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Fr, 11. November 2016, 10:55

Gesellschaft::Politik/Recht

Gutachten fordert Ende des Linux-Einsatzes in München

Ein Gutachten von Accenture, das vom Oberbürgermeister in Auftrag gegeben worden war, wurde jetzt erstmals im Stadtrat erörtert. Offenbar will das Gutachten suggerieren, dass es eine überdurchschnittliche Unzufriedenheit mit LiMux gebe und dass Probleme mit freier Software grundsätzlich unlösbar seien.

Stadt München

Während das Gutachten selbst noch nicht öffentlich ist, liegen bereits einige Aussagen über die Inhalte vor, die in einer Stadtratssitzung kürzlich diskutiert wurden. Die Umstellung auf LiMux, die an Münchner Bedürfnisse angepasste Version von Linux, war im Jahr 2013 erfolgreich abgeschlossen worden. Dabei wurden im Vergleich zu Windows und MS Office viele Millionen Euro gespart. Doch die Kritik an LiMux aus konservativen und Microsoft-freundlichen Kreisen war seither nie verstummt. Jedesmal, wenn es ein Problem gab, wurde dies auf Linux oder Open Source geschoben. Dabei wurde geflissentlich ignoriert, dass es mit proprietärer Software dieselben und noch mehr Probleme gegeben hätte.

Selbst der amtierende Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) war schon von Anfang an gegen freie Software, doch konnte er sich im Stadtrat gegen seine eigene Partei nicht durchsetzen. So holte er sich zur Unterstützung seiner Position die Firma Accenture ins Boot, die ihm ein mundgerechtes Gutachten erstellen sollte.

Die wesentlichen Aussagen des Gutachtens gehen aus der Sitzungsvorlage Nr. 14-20 / V 07004 hervor. Angeblich gibt es eine zu geringe Zufriedenheit der Mitarbeiter mit der IT (50-60%). Einige Fachverfahren sind immer noch nicht für Linux verfügbar, so dass nach wie vor Windows-Rechner und MS Office in einigen Abteilungen nötig sind. Dies scheint etwa 4.000 der 20.000 eingesetzten Rechner zu betreffen.

Die Gutachter wollen Probleme mit dem Alter und der Diversität der eingesetzten Betriebssysteme (wohl veraltete Windows-Installationen), fehlender Kompatibilität zwischen Anwendungen und Betriebssystemen, nicht nutzerfreundlicher Bürosoftware (LibreOffice), Druck von Dokumenten, Austausch von Dokumenten mit externen Partnern und die Abhängigkeit von Anbietern wie Oracle und SAP, die ihre Client-Produkte teils nur für Windows anbieten, erkannt haben. Erschwerend kommt noch ein Kompetenzgerangel zwischen den drei für die IT zuständigen Abteilungen hinzu. Das Gutachten empfiehlt daher auch, die IT unter einer verantwortlichen Stelle zusammenzufassen.

Die nach wie vor erforderlichen Windows-Clients führen zu erhöhten Kosten für die notwendige Infrastruktur. Außerdem hat diese Infrastruktur nicht denselben Reifegrad wie die für LiMux. Trotzdem zieht das Gutachten daraus nicht etwa den Schluss, die komplette Abschaffung von Windows zu forcieren, sondern im Gegenteil solle ein Windows-Client komplett neu aufgebaut werden, während LiMux nur noch punktuell verbessert werden und Aktualisierungen schneller vorgenommen werden sollen. Dass man damit die mühsam errungene Freiheit wieder komplett aufgeben und gleichzeitig immense Kosten verursachen würde, scheint die treibenden Kräfte dieses Gutachtens nicht zu interessieren. Die zahlreichen Abteilungen der Münchner Stadtverwaltung konnten bereits ihre Stellungnahmen zu dem Gutachten abgeben, wobei einige zustimmend, einige ablehnend und andere neutral reagierten. Die Umsetzung der Gutachtens würde in den nächsten vier Jahren 18,9 Mio. Euro kosten.

Matthias Kirschner, Präsident der Free Software Foundation Europe (FSFE), hat starke Zweifel an dem Gutachten geäußert. Accenture betreibe zusammen mit Microsoft die Firma Avanade, die Microsoft-Produkte in Unternehmen bringen will. Neutralität sei daher von Accenture nicht zu erwarten.

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