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Do, 26. September 2019, 15:00

Medienkompetenz - Kreativität vs. Konsum

Um nicht von technischen Geräten oder deren Herstellern kontrolliert zu werden, benötigt man Medienkompetenz. Freie Software und Kreativität können dabei besonders helfen.

In der heutigen Zeit treffen Digitalisierung und Konsumgesellschaft aufeinander. Dabei halten wir uns für modern und fühlen uns wohl. Und dennoch ist es gut möglich, dass uns zukünftige Generationen für unsere Situation bemitleiden werden.

Warum? Weil wir uns in einem neuen Mittelalter befinden - einem »digitalen Mittelalter«. Auch die Menschen des Mittelalters empfanden ihre Epoche als moderne Weiterentwicklung der Antike - aus heutiger Sicht teilweise kaum vorstellbar. Dennoch verhalten wir uns heute (wie so oft in der Geschichte) ähnlich: Die alten Götter verschwinden. Stattdessen glaubt der Mensch nun an das Geld, die großen Marken und die sogenannte »Innovation«. Er nutzt nahezu unreflektiert alle Neuerungen, die das moderne Leben scheinbar ausmachen. Werbung, Kredit und geplante Obsoleszenz halten das System am Laufen. Dabei glauben viele Menschen, mit den Geräten in ihren Hosentaschen die Welt zu kontrollieren. Tatsächlich jedoch werden sie selbst durch ihre unreflektierte Nutzung moderner Medien schnell zum Spielball ganz anderer Mächte. Dies ist nicht nur privat und persönlich, sondern auch politisch und gesellschaftlich relevant.

Nach und nach wird immer mehr Menschen bewusst, dass es nicht unentwegt so weitergehen kann. Politische Konflikte flammen auf, der Unterschied zwischen Arm und Reich wird immer größer und die Natur meldet sich zu Wort.

Was hilft an dieser Stelle? Aufklärung.

Und was ist das Ziel? Vernunft.

Aber was ist der Schlüssel? Kreativität.

Leider denkt der Mensch oft klein und daher wird der Begriff »Kreativität« schnell mit »Basteln« gleichgesetzt - weit gefehlt. Wenn der Mensch nicht lernt, in der heutigen Zeit grundlegend kreativ zu denken und zu handeln, wird er die Kontrolle über seinen Alltag verlieren und dauerhaft fremdbestimmt agieren. Er wird nach und nach immer mehr konsumieren und dabei wenig bis gar nicht reflektieren. In einer Zeit, in der die Wirtschaft immer stärker und der Studiengang »Wirtschaftspsychologie« immer beliebter, auf der anderen Seite jedoch der Studiengang »Philosophie« nach und nach abgeschafft wird, da kritisches Denken und logisches Hinterfragen keinen nennenswerten Ertrag an der Börse bringen, sollten wir wachsam sein. Es ist nötig, nicht nur Wissen, sondern auch Weisheit zu verbreiten. Welchen Weg jeder einzelne Mensch am Ende wählt, sei ihm überlassen - um wählen zu können, muss man aber zuerst einmal Alternativen kennen und nicht einfach auf die lautesten Anbieter hören und dem Strom der Masse folgen. Es gibt mehr als die großen Marken, die bekannten Plattformen und die üblichen Lösungen.

Bisher galt die Regel: »Was erfolgreich ist und Geld bringt, ist richtig.« Falsch! Dies gilt es, bereits in unserer Erziehung zu ändern. Für die Medienpädagogik bedeutet das, neutral zu bleiben und nicht speziell in die Richtung eines kommerziellen Anbieters zu leiten. Wurden ökologische Fragen vor wenigen Jahren noch verlacht oder aus heutiger Sicht unvernünftiger Konsum als Norm angesehen, haben sich die Perspektiven inzwischen wieder geändert und andere Haltungen herausgebildet. Der Mensch ist grundsätzlich auf einem guten Weg. Leider hinkt er bzgl. vieler Themen aber immer wieder gefährlich hinterher - so auch in Bezug auf die Digitalisierung. Und hier ist nicht die Rede von einem fehlenden Breitbandausbau oder einem oft geforderten Funknetzwerk in Schulen, sondern von der Kompetenz, die Gegebenheiten einschätzen und mit Vernunft einsetzen zu können. Alle sprechen von Fortschritt - bevor unser technischer Fortschritt weitergeht, sollte vorerst unser menschlicher Fortschritt vorankommen.

Nur weil die technischen Möglichkeiten schier unbegrenzt zu sein scheinen, bedeutet dies nicht, dass auch alle Optionen genutzt werden sollten. Und bei aller Euphorie wird ein relevantes Detail schnell außer Acht gelassen: Hinter den Produkten steht Kapital und die damit verbundenen Interessen - und eher weniger echte Lebens- oder gar Weltverbesserungsansätze.

