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Do, 28. Dezember 2006, 00:00

Das Open-Source-Jahr 2006

Ein kleiner Rückblick

Viel ist passiert im letzten Jahr, Gutes wie Schlechtes. Hunderte von Themen schafften es in die Schlagzeilen von Pro-Linux. Doch wer erinnert sich noch an alles? Wir wollen einmal Rückblick halten und versuchen, die wichtigsten Ereignisse des Jahres 2006 aus dem Open-Source-Blickwinkel zusammenzustellen.

Vorwort

Das Jahr 2006 war von Konflikten geprägt. Nicht enden wollende Auseinandersetzungen lieferten den größten Teil der Schlagzeilen auch im Open-Source-Bereich. Beispiele sind die Forks von cdrecord, OpenWrt und RPM, mögliche GPL-Verletzungen durch Firmen, die Auseinandersetzung um proprietäre Treiber im Linux-Kernel, die unerwartet harte Diskussion um GPLv3, der Kampf der FSF gegen DRM und Patente, das Gefecht der FSFE und der EU gegen Microsoft im Monopolverfahren, das Tauziehen um offene Dateiformate in Massachusetts, Streitigkeiten in und zwischen Debian und Ubuntu, der Trubel um die Markenrechte von Mozilla, Oracles Red-Hat-Klon und schließlich das Abkommen zwischen Microsoft und Novell. Wir sind uns nicht sicher, ob wir auch nur die wichtigsten Streitpunkte aufgeführt haben, doch eines ist klar: Open Source ist in der realen Welt angekommen, und die ist nicht immer freundlich und kooperativ. Als Entwickler freier Software kann man sich heute kaum noch auf das reine Programmieren konzentrieren, sondern sieht sich zunehmend politischen und rechtlichen Fragestellungen ausgesetzt. Doch lesen Sie selbst die Einzelheiten im folgenden Überblick.

Leider mussten wir auf einige Nachrichten verzichten, die uns weniger wichtig erschienen. Aus diesem Grund ermutigen wir alle Leser ausdrücklich, durch unser News-Archiv zu stöbern und sich selbst das Interessanteste nochmal anzusehen.

Januar

Das Jahr beginnt mit einer Meldung über die Freigabe von Kanotix 2005-04. Es sollte das letzte größere Lebenszeichen dieser von vielen gelobten Distribution sein. Im Dezember taucht dann plötzlich die Live-CD Sidux auf, die von ehemaligen Kanotix-Team-Mitgliedern geschaffen wurde.

Während Kanotix sich auf die x86-Architektur beschränkt, sind es bei Debian, dem Paketlieferanten für viele andere Distributionen, einige mehr. Schon am 2. Januar diskutiert man dort wieder einmal darüber, diese Zahl zu reduzieren. Heraus kommen letztlich Kriterien, unter welchen Bedingungen eine Architektur Bestandteil von Debian bleiben kann. Diesen Kriterien wird zum Release von Debian 4.0, der im Jahr 2006 nicht mehr zustande kommt, die m68k-Architektur zum Opfer fallen, während alle anderen fortgeführt werden.

Das einen Monat zuvor freigegebene KDE 3.5 gibt es am 3. Januar als VMWare-Image. Solche Images werden immer beliebter, da sie eine Möglichkeit bieten, neue Software gefahrlos zu testen, ohne eine Live-CD booten zu müssen.

Am gleichen Tag bringt der Linux-Kernel 2.6.15 wieder massive Änderungen und Verbesserungen. Nur noch vier weitere Versionen sollen dieses Jahr folgen, was einem durchschnittlichen Veröffentlichungsintervall von zehn Wochen entspricht - jeweils zwei Wochen für die Integration von Änderungen und acht Wochen für Tests.

Einen Frühstart ins neue Jahr legt auch Terrasoft mit Yellow Dog Linux 4.1 hin. Die speziell für PowerPC-Plattformen geschaffene Distribution liegt technisch mit anderen Linux-Distributionen gleichauf.

