Frei mit Android - Drei Jahre Open Source-Smartphone
Probleme mit dem Recovery-Modus
Nachdem das erste Smartphone installiert war, sollte ein zweites LG G6 als Backup aktualisiert werden. Wie eingangs beschrieben, ist dazu das Smartphone in den Recovery-Modus zu starten. Der Vorgang ist beim LG G6 reichlich kompliziert: Langes Drücken auf den Home-Button hinten und Volume Down, kurzes Loslassen Home-Button beim ersten Screen, danach weiteres Drücken beider Buttons).
Leider konnten beim zweiten Gerät beide Android 10-Derivate nicht aufgespielt werden. Irgendwann (die Länge des Suchens sei hier nicht mitgeteilt) konnte festgestellt werden, dass TWRP (das Recovery-Tool) nicht in der gleichen Version vorlag. Folglich wurde die letzte Version von TWRP installiert. Danach klappte das Aufspielen.
Leider scheiterte danach sowohl das Erstellen wie auch das Rückspielen von Sicherungen. TWRP gab munter mehrere Fehler von sich. Ein Blick auf der Homepage zeigt, TWRP wurde leider noch nicht für Android 10 angepasst. Gemäss dem Entwickler seien die Änderungen bei den Partitionen erheblich, es sei daher nicht mit einer baldigen Lösung zu rechnen.
Oranger Fuchs sichert (fast) alles
Nach zahlreichen Versuchen mit Online-Sicherungen (mit root-Rechten), die aber nicht erfolgreich waren, konnte endlich auf der Seite files.orangefox.tech ein Fork zu TWRP gefunden werden, bei dem die Sicherungen klappten.
Seit dem 29. Januar 2020 gibt es dort einen Release-Kandidaten für das LG G6 (H870). Das Aufspielen ist relativ einfach, es muss aber bedacht werden, dass die Recovery-Partition nur bespielt werden darf, wenn zuvor sichergestellt ist, dass das System auf der primären Partition läuft. Nur so kann im Falle eines Missgeschicks das Gerät wieder zum Flashen der Recovery-Partition eingerichtet werden.
Um die Recovery-Partition zu überschreiben, muss das Gerät in den Bootloader-Modus versetzt werden. Am einfachsten geht dies, indem im Recovery-Modus selber der entsprechende Modus aufgerufen wird. Alternativ dazu kann das Smartphone im USB-Debug-Modus (siehe dazu auch die entsprechenden Informationen im Skript zum Moto G4 Plus) in den Bootloader-Modus gesetzt werden:
adb devices adb reboot bootloader
Danach kann das gewünsche Recovery-Image aufgespielt werden:
fastboot flash recovery recovery.img
Allfällig ist recovery.img durch einen anderen Namen zu ersetzen. Bei OrangeFox kann diese Datei der Zip-Datei entnommen werden. Danach Telefon erneut hart starten (Tastenkombination wie oben stehend) und OrangeFox sollte sein »Gesicht« zeigen. Zum Abschluss noch dies. Aktuell funktioniert beim Rückspielen nur die data-Partition, das gewünschte OS kann jedoch über eine Neuinstallation aufgespielt werden. Dies ergibt zudem den positiven Nebeneffekt, dass die Sicherungen kleiner werden.
Auch 2020 will die »freie« Welt verdient sein
Wer im Jahre 2020 ein halbwegs »freies« Smartphone möchte, hat aktuell nicht die schlechteren »Karten« als 2017. Einiges ist einfacher geworden (z.B. das Aufspielen von Apps). Film- und Fotoaufnahmen gelingen mit OpenCamera in guter Qualität, wobei die Unterstützung für 4K auf dem LG G6 leider noch immer nicht verfügbar ist.
Weniger erfreulich sind Inkompatiblitäten beim Unterbau, welche beim Testen erkleckliche Stundensaldi verschlangen, damit auch mit einem CustomROM auf der Basis von Android 10 z.B. Sicherungen gemacht werden können.
Nach drei Jahren können sowohl das Moto G4 Plus als auch das LG G6 mit aktueller Software versorgt und speditiv gewartet werden, auch wenn beide Geräte längst nicht mehr als Neugeräte im Handel verkauft werden. Diejenigen, welche über azurgo.ch ein LG G6 erworben haben, können für eine Pauschale über sFr. 100 ein Upgrade auf Havoc 3.2 erwerben. Wer auf ein Open Source-Smartphone umsteigen möchte, dem sei der Erwerb eines Samsung-Gerätes über die e.foundation empfohlen.
Linux-Alternativen 2020 im Anmarsch?
Das /e/-Smartphone ist erst mal ein Anfang, denn ohne das obige Angebot gäbe es auch 2020 faktisch keine Möglichkeit, ein freies und direkt nutzbares Smartphone in Europa käuflich zu erwerben. Zwar sollen die ersten Exemplare des Librem5 Smartphones aktuell ausgeliefert werden, es ist aber auch 2020 (wie schon 2017) unklar, wohin die Reise mit dem Librem5 gehen wird. Zudem dürfte der Preis von guten 800 Franken (bestellt werden kann das Gerät nur in den USA) eher abschreckend wirken.
Seit einigen Monaten wird auch das PinePhone angeboten. Mit knapp 150 USD ist es preisgünstig, doch auch hier gilt, aktuell lässt sich damit nicht produktiv arbeiten. Sowohl das Librem5 als auch das PinePhone arbeiten nicht auf der Basis von Android. Ob ein reines Linux-Smartphone 2020 noch eine Chance haben wird, bleibt abzuwarten. Dem sei angefügt, dass das Nokia 900 dies bereits vor mehr als 10 Jahren in einer Qualität hatte, wovon beide Produkte aktuell nur träumen können. Für einen funktionieren Markt wäre eine Alternative zu Android und iOS aber bitter notwendig.
Ob dies klappt, wird sich zeigen. Immerhin kann hier angefügt würden, auch Nokia hatte einst ein Quasi-Monopol bei den Handys. Die aktuelle Situation bei den Smartphones ist und bleibt unbefriedigend, die Datensammelwut ist horrend, genauso wie der Verschleiss an Geräten unsäglich bzw. viel zu hoch ist. In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass der nächste Blog zum Thema Smartphone kürzer ausfallen wird, ganz einfach weil es dann hoffentlich endlich freie Geräte für die Masse geben wird.