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Di, 25. September 2018, 15:51

Software::Kernel

Bedenken gegen die Verhaltensrichtlinien der Linux-Kernel-Entwickler

Die neu geschriebenen Verhaltensrichtlinien, an die sich künftig alle Linux-Kernel-Entwickler halten sollen, haben für einige Kritik gesorgt. Auch Eric Raymond hat sich nun zu Wort gemeldet, und ein anonymer Troll fordert die Entwickler auf, ihren Code aus dem Kernel zurückzuziehen.

Larry Ewing

Die letzte Woche begann mit einem Paukenschlag, als Linus Torvalds eine wohl rund vierwöchige Auszeit vom Kernel ankündigte. Kurz zuvor hatte Torvalds noch ein neues Dokument mit Verhaltensrichtlinien in den Kernel eingebracht. Geschrieben wurde das Dokument, ebenso wie sein Vorgänger, der seit Linux 4.0 geltende »Code of Conflict«, von Greg Kroah-Hartman, unterstützt wurde es von einer Handvoll weiterer Entwickler und Mitgliedern des technischen Beirats der Linux Foundation (der Beirat wird aus dem Kreis der Kernel-Entwickler gewählt).

Beide Ereignisse stehen in Zusammenhang, denn Torvalds gehört nicht zu denjenigen, die freundlich bleiben, wenn sie von Entwicklern mit schlechtem Code oder schlechtem Verhalten belästigt werden. Besonders bei wiederholten Verfehlungen schlägt Torvalds, ebenso aber auch einige andere Entwickler, oft einen schärferen Ton an. Dies missfiel aber schon immer einem Teil der Gemeinschaft, zu dem durchaus auch renