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Mi, 14. November 2007, 00:00

»Heilige Kühe muss man manchmal melken können«

Interview mit Sebastian Kügler

Mirko Lindner (demon)

PL: Viele fragen sich nach dem Sinn einer Windows-Version. Welche Vorteile können überhaupt Windows-Anwender von einem KDE für ihre Plattform haben?

Sebastian Kügler: KDE-Applikationen auf Windows sind schon länger in der Diskussion. Da KDE von Anfang an plattformunabhängig entwickelt ist, liegt dies nahe. Windows ist schließlich auch nicht die erste »nicht-freie« Plattform für KDE.

PL: Wollen die Anwender überhaupt eine Windows-Version von KDE?

Sebastian Kügler: Vermutlich. Ich sehe schon wichtige Anwendungsgebiete für einen Windows-Port. Heterogene Umgebungen sind sicherlich interessant. Der wichtige Punkt ist allerdings meiner Einschätzung nach, das es hier um Free Software geht, und dass wir niemandem verbieten können, KDE-Applikationen auf Windows zu benutzen oder zu entwickeln. Wir können es allerdings aktiv unterstützen und somit dazu beitragen, dass die Auswahl an freier Software auch für Windows-Benutzer (freiwillig, unfreiwillig oder unwissentlich) deutlich vergrößert wird. Der interessante Balanceakt für KDE auf Windows ist, denke ich, dass es uns viele neue Entwickler bringen kann, dass es aber gleichzeitig auch den freien Desktop (auf freier Plattform) weniger attraktiv macht - »Man kann Amarok ja auch auf Windows benutzen, warum sollte man Linux installieren?«.

PL: Eine der wenigen neuen Applikationen, die keine Showstopper mehr vorweist, ist Dolphin. Peter Penz ist zuversichtlich, weit vor der Veröffentlichung eine weitgehend stabile Applikation abliefern zu können. Was sprach eigentlich gegen Konqueror als Default-Dateibrowser?

Sebastian Kügler: Konqueror ist ein sehr mächtiges Tool, und ein siamesischer Zwilling der »Use Cases«. Das machte es schwer, konqi für eine deutlich umrissene Aufgabe - Dateimanagement - zu optimieren. Das Konzept, einen Webbrowser und den Filemanager miteinander zu integrieren, bringt einige »interessante« Probleme der Benutzerfreundlichkeit mit sich. Zum Beispiel sich ändernde Toolbars, überladener Konfigurationsdialog, um mal zwei Aspekte zu nennen. Dolphin macht eine Aufgabe, und diese sehr gut. Das ist, denke ich, nicht nur im Sinne des Benutzers, der ein vereinfachtes Benutzerinterface präsentiert bekommt, sondern auch sehr »UNIXy«, ein Werkzeug pro Aufgabe. Peter hat wunderbare Arbeit geleistet und gezeigt, dass man auch heilige Kühe manchmal melken können muss. Melken, nicht schlachten. Dolphin und Konqueror teilen sich wichtige Funktionalität über die KPart-Technologie. Konqueror (der Filemanager) benutzt Dolphin-Komponenten.

Vielleicht sehen wir ja in Zukunft auch einen reinen Webbrowser, der wiederum für diese Aufgabe optimiert ist. Wer weiß?

PL: Macht es überhaupt Sinn, zwei Applikationen mit einem fast identischen Funktionsumfang zu pflegen? Gnome hat nur Nautilus und die Anwender scheinen auch zufrieden zu sein.

Sebastian Kügler: Einerseits teilen sich Konqueror und Dolphin wichtige Komponenten, andererseits wollen wir auch die Benutzer, die gerade auf Konqueror schwören, nicht enttäuschen. Technisch ist es gut möglich, beide Gruppen zufriedenzustellen.

Wir sehen auch, dass sich die KDE-Benutzercommunity weiterentwickelt. KDE 4 wird nicht mehr vor allem durch Geeks und Poweruser benutzt werden. Der Freie Desktop wird in den nächsten Jahren auch im Mainstream zu finden sein. Dolphin ist ein Zeichen für diese Entwicklung.