Die Debatte über GPLv3, bereits Ende 2005 angekündigt, sollte sich durchs ganze Jahr 2006 ziehen und heftiger ausfallen, als von so manchem vorausgesehen wurde. Einen ersten Vorgeschmack auf die Diskussion gibt es bereits am 10. Januar. Am 17. Januar schlagen die Wellen hoch, als der erste Entwurf der neuen Lizenz vorgestellt wird. Nicht lange danach wird die Auseinandersetzung zwischen FSF und Kernel-Entwicklern durch die Erklärung von Linus Torvalds eingeleitet, dass der Linux-Kernel bei GPLv2 bleibe. Auch am 10. März hat sich an den Positionen beider Seiten so wenig getan, dass Torvalds eine Einigung für unwahrscheinlich hält. Richard Stallman kommt wenig später zu Wort und zeigt keine Kompromissbereitschaft. Für zusätzlichen Zündstoff sorgt eine Entscheidung der von der FSF betriebenen Entwicklerplattform Savannah, keine Projekte zu akzeptieren, deren Lizenz »GPLv2 only« ist.

Die Ankündigung des freien Flash-Players Gnash am 10. Januar sorgt für Furore. Viele Anwender sind daran interessiert, Flash-Filme abspielen zu können, andererseits sehen nur wenige im proprietären Flash-Player von Adobe einen akzeptablen Zustand. Die Entwicklung von Gnash geht kontinuierlich weiter, auch wenn das Produkt Ende des Jahres immer noch als Alpha-Version gilt.

Das Projekt AppArmor wird von Novell gestartet. Wie auch das ähnliche Ziele verfolgende SELinux taucht das Projekt aber das ganze Jahr über nur selten in den Nachrichten auf.

Am 11. Januar beginnt eine neue Ära, als Apple die ersten Intel-basierten Macs vorstellt. Open-Source-Anwender lässt die Meldung eher kalt, doch lassen sich heute nahezu alle Linux-Distributionen, die die x86_64-Architektur unterstützen, auf Macintosh installieren.

Mozillas Mailclient Thunderbird erscheint am 12. Januar in Version 1.5. Bei dieser Version sollte es, von Korrekturen abgesehen, das ganze Jahr bleiben. Die Nachfolgeversion 2.0 bringt es nur bis zum Betastatus.

Ausgerechnet an einem Freitag, den 13., kommt die Meldung, dass Plextor keine Q-Check-Funktionalität mehr unter Linux ermöglicht. Die 130 Kommentare darauf werden jedoch zwei Tage später durch unser Editorial »Die Vista-Chance von Linux« überboten, dessen Vorhersagen wohl in vieler Hinsicht eingetroffen sind. In dieselbe Kerbe haut im September auch Peter Pfläging, IT-Beauftragter der Stadt Wien.

Softwarepatente bleiben das ganze Jahr über ein latentes Thema. Ein Neuer Anlauf für ein EU-Gemeinschaftspatent enthält Passagen, die nach Meinung von Softwarepatent-Gegnern einer »Einführung von Softwarepatenten durch die Hintertür« nahekommt. Alle Versuche der Softwarepatent-Lobby, eine Direktive beschließen zu lassen, scheitern in diesem Jahr jedoch.

Firefox bleibt auch im Jahr 2006 ein heißes Thema. Zunächst belegen neue Studien bzw. Auswertungen, dass Firefox in Europa mehr als 20% Marktanteil hat und weltweit über 12%. Für Irritationen sorgt ein geplantes »ping«-Attribut, doch zugleich wird Firefox von Brandchannel.com unter die zehn einflussreichsten globalen Marken gewählt. Ein anderes Produkt von Mozilla, die eigentlich bereits eingestellte Suite, wird am 31. Januar unter dem neuen Namen Seamonkey in Version 1.0 veröffentlicht.

ReactOS, ein freier Windows-Nachbau in einem frühen Stadium der Entwicklung, muss vorläufig eingestellt werden. Einen Tag danach erklären die Entwickler, dass es Vorwürfe wegen Copyright-Verletzungen gegeben habe und der ganze Code einer Untersuchung unterzogen werde, um rechtliche Probleme zu vermeiden. Erst Ende August sind diese Untersuchungen soweit abgeschlossen, dass - rechtzeitig zum zehnjährigen Projektjubiläum - die neue Version 0.30 veröffentlicht werden kann.

Der FSF-Award 2005 geht an Andrew Tridgell, den Initiator von Samba.

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