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Di, 1. Januar 2002, 00:00

Editorial: Das Jahr der Freien Software

Und wie sieht es anderswo aus? Dort gab es nicht nur Empfehlungen, sondern auch Taten, ob nun in Chile, in der Verwaltung von Largo oder in Polen (wo man sich übrigens gegen eine Software-Steuer entschied): Die Regierungen wollen Freie Software, so scheint es. Auch aus London und Paris gab es Fortschritte zu vermelden. Im Falle von Paris ist das besonders unterhaltsam, da Microsoft eine Reise nach Paris als Belohnung für GNU/Linux-nach-Windows Migrationsstrategien versprach.

Aber auch sonst zeigte sich Microsoft sehr humorvoll: So wurde behauptet, dass durch "Open Source die Innovation behindert" würde, was man dann aber nachträglich auf die GNU General Public License einschränkte (Caldera sah das genauso und man darf sich darüber wundern, dass deren neues Lizenzmodell keine Zwangsregistrierung beinhaltet, aber vielleicht haben sie sich nur nicht getraut, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen). Microsoft ist auch der Ansicht, dass GNU/Linux ein Spielzeug bzw. ein Krebsgeschwür sei (ich will gar nicht wissen, mit was Microsoft-Leute gespielt haben, als sie klein waren). Desweiteren hieß es, dass man mit GNU/Linux nicht weit kommen werde. Dass Microsofts Einschätzungen aber nicht immer ganz zuverlässig sind, kann man aber daran sehen, dass sie immer noch glauben, dass durch das Zurückhalten von Informationen das Internet sicherer würde. Immerhin erkannte Ballmer, dass das freie Betriebssystem die größte Bedrohung für Microsoft ist. Gegen die Angriffe von Microsoft setzte sich allen voran Red Hat zur Wehr.

Auch die deutsche Niederlassung von Microsoft wollte mitspielen, aber einige deutsche Firmen ließen sich das nicht gefallen, was Microsoft Deutschland aber nicht daran hinderte, weiterzublubbern.

Als GNU (mit dem DotGNU-Projekt) und Ximian (mit dem bereits oben erwähnten Mono) gemeinsam einen freien Ersatz für Microsofts .NET erschaffen wollten, taten die Redmonder so, als würden sie das gut finden und erklärten sich bereit, bei Bedarf Details der .NET-Spezifikation klarzustellen. Sollten sie in Folge des Kartellverfahrens dazu gezwungen werden, ihr Office-Paket auf GNU/Linux zu portieren, was durchaus ernsthaft im Gespräch war, so dürften sie das nicht gut finden. Allerdings dürften das die meisten von uns genauso sehen, denn Freier Software würde das wohl kaum nutzen, es dürfte langfristig eher Microsofts Monopol zumindest im Office-Bereich stärken. Zuletzt klärte Microsoft uns noch über Embedded GNU/Linux auf.

Wie sieht es um Embedded-GNU/Linux denn nun wirklich aus? Sicherlich nicht schlecht, auch wenn die Freiheit der Benutzer in diesem Bereich öfter auf der Strecke bleibt, als man sich das wünschen würde. Es erschien nicht nur der Agenda VR3, der erfreulicherweise vollständig auf Freier Software läuft (und über den Pro-Linux deswegen ausführlich berichtete), sondern auch einige andere: Sharp plante einen eigenen PDA und versprach ihn für den Herbst, und er war dann im August auch tatsächlich fertig. Doch auch der lange angekündigte Yopy startete. Darüber hinaus gab es eine Portierung von GNU/Linux für Palm-PDAs. Aber selbst in Hunden fand man das System wieder. Weitere Highlights waren der Simputer, ein PDA mit 10 GB Speicherplatz und eine Armbanduhr von IBM, auf der das linuxbasierte GNU-System lief.

IBM ließ den Worten aber auch sonst Taten folgen: Winmodem-Treiber wurden unter die GNU GPL gestellt, das Dateisystem JFS wurde in der Version 1.0 veröffentlicht und es wurde Großrechner-Zeit verschenkt. Natürlich geschah all das aus kommerziellem Interesse heraus, da der Bedarf an GNU/Linux-Lösungen zunahm, aber das braucht nicht zu stören, solange - Sie können es sich denken - die Freiheit berücksichtigt wird, wie es z.B. im Falle des Programmes Eclipse auch der Fall war.

