interessierte hat geschrieben:
helft mir bitte in meiner entscheidung und gebt mir bitte ganz konkrete beispiele vom linux-alltag.
Ok. Morgens nach dem Frühstück schalte ich mein Thinkpad ein. Ich hole mit Kontact meine Emails vom Server und lasse Spamassasin die üblichen 90 Spam-Emails automatisch wegwerfen. 10 Emails bleiben, davon 5 mal nicht erkannter Spam und 5 Stück, die ich lesen und im Laufe des Tages beantworten werde. Ich werfe den Firefox an und hole mir die Nachrichten vom Tag. Dann starte ich Eagle oder KiCAD und mache mit meinen Leiterplattenarbeiten weiter. Irgendwer will was und ich gucke mit Git in meinen Quellcodearchiven, mit welcher Version ich eine bestimmte Softwareänderung eingebaut habe. Meine Arbeitskonten verwalte ich mit OOcalc, da sehe ich gerade, dass ich heute mal eine Rechnung schreiben sollte. Mach ich immer mit LaTeX, sieht so wenigstens jedesmal gleich ordentlich aus. Ginge sicher auch direkt in OpenOffice, aber für die paar Stück im Monat habe ich keine Lust, mich da einzufuchsen. Rechnungen und anderes Papiergelumpe, das ich kriege scanne ich mit meinem Uralt-Scanner, für den es für Windows nicht mal mehr Treiber gibt. Zwischendurch guck ich mal ein Youtube-Video oder spiele was im SNES-Emulator.
Um es kurz zu machen: Ich komme ungefähr einmal im Monat mit den Linux-Systeminterna in Berührung weil ich für meine Arbeit irgendeine weitere Software brauche. Das ist dann meistens nur ein "sudo zypper in diesunddas", und es funktioniert einfach. Wenn nicht, muss ich halt gucken, müsste man bei MS-Windows aber ebenfalls. Es flutscht natürlich aber erst so gut, wenn man sich das System so eingerichtet hat wie man es selbst braucht. Je mehr man noch fummeln möchte, desto mehr Zeit muss man sich dafür auch nehmen.
Falls du tatsächlich auf Linux umsteigen willst, solltest du dich mit dem Gedanken anfreunden, dass dein MS-Windows-Fummelwissen dich bei Linux nicht weiterbringt. Im Gegenteil, es behindert dich sogar.
Das fängt schon mit dem Installieren von Software an. Bei MS-Windows klickst du dich im Webbrowser durch irgendwelche Downloadseiten und weißt nie so genau was du überhaupt von wo installierst, bei Linux solltest du stattdessen das Paketverwaltungswerkzeug benutzen. Da gibt man einfach Namen oder Beschreibung der Software an, die man haben will, klickt auf "ich will" und dann lädt er das automatisch von vertrauenswürdiger Stelle runter. Und führt auch Buch darüber, so dass man automatisch für alle installierte Software die Sicherheitsupdates angeboten bekommt und die Software bei Nichtgefallen auch spurlos wieder loswird. Genauso brauchst du bei Linux die ganzen Shareware-Programme für irgendwelche Rechner-Wehwehchen und sonstige Helferlein aus Zeitschriften nicht. Das ist alles schon dabei, oder unnötig. Das meiste von dem Zeug ist auch bei MS-Windows unnötig, aber die meisten MS-Windows-Anwender wollen halt nicht nachdenken, sondern einfach nur ihr gewohntes Dingsbums benutzen. Computer ist schließlich schon kompliziert genug!
Genauso ist es mit der Hardware. Der MS-Windows-Anwender geht in den Laden und kauft irgendwas, was der Verkäufer dort ihm als "gut" empfiehlt. Zuhause flucht er dann leise, denn das ganze geht zwar irgendwie, aber nicht so wie gedacht. Würde der Linux-Anwender so vorgehen, würde er ganz laut fluchen, denn es würde halt oft gar nicht gehen. Die meisten Hardwarehersteller bringen es nämlich gerade so fertig, schrottige MS-Windows-Treibersoftware für ihren Mist zu schreiben. Von Linux-Anwendern würden Sie für den bloßen Versuch, eine ähnlich miese Qualität abzuliefern, falls ein freier Treiber existiert, ausgelacht. Im anderen Fall braucht man das Gerät eigentlich gar nicht zu kaufen. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, besonders loben muss man inzwischen die Firma Intel. Wobei die ihre Treiber auch im Quelltext ausliefern. Die müssen halt keinen Pfusch verstecken.
Der Linux-Anwender muss also vorher nachdenken, was er kaufen will. Bei der Gelegenheit kann er dann gleich im Internet beim günstigsten Anbieter kaufen und bei Nichtgefallen von seinem Rückgaberecht Gebrauch machen. Der Blödmarkt guckt dann halt in die Röhre.
Was der Linux-Anwender schließlich auch immer beachten muss, wenn er Daten mit MS-Windows-Anwendern austauscht: Wenn irgendwas nicht geht, liegt es immer an ihm und seinem "komischen Linux". Dass die seltsame PPD-Datei mit eingebettetem VBA und irgendwelchem Accessmüll auch auf mehr als der Hälfte der MS-Windows-Rechner im Postverteiler auch nicht laufen wird, weil da kein aktuelles MS-Office drauf ist, ist uninteressant. Der Pfuscher am Windowsrechner ist im Recht, denn er benutzt schließlich das "richtige" Werkzeug, was alle benutzen, die einen Rechner "professionell" einsetzen. Man muss sich ein dickes Fell zulegen und vieles einfach ignorieren. Die meisten Dateien kann man ja mit Konvertern lesen und vieles sogar editieren. Mit den anderen hat man wie gesagt nicht als einziger Probleme und dann fällt der "Profi" halt auf die Nase. Man selbst erzieht sich umgekehrt dazu, anderen immer etwas simples, überall funktionsfähiges zuzuschicken und die Leute wissen das dann auch irgendwann zu schätzen.
So, für das erste Posting zu dem Thema hab ich eigentlich schon viel zu viel geschrieben.
Janka
Ich vertonne Spam immer in /dev/dsp statt /dev/null.
Ich mag die Schreie.