Technologie sollte aber keineswegs schlecht geredet werden. Es gibt sehr viele hilfreiche und auch begeisternde, aber dennoch vernünftige Einsatzmöglichkeiten. Wendet man seinen Blick einmal vom Strom der Masse ab, findet man ungeahnte Optionen für einen kreativen und kompetenten Umgang mit modernen Medien. Leider sind wir es inzwischen gewohnt, immer neue Medien anzuschaffen, diese meist nur kurzzeitig zu nutzen und dann schon wieder Teil der nächsten angeblichen »Innovation« zu werden. Die Produkte werden oft geplant obsolet gefertigt und verweigern nach einer unnötig kurzen Zeit bereits den Dienst, werden nicht weiter unterstützt oder sind schlichtweg nicht reparabel. Dabei binden wir uns zusätzlich noch an bewusst durchdachte Ökosysteme globaler Großkonzerne - und fertig ist die Fremdkontrolle. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, gibt es kreative Lösungen, von denen hier einige Beispiele genannt werden sollen.

1) Einsatz freier Programme/Systeme: Hiermit lassen sich neue, alte und auch abgelegte Geräte nutzen, individuelle Systeme erstellen und neue Perspektiven schaffen. Die Einsatzmöglichkeiten decken alltägliche Bereiche wie z.B. Büro oder Unterhaltung, aber auch kreative Bereiche wie z.B. Audio, Video, Grafik oder Spieleentwicklung ab. Firmen setzen freie Lösungen häufig im Netzwerkbereich ein, schenken den sonstigen Möglichkeiten allerdings wenig bis keine Beachtung - oft aufgrund fehlender Kenntnis und Erfahrung. Fakt ist, dass diese Lösungen für die Nutzer durch die Freiheit in der Anwendung mehr Kontrolle und durch die Offenheit in der Kodierung mehr Transparenz bieten - bei geschlossenen Anwendungen ist niemals abzusehen, welche ungewollten und oft auch fragwürdigen Prozesse im Hintergrund ablaufen. Es empfiehlt sich grundsätzlich, Programme und Systeme zu nutzen, die nicht zwangsläufig eine Anbieteranmeldung oder eine Internetverbindung benötigen. Anmelde- und Internetzwang sind in erster Linie Vorteile für die Anbieter - gern wird dieser Fakt mit den Vorteilen der Bequemlichkeit für die Nutzer überspielt. Wer sich nicht dringend an ein Ökosystem binden muss, sollte dies auch nicht tun.

2) Nutzung reparabler Geräte: Aktuelle Geräte werden (speziell im mobilen Bereich) äußerst fragwürdig gefertigt. Es wäre kein Problem, ein leicht zu öffnendes Gehäuse oder wechselbare Komponenten einzubinden. Leider ist dies aus Sicht der Wirtschaft nicht interessant, da sich mit dem bereits eingeschlagenen Weg mehr Geld verdienen lässt und der Kunde nicht mehr nachfragt. Es empfiehlt sich grundsätzlich, Materialien genau zu überdenken und neue oder auch gebrauchte Produkte einzusetzen, die möglichst gut reparabel (und nebenbei erwähnt: massenhaft verfügbar) sind.

3) Reflektion eigener Daten: Daten werden oft als das neue Öl beschrieben. Aus wirtschaftlicher Sicht liegt hier ein schier unerschöpflicher Schatz, der schon lange von Firmen gehoben und speziell für die Manipulation der Massen genutzt wird. Dies haben die Nutzer leider noch nicht erkannt und gehen daher mit ihren persönlichen Daten um, als würden sie freiwillig Geld verschenken. Einfache Regel: Die Masse der Menschen versteht Geld - Öl ein wenig - Daten nicht. Dabei geben die Nutzer nicht nur ihr Geld, sondern auch ihre Privatsphäre weiter. Wer glaubt, er habe nichts zu verbergen, irrt gewaltig. Manipulation ist im Bereich des Konsums oder auch der Politik in unserer Gesellschaft allgegenwärtig und wissenschaftlich belegt - aus Sicht der Vernunft und Demokratie ein höchst bedenklicher Fakt. Es empfiehlt sich grundsätzlich, den mit der Nutzung von Medien verbundenen Datenverkehr zu reflektieren und weitestgehend selbstbestimmt zu kontrollieren.

Am Ende gilt: Wer seinen eigenen Weg gestaltet, hat mehr Kontrolle - und ist kreativ.

Autoreninformation

Daniel Schlep ist Musiker und Medienkünstler. Er hat bereits mit nationalen und internationalen Firmen, Institutionen und Magazinen gewirkt und steht im Austausch mit Verwaltungen und Ministerien, um Medienkompetenz zu schaffen und den Wert von Freiheit und Kreativität zu verdeutlichen.

Hinweis

Dieser Text findet sich im Original auf der Webseite von Daniel Schlep.

  • Das Werk darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, Abwandlungen und Bearbeitungen des Werkes müssen unter den gleichen Bedingungen weitergegeben werden. Der Name des Autors/Rechteinhabers muss in der von ihm festgelegten Weise genannt werden.

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