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Mi, 14. November 2007, 00:00

»Heilige Kühe muss man manchmal melken können«

Interview mit Sebastian Kügler

Sebastian Kügler ist Vorstandsmitglied des KDE e.V. und Mitglied des Release-Teams. Kügler studierte an der Radboud University of Nijmegen und ist als Mitglied der Marketing Working Group auch für strategische Entscheidungen des Projektes verantwortlich. Pro-Linux sprach mit ihm über die Zukunft der Desktop-Umgebung, weitere Pläne und die Veröffentlichung von KDE4.

Sebastian Kügler

Mirko Lindner (demon)

Sebastian Kügler

Pro-Linux (PL): In knapp 2 Monaten ist es soweit und KDE4 wird in die freie Wildbahn entlassen. Wie fühlen Sie sich? Nervös?

Sebastian Kügler: Nicht so nervös wie vor dem ersten Date (lacht). Es wird allerdings spannend. KDE4 bedeutet für uns nicht nur eine Vielzahl neuer Technologien, sondern auch viele Prozesse, die sich innerhalb des Projektes geändert haben. Die Arbeit des Release-Teams ist hier ein gutes Beispiel, aber auch eine allgemeine Verschiebung, oder besser Erweiterung der Community. KDE4 ist das erste Release dieser Community, die sich von einem »reinen« Free-Software-Projekt zu einem Free-Culture-Projekt entwickelt hat.

PL: Fühlt man Nervosität?

Sebastian Kügler: Ja, sicherlich. Wir befinden uns im Moment in der kritischen Phase des Releasezyklus, aber die wirklich harte Zeit liegt hinter uns. Die Ambitionen für KDE4 sind sehr, sehr hoch. Ein solches Release, bei dem die meisten Kerntechnologien ausgetauscht und stark überarbeitet sind, kostet viel Kraft. Wenn man zwei Jahre lang seinen Code nicht in einem offiziellen Release sieht, kann es durchaus demotivierend auf die Community wirken und damit den Prozess noch weiter verlängern. Jetzt, wo KDE 4.0 am Horizont sichtbar ist, die meisten das Ende des Tunnels deutlich vor Augen haben und alle an einem Strang ziehen, beschränken sich diese Diskussionen eigentlich nur noch auf den Zeitpunkt des Releases, und das ist eine wichtige Erkenntnis. Wir sind also deutlich über den Berg.

Den Releasezyklus der zu KDE 4.0 führt kann man wohl am besten mit Linux 2.6 vergleichen. Es sind sehr viele Subsysteme fundamental überarbeitet worden, es braucht etwas Zeit, um alles wieder zusammenzufügen, und möglicherweise funktioniert 4.0 nicht so gut wie 3.5.8. Wenn man allerdings jetzt schaut, wie das Release von Linux 2.6 den Entwicklungsprozess, der bis jetzt zu 2.6.23 geführt hat, unterstützt, kann man erahnen, warum KDE dieses Risiko genommen hat. Ich hoffe, die Benutzer sehen allerdings das Potential und die positiven Seiten.

PL: Viele der KDE-Neuerungen sehen noch nach einem relativ frühen Status der Entwicklung. Selbst die wichtigsten Maintainer geben an, erst Ende November bis Anfang Dezember fertig zu werden. Ist der Releaseplan nicht ein wenig zu knapp bemessen und fürchten Sie sich nicht, dass sie die Anwender mit einer bugverseuchten Umgebung verärgern?

Sebastian Kügler: Das ist so nicht richtig, die wichtigsten Maintainer (dazu zähle ich sicherlich die KDE Libraries, kurz kdelibs), sind sehr zufrieden, wie diese Bibliotheken im Moment aussehen. Tatsächlich hat man im Release Team beschlossen, die kdelibs als Teil der KDE 4 Development Platform schon Ende Oktober/Anfang November zu veröffentlichen. Das soll es für Third-Party-Entwickler einfacher machen, ihre Applikationen auf KDE-4-Technologie zu portieren. Es spricht aber auch deutlich für das Selbstvertrauen der KDE-Community in den wichtigsten Teil der Codebase.

Die Frage spielt vermutlich auf Plasma an. Plasmas Entwicklung wurde relativ spät im KDE-4-Release-Cycle begonnen. Das hat sicherlich mit Abhängigkeiten zu tun. Diese sind einerseits die kdelibs, ohne die man nicht sehr weit kommen würde, aber auch Verbesserungen in Qt, vor allem die neue QGraphicsView, auf der Plasma fußt. Qt4.3 bietet hier schon einiges, trotzdem ist es relativ früh, um darauf vollständig zu setzen. Das holt uns jetzt teilweise ein. Ist Plasma deswegen das große Sorgenkind? Ich weiß nicht. Zeigt Plasma, wie die Community an einem Strang zieht? Sicherlich. Die KDE-Entwickler krempeln die Arme hoch und bringen Plasma auf dasselbe Niveau wie die anderen Module.

Tatsächlich sehen die meisten KDE-Module schon sehr stabil und brauchbar aus. KDE Graphics ist deutlich konsolidiert, am Bildbetrachter Gwenview und dem E-Book Reader Okular sieht man, wie brauchbar die meisten Teile von KDE 4.0 bereits sind. Wenn man sich Module wie KDE-EDU und KDE Games ansieht, bekommt man einen Eindruck von KDE 4.0, der einfach begeistern muss.

PL: Der Termin wird also eingehalten und die Anwender können Anfang Dezember auf ihren Rechnern ein frisches KDE4 installieren?

Sebastian Kügler: Ja, davon gehen wir aus. Allerdings haben auch wir keine magische Kristallkugel. Wenn alle jetzt in der kritischen Phase an einem Strang ziehen, gibt's zu Weihnachten KDE 4.0, mit davor etwas Zeit zum Installieren.

PL:: Auch unter Windows?

Sebastian Kügler: Nein. KDE 4.0 ist das Release für den Desktop. Der Status für KDE-Applikationen auf Windows ist davon unabhängig. Wann Entwickler ihre Applikationen auf Windows veröffentlichen, ist im Moment noch unklar. Die kdelibs laufen schon recht gut auf Windows, wie der Status für einzelne Applikationen aussieht, ist aber abhängig von der Applikation selber. Ich vermute, dass wir in der ersten Hälfte 2008 die ersten stabilen KDE-Programme auf Windows (und Mac OS) sehen. Pläne. den Desktop (Plasma, KWin) auch unter Windows und Mac OS zur Verfügung zu stellen, gibt es derzeit nicht. (Das heißt allerdings nicht, dass es nicht »Verrückte« gibt, die diese Komponenten auf diese Plattformen portieren. Wie es in der Free-Software-Welt halt ist (lacht).

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