PL: Die von der Presse am meisten gezeigte Neuentwicklung ist das von Ihnen bereits erwähnte Plasma. Viele der Entwicklungen sind allerdings noch nicht fertig oder befinden sich erst, wie Raptor, in der Planungsphase. Werden die Anwender überhaupt die Vorteile von Plasma in der ersten Version von KDE4 zu sehen bekommen?

Sebastian Kügler: Teils. Ich bezeichne Plasma gern als Desktop-Shell. Und wie auch eine Shell wie Bash oder Zsh ist sie am Anfang sehr kahl. Was durch Plasma allerdings möglich wird, ist die Entwicklung innovativer Konzepte in der Disziplin Workspace. Wir wollen weg vom Desktop als Icon-Ghetto, und wir wollen die Kreativität in der weiteren Community beflügeln. Konkret wird Plasma in KDE 4.0 nicht Raptor benutzen, sondern das von den OpenSuse-Entwicklern gestartete Kickoff-Menü. Dieses Menü hat sich bereits bewiesen, es ist in Zusammenarbeit mit Usability-Spezialisten entworfen worden und eignet sich daher gut für den KDE-4.0-Desktop. Welche Menüs in der Zukunft hier noch hinzukommen, ist spekulativ. Immerhin ist der Sinn von Plasma ja gerade, allerlei neue Konzepte möglich zu machen.

PL: Und die Funktionalität?

Mirko Lindner (demon)

Sebastian Kügler: Für KDE 4.0 wird Plasma die Basisfunktionalität bieten, die man als Benutzer von einem Desktop erwarten würde. Dazu gehört unter anderem ein Systray, Panels, Taskswitcher und natürlich das Menü. Diese Teile sind mittlerweile, d.h. in aktuellen Snapshots, da und auch recht brauchbar, auch wenn sie noch nicht so ausgereift sind wie Teile in anderen Bereichen. Hier wird allerdings im Moment fieberhaft dran gearbeitet.

PL: Ist Plasma eigentlich als eine Ergänzung zu KDE zu sehen, wie Superkaramba zum Beispiel, oder wird es ein fester Bestandteil der Umgebung?

Sebastian Kügler: Plasma ist integraler Bestandteil des KDE-4-Desktops. Über Plasma wird es allerdings möglich sein, den Desktop weiter zu ergänzen (ähnlich wie Superkaramba).

PL: Muss ein Desktop überhaupt »sexy« sein, wie es mal der Entwickler von Enlightenment formulierte, und reicht Funktionalität mittlerweile nicht mehr aus?

Sebastian Kügler: Wenn man »sexy« und »funktionell« exklusiv auseinanderzuhalten versucht, begibt man sich auf dünnes Eis. Ein Beispiel hierfür sind sicherlich die Oxygen-Icons. Icons sollen hübsch und sexy sein, wer benutzt schon gern hässliche Dinge? Wenn man allerdings nachdenkt, was das menschliche Gehirn »hübsch« findet, dann hat das oft mit Symmetrie und Konsistenz zu tun. Wenn Icons jetzt allerdings inkonsistent sind, dann werden sie auch schwierig benutzbar. Farben sollten aufeinander abgestimmt sein, violette Schrift auf gelbem Hintergrund ist schwierig zu lesen. Dieser Sex-Appeal hat also direkt Einfluss auf Benutzbarkeit. Gleichzeitig wollen wir ja auch nicht, dass mögliche Benutzer sich angewidert wegdrehen, wenn sie KDE zum ersten Mal sehen. Der erste Eindruck ist wichtig, um Menschen dazu zu bekommen, sich mal genauer damit auseinanderzusetzen, KDE mal zu probieren...

PL: Wo zieht man da die Grenze?

Sebastian Kügler: ... Wo genau man die Grenze zieht zwischen »sinnlosem Bling« und nützlicher Funktionalität, ist sicherlich ein komplexes Problem. Von den Entwicklungen, wie sie im Moment in KDE 4 aussehen, bin ich allerdings begeistert. Oxygen macht einen sehr »leichten« Eindruck, Compositing-Features in Kwin sind sehr nützlich und runden das KDE-4.0 Gefühl gut ab.

Ich würde also sagen, dass Sexiness nicht optional ist, sondern ein wichtiger Bestandteil der »User Experience«.

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