Login
Newsletter
Werbung

Mi, 20. April 2011, 15:00

Unity - Der Anfang vom Ende für Ubuntu?

In der kommenden Version setzt Ubuntu voll auf die Arbeitsoberfläche Unity. Aber es fehlt allenthalben an Konfigurationsmöglichkeiten.

In der neuen Version setzt Ubuntu voll auf die Arbeitsoberfläche Unity. Rein optisch ist Unity gelungen: Ich finde den Desktop von Ubuntu schöner als den anderer Linux-Distributionen.

Aber schön alleine ist zuwenig! Die Entwickler tun dem Ubuntu-Projekt nichts Gutes, wenn sie ihren Anwendern vorschreiben wollen, wie der Desktop zu bedienen ist. Und genau hier liegt das große Problem von Unity. (Dass Gnome 3.0 dasselbe Problem hat, ist nur ein schwacher Trost.)

Soviel gleich vorweg: Der neue Ubuntu-Desktop auf der Basis von Unity zeichnet sich durch viele gute Ideen aus. Bei aller Kritik (die gleich folgt) ist den Entwicklern Respekt zu zollen für das, was sie bereits erreicht haben.

Das Zielgruppenproblem

Unity ist für Linux-Einsteiger konzipiert und für kleine Bildschirme optimiert. Handelt es sich bei der Mehrheit der Ubuntu-Anwender tatsächlich um Linux-Einsteiger? Ich bezweifle es, und zumindest in meinem Freundes- und Bekanntenkreis sind es überwiegend Web-Entwickler, Systemadministratoren und andere IT-Profis, die Ubuntu einsetzen.

Verwendet die Mehrheit der Ubuntu-Anwender tatsächlich ein Netbook? Ich kenne niemanden mehr, der ein unter Linux laufendes Netbook verwendet. Die Unity-Oberfläche funktioniert natürlich auch auf gewöhnlichen Notebooks mit einem 15-Zoll-Bildschirm, aber wer einen Desktop-Rechner mit einem großen Bildschirm verwendet (oder, wie ich, gar zwei), für den ist die übertriebene Platzoptimierung von Unity vollkommen fehl am Platz.

Es ist im Übrigen kein Zufall, dass Unity ursprünglich für die Ubuntu Network Edition konzipiert wurde. Die Ubuntu Network Edition wurde mit Version 11.04 in Ubuntu umbenannt, das herkömmliche Ubuntu gibt es nicht mehr. Die Release Notes stellen den Sachverhalt natürlich umgekehrt dar, aber das ist offensichtlich eine Realitätsverweigerung.

Das Konfigurationsproblem

Die Ubuntu-Entwickler glauben, für alle Ubuntu-Anwender bestimmen zu müssen, wie der Desktop aussieht und funktioniert. Nun ist die Entscheidung für Linux aber häufig darin motiviert, eine Alternative zu den von Microsoft oder Apple aufgezwungenen Lösungen zu haben. Der Preis dieser Freiheit ist unter Ubuntu der, dass die Wahlmöglichkeiten nicht steigen, sondern sinken!

Zur Unity-Konfiguration ist momentan der folgende Dialog vorgesehen:

Konfiguration von Unity

Michael Kofler

Konfiguration von Unity

Mit anderen Worten: Es gibt genau eine Option, die steuert, unter welchen Umständen der Launcher (das Startmenü) erscheinen soll. Wesentlich länger ist die Liste der Punkte, die nicht ohne weiteres konfigurierbar sind:

