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Mo, 20. Oktober 2014, 14:00

Die LinuxCon Europe 2014 in Düsseldorf

Mittwoch, 15.10.2014

Das Auditorium füllte sich am Mittwoch schon zu der frühen Zeit von 9 Uhr, denn im Rahmen der heutigen Keynotes sollte Linus Torvalds einen seiner raren Auftritte haben. Linus war jeweils nur zu den Keynotes anwesend, ansonsten war er nur noch am Mittwochabend zu sehen, wohl auch, um jeden Rummel um seine Person zu vermeiden.

Der 1250 Zuschauer fassende Raum war bis auf den letzten Platz besetzt, als Joanna Rutkowska, Chefin von Invisible Things Lab und Entwicklerin von Qubes OS, die undankbare Aufgabe zu übernehmen hatte, vor dem Auftritt von Linus auf die Bühne zu kommen. Sie hatte lediglich 20 Minuten Zeit, Qubes OS vorzustellen. Daher beschränkte sie sich auf die Überlegungen, die zum Entwurf von Qubes OS führten, und die technischen Grundlagen. Trotz der Eile hätte sie etwas mehr Zeit verdient gehabt, um durch ihren Vortrag komplett durchzukommen.

Es folgte die Keynote von Olaf Kirch, dem Direktor von Suse Linux Enterprise, die offenbar von vornherein auf die kurze Zeit ausgelegt war. Kirch vermittelte auf unterhaltsame und einprägsame Weise, was für Anforderungen große Unternehmen an ihre IT stellen. Zunächst seien die enormen Datenmengen zu nennen, die die Unternehmen typischerweise verarbeiten. Um Risiken und Aufwand zu vermeiden, wollen die Unternehmen lange Support-Zeiträume - 10 Jahre, 13 Jahre oder lieber noch mehr, so dass ein System, einmal installiert, läuft, bis ein Nachfolgesystem betriebsbereit ist. Typisch sind auch extrem kurze Wartungsfenster. Teilweise stehen nur 15 Minuten im Jahr zur Verfügung, was nicht einmal reicht, um einen großen Server zweimal zu booten.

Dirk Hohndel und Linus Torvalds

Linux Foundation

Dirk Hohndel und Linus Torvalds

Aus diesen Gründen hat Suse die Technologie zum Patchen des Linux-Kernels ohne Neustart, kGraft, entwickelt. Solch eine Technologie nützt natürlich nichts, wenn es nicht die entsprechenden Patches gibt. Zwar können sie von einem fähigen Administrator selbst entwickelt werden, aber Unternehmen ziehen es vor, getestete Patches vom Distributor zu beziehen. Einen entsprechenden Dienst will Suse künftig anbieten. Etwas Ähnliches hat bekanntlich Red Hat mit Kpatch entwickelt. Kirch kündigte an, dass es auf der Linux Plumbers Conference, die am gleichen Tag begann, Gespräche zwischen beiden Teams geben werde.

Nun hieß es »Bühne frei« für Linus Torvalds und Dirk Hohndel. Da Linus keine Vorträge hält, gibt es traditionell ein Frage-Antwortspiel, bei dem Linus frei und spontan redet. Auch das Publikum war eingeladen, Fragen zu stellen. Das Motto dieses Auftritts war »Linux: Where Are We Going«, was bis zum Schluss konsequent ignoriert wurde. Hohndel sprach zum Beispiel an, dass einige Subsysteme inzwischen von mehreren Entwicklern gemeinsam geleitet werden. Das wird von Linus stark befürwortet, wäre es daher jetzt nicht an der Zeit, dasselbe für den gesamten Kernel zu tun? Linus sagte, dass es wohl dazu kommen werde, dass er entweder ganz aufhören oder mit anderen zusammenarbeiten werde. Allerdings noch nicht jetzt. Noch könne er die Zahl der Patches, die seit langer Zeit einen Aufwärtstrend zeigt, alleine handhaben. Schnell auf die E-Mails zu antworten, sei das Wichtigste, und da habe er noch keine Beschwerden erhalten.

Gibt es eine technische Entscheidung, die er bereut? Linus verneinte das, denn Fehler könnten immer korrigiert werden. Es habe auch keine einzelne Entscheidung in der Kernel-Entwicklung gegeben, die übermäßig wichtig war. Er bedaure zwar, dass er manchmal Entwickler durch Kraftausdrücke in seinen Mails abgeschreckt habe. Ändern würde er aber nichts. Trotz Meinungsverschiedenheiten sei es das größte Ziel, gemeinsam die beste Technologie zu schaffen. Das sei auch der Grund, warum manche Diskussionen so hitzig geführt werden, da jeder eine starke Meinung vertrete. Das sei zugegebenermaßen für einige Leute abstoßend, aber wer zu zurückhaltend vorgehe, werde im Wesentlichen ignoriert.