Man kann leider nicht behaupten, dass alle Unternehmen das tun würden. OK, von Borlands Datenbank Interbase existiert eine freie Variante. Jedoch wurde von Kylix nur eine Version versprochen, die für Entwickler kostenlos ist, die damit GPL-Software schreiben. Eine Weile nachdem Kylix verfügbar war, gab es dann auch die sog. "Open Edition", von der zwar Teile der LGPL unterliegen, doch essentielle Teile sind proprietär, weshalb mit Kylix erstellte Software derzeit für die Freie Software Gemeinschaft leider verloren ist. Bei Kylix 2 wurde die gleiche Strategie verfolgt. Das relativ kleine Projekt Lazarus möchte einen freien Ersatz (unter der LGPL) für Kylix schaffen, aber auf deren Mailingliste hatte ich den Eindruck, dass die Entwickler sich vor allem dadurch gestört fühlen, dass man für Kylix bezahlen muss, wenn man proprietäre Applikationen erstellen will.

Sun Microsystems beteiligte sich zwar nicht am "OS Development Lab" und möchte lieber sein eigenes System promoten statt GNU/Linux, doch scheint es ja bereits zum guten Ton zu gehören, Freie Software zu unterstützen, weshalb Sun die eigenen Aktivitäten auf der SunSource-Website dokumentiert. Aber es wäre nicht gerecht, Suns Engagement als pure Marketing-Aktion zu bezeichnen, denn OpenOffice ist sicherlich ein sehr wichtiges Projekt, und nach Versionen, die für den praktischen Einsatz noch nicht ganz geeignet waren, weil lizensierte Komponenten erst durch freie Varianten ersetzt werden mussten, kamen bald welche, die sich sehen lassen können. Dass Sun auch andere Software freigab, etwa die Grid Engine, soll natürlich nicht verschwiegen werden.

Und sonst? Es geschah viel Positives: Das Audio-Format Ogg, das einen Ersatz für das patentverseuchte MP3-Format darstellt, konnte sogar schon gewisse Erfolge verbuchen, etwa wurde ein eigenes Ogg-Portal errichtet. Passenderweise veröffentlichte die EFF eine Open Audio License. Relevanter dürfte aber die Veröffentlichung eines ganz anderen Dokumentes sein: Die LSB 1.0 soll ein wenig Ordnung in den Aufbau der verschiedenen GNU/Linux Distributionen bringen. Derweil sagte Kernel-Hacker Andre Hedrick dem CPRM den Kampf an. Der CPRM ist eine der zahlreichen Ideen der Lärm- und Flimmer-Industrie, durch die das Kopieren von Daten eingeschränkt werden soll. Neben Andre Hedrick arbeiten natürlich sehr viele weitere Menschen an Freier Software, wobei eine Studie einmal näher untersucht hat, was für Leute das denn sind. Das Free Software Magazine, dessen erste Ausgabe uns 2002 erwartet, ist eine Zeitschrift von und für diese Entwickler (und natürlich alle Benutzer).

Abschließend sollte ich wohl noch eine Prognose für das nächste Jahr geben. Das fällt nicht schwer: Es werden sowohl einige Befürchtungen als auch einige Wünsche Wirklichkeit werden. Meine ganz persönlichen Wünsche sind:

  • Der Bundestag wird Freie Software einsetzen.
  • Debian 3.0 wird mindestens so hochwertig, wie es 2.2 war.
  • SuSEs YaST wird Freie Software.
  • GNU Hurd wird stabiler und gut dokumentiert.
  • Ich schaffe mein Abitur. :-)
  • Es wird allgemein mehr freie Dokumentation geben.

Meine Befürchtungen, die behalte ich für mich. Dass nur wenige von ihnen Wirklichkeit werden, wünsche ich mir am meisten.

  • Dieses Werk wurde unter der GNU Free Documentation License veröffentlicht. Das Kopieren, Verbreiten und/oder Modifizieren ist erlaubt unter den Bedingungen der GNU Free Documentation License, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation.

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