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Mo, 16. Juli 2018, 14:14

Software::Video

AV1: Ende der »Video-Besteuerung« im Web?

Der neue freie Video-Codec AV1 ist als Nachfolger für H.264 konzipiert, dem er weit überlegen ist. AV1 gehört zu den besten derzeit verfügbaren Video-Codecs und seine Entwickler hoffen, dass er sich auf breiter Front durchsetzt.

aomedia.org

Videos online anzuschauen, kostet Geld, selbst wenn die Benutzer davon gar nichts mitbekommen. Das ist zumindest dann der Fall, wenn der Video-Codec H.264 zum Einsatz kommt. Laut Mozilla ist das bei 80% aller Videos im Web der Fall. Grund dafür ist, dass H.264 patentiert ist. Wer Videos in diesem Format bereitstellt, muss Lizenzgebühren zahlen. Große Unternehmen wie Youtube oder Netflix zahlen jährlich Millionen dafür.

Obwohl freie Alternativen existieren, die annähernd so leistungsfähig sind wie H.264, haben sie keine Verbreitung gefunden. Für H.264 sprach vor allem, dass es zuerst da war, nahezu überall funktioniert, und dass die Dekodierung und manchmal auch die Kodierung in vielerlei Hardware eingebaut wurde, um sie sehr effizient zu bewerkstelligen.

Schon vor mehr als fünf Jahren begann jedoch die Entwicklung der nächsten Generation von Video-Codecs. Dabei konkurrierten mehrere Gruppen um den kommenden De-Facto-Standard. Diese Codecs sollen bei gleicher Bildqualität eine doppelt so hohe Kompression wie aktuelle Verfahren erreichen. Die MPEG und die ITU-T Video Coding Experts Group (VCEG) entwickelten mit High Efficiency Video Coding (HEVC) oder H.265 einen Nachfolger für H.264. Bei H.265 war jedoch von Anfang an klar, dass dieser Standard mit Patenten belastet und damit für freie Software weitgehend inakzeptabel sein wird.

Als Alternative schuf Google mit VP9 einen freien Nachfolger des WebM-Codecs VP8. Xiph.org begann die Entwicklung von Daala, unterstützt von Mozilla, und Cisco schwang den Hammer von Thor gegen H.265. Doch wahrscheinlich hätten auch diese Codecs nicht genug Masse vereinen können, um sich gegen H.265 durchzusetzen.

2015 verbündeten sich daher Mozilla, Google, Cisco, Amazon, Netflix, AMD, ARM, Intel, Nvidia und weitere Unternehmen und gründeten AOMedia. In diesem entstand ein neuer freier Video-Codec: AV1. AV1 beruht überwiegend auf VP9 und integriert Elemente von Daala, Thor und VP10.

AV1 ist für jeglichen Einsatz lizenzfrei. Was jedoch für die Praxis noch weit wichtiger sein dürfte, ist seine technische Überlegenheit. Im Vergleich zu H.264 sind AV1-Videos nur etwa halb so groß. Ihre Bitrate beträgt lediglich 55 Prozent der von H.264 mit den üblichen Einstellungen. H.265/HEVC kommt je nach Einstellungen noch auf 67 bis 87 Prozent der Bitrate von H.264. AV1 komprimiert also bei gleichbleibender Bildqualität wesentlich besser. Details zur Funktionsweise von AV1 liefert ein Beitrag auf Mozilla Hacks.

Die Spezifikation von AV1 1.0 wurde Ende Juni fertiggestellt. Open-Source-Implementationen von AV1, darunter die Referenzimplementation, dürften nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die wichtigsten Browser-Hersteller werden wohl die Dekoder-Seite noch in diesem Jahr in die Browser integrieren. In Spielekonsolen, Set-Top-Boxen und anderen Geräten könnte es 2019 erscheinen. Hardware-Unterstützung in Grafikkarten könnte 2020 kommen. Noch nie standen die Chancen für einen freien Video-Codec so gut, denn auch die IETF sucht nach einem lizenzfreien Codec der neuesten Generation, und AV1 ist aktuell der beste Kandidat dafür. So hofft Mozilla gemeinsam mit den anderen Unterstützern von AV1, dass die Ära der »Video-Besteuerung« im Web bald zu Ende geht.

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