwarepolitik oft eine intellektuelle Debatte. Heinz hat eine einfaches Rezept, um das zu ändern: Guten freien Code schreiben. Und das laut kommunizieren. (Meike Richter/hjb)

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