Zum Abschluss sollte Linus doch noch wenigstens eine kühne Vorhersage zur Zukunft des Kernels machen. Doch das Äußerste, worauf er sich einlassen wollte, war, dass die erste Testversion von Linux 3.18 in etwa einer Woche erscheinen werde. Er verband dies mit einer Aufforderung, die Test-Kernel möglichst verbreitet und intensiv zu testen.

Zwischendurch wurden einige Fragen aus dem Publikum beantwortet, von denen nur wenige gestellt wurden. So klagte ein Entwickler darüber, dass der Veröffentlichungszyklus von Linux kürzer zu werden scheint, was ihm Probleme bereite. Ein Zyklus von drei Monaten wäre ihm lieber. Linus antwortete, dass auf einem Kernel-Summit vor einigen Jahren ein Zyklus von zwei Monaten beschlossen worden war, ohne nennenswerte Einwände. Dieses Ziel ist mit aktuell 9 bis 10 Wochen noch nicht erreicht. Ein längerer Zyklus würde noch mehr Patches bedeuten und sei nicht sinnvoll. Für Entwickler, die einen Zyklus verpassen, dauere es ja immerhin nur zwei Monate, bis sie eine neue Gelegenheit erhalten.

Es folgte das »Kernel Developer Panel« mit Grant Likely (Linaro), Borislav Petkov (Suse), Thomas Gleixner (linutronix GmbH), Julia Lawall (Inria) und Frédéric Weisbecker (Red Hat). Moderator war Jon Corbet (LWN.net). Eines der Themen war »Ist die Linux-Gemeinschaft krank?«, womit Corbet den Blog-Beitrag von Lennart Poettering aufgriff. Die konkrete Frage war: »Müssen wir etwas ändern?« Petkovs etwas provozierende Antwort war: »Gibt es ein Problem? Ich sehe keines.« Julia Lawall erklärte, bisher keine Probleme gehabt zu haben, obwohl sie wegen ihrer breit angelegten Arbeit mit vielen Kernel-Entwicklern in Kontakt stand. Aber: »Manchmal kommt jemand mit einer ziemlich dummen Idee an und hat harsche Kommentare vielleicht verdient.« In kompletten Widerspruch zu den anderen Positionen begab sich Likely. Vielleicht 99% aller Diskussionen werden aus seiner Sicht sehr sachlich und zivil geführt. Er sei aber sehr besorgt über das restliche Prozent, denn dieses könnte einige Leute dazu bringen, außerhalb der Gemeinschaft zu bleiben. Das dürfe nicht geduldet werden. Er erklärte, dass er keine aggressiven E-Mails erhalten wolle, und jeder, der das genauso sehe, solle sich entsprechend verhalten. Für diese Aussage erhielt er spontanen Applaus der gesamten Zuhörerschaft.

Gleixner erklärte, dass er zu den Personen gehöre, die sehr emotional werden können. Er versuche zwar immer, ruhig zu bleiben. Wenn ihm ein Entwickler aber trotz höflicher Erläuterungen immer wieder »Scheiße« zusende, dann sei irgendwann der Punkt erreicht, an dem er nicht mehr ruhig bleiben könne. Er erhalte 5.000 E-Mails pro Woche, damit sei es auch eine Zeitfrage, wie man antworte. Petkov meinte, dass er joggen gehe, wenn er mal wieder frustriert sei. Die anderen stimmten darin überein, dass Durchatmen und Abregen in solchen Fällen die beste Maßnahme sei.

Damit wandte sich die Diskussion anderen Dingen zu, wobei auch Fragen aus dem Publikum beantwortet wurden. Greg KH, der an diesem Tag den Ansager machte, hätte sich allerdings die abschließende Bemerkung »Wie, der Gleixner bekommt nur 5.000 E-Mails pro Woche?« verkneifen können, denn die nachfolgenden Flamewars auf der Mailingliste kann man sich schon ausmalen...

Danach folgten wie an den Vortagen die Vorträge. Am Abend ab 19 Uhr gab es eine Veranstaltung mit Büffet für alle Teilnehmer, die den Abschluss der drei Hauptkonferenzen markierte. Zu diesem Zeitpunkt war ich allerdings trotz des Lokführerstreiks bereits auf dem Heimweg.

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