  • Das Unity-Dock befindet sich am linken Bildschirmrand. Wer das Dock lieber rechts, unten oder oben hätte - Pech gehabt.
  • Die Größe der Icons ist fix vorgegeben (kann mit CCSM verändert werden).
  • Fenster sind von Schatten umgeben. Das sieht gut aus - es sei denn, man will Screenshots erstellen. Früher ließ sich der Schatten mit dem CCSM einstellen - jetzt nicht mehr (siehe Launchpad). (Abhilfe: Erstellen Sie Ihre Screenshots mit Shutter!)
  • Im Launcher (also im Startmenü) befinden sich außer dem Suchmenü gerade einmal acht Icons (auch wenn der Bildschirm 1920*1600 Pixel groß ist). Die Icons sind fix vorkonfiguriert. Die Folge: Ich arbeite mittlerweile vollkommen ohne Startmenü. Häufig benötigte Programme sind im Dock, den Rest starte ich mit Alt+F2.
  • Unter Unity gibt es ein Zentralmenü im Panel (nicht mehr in der Leiste des jeweiligen Fensters). Auf kleinen Bildschirmen spart das Platz, auf großen Bildschirmen macht es die Bedienung des Menüs aber extrem umständlich. Auch hier keine Wahlmöglichkeit.
  • Der Arbeitsflächenumschalter ist fixer Bestandteil des Docks - ganz egal, ob Sie Arbeitsflächen verwenden möchten oder nicht. (Und gerade Einsteiger, für die Unity ja anscheinend konzipiert wurde, werden Arbeitsflächen anfänglich wohl eher nicht brauchen.)

Die Liste ließe sich beinahe beliebig lange fortsetzen. Natürlich lassen sich viele Details (nicht alle) sehr wohl verändern, die Einstellmöglichkeiten sind aber schwer zu finden. Die Konfiguration setzt vielfach gutes Linux-Know-how voraus und erfordert teilweise die Installation zusätzlicher Programme, z.B. des CompizConfig Setting Managers (CCSM).

<Zynismus>Erstaunlicherweise kann der Bildschirmhintergrund noch immer frei eingestellt werden - aber ich bin sicher, dass auch dieses Feature bis zur nächsten LTS-Version eliminiert wird. Ein individueller Hintergrund stiftet nur Verwirrung, niemand braucht das. Außerdem ist der Ubuntu-Standardhintergrund ohnedies so schön!</Zynismus>

Die Alternativen

Natürlich ist niemand gezwungen, Ubuntu einzusetzen. Selbst wer bei Ubuntu bleiben will, hat die Möglichkeit, die herkömmlichen Gnome-2.n-Panels zu verwenden - wenngleich auch hier diverse Ubuntu-spezfische Ergänzungen unübersehbar sind: Zentralmenü, Indikator-Menüs statt Applets etc. (Die Wahlmöglichkeit für den klassischen Ubuntu-Desktop besteht in Version 11.04 voraussichtlich letztmalig. In Ubuntu 11.10 soll Unity auch ohne 3D-Grafiktreiber funktionieren, der Desktop wird dann ausschließlich auf Unity ausgerichtet.)

Eine weitere Option ist Fedora, das in der kommenden Version voll auf Gnome 3.0 setzt. Ich gebe zu, dass ich Gnome 3.0 noch nicht so ausführlich getestet habe wie Unity, aber es ist erkennbar, dass auch die Gnome-Shell unter den nicht vorhandenen Konfigurationsmöglichkeiten leidet. Die Gnome-Entwickler versuchen wie ihre Unity-Kollegen ihren Anwendern neue Bedienungskonzepte aufzwingen, ohne Wahlmöglichkeiten anzubieten.

Vor einem Jahr habe ich mich darüber geärgert, dass Ubuntu die Fensterbuttons ohne jeden Grund von rechts nach links verschoben hat. Heute muss ich erkennen: Das war ja noch harmlos. Gnome 3.0 schafft die Fensterbuttons gleich ganz ab! Ich bezweifle, das derart radikale Maßnahmen dem Linux-Desktop zum Durchbruch verhelfen. Ich habe im Gegenteil die Befürchtung, das die Entwickler von Gnome und Unity gleichermaßen am besten Weg sind, die ohnedies sehr zarte Desktop-Pflanze ganz umzubringen.

Immerhin ist das ganze Desaster eine Chance für das KDE-Projekt: KDE 4 ist mittlerweile gut ausgereift. Damit besteht erstmalig seit vielen Jahren die Chance, dass sich frustrierte Unity- und Gnome-Anwender zurück auf ihre Wurzeln besinnen - und die liegt ja bei vielen Linux-Profis in der KDE-Welt.

Autoreninformation

Dieser Artikel wurde auch auf der Seite des Autors unter kofler.info veröffentlicht. Darüber hinaus führt Michael Kofler ein Blog zum Thema.

Pro-Linux
Pro-Linux @Facebook
Neue Nachrichten
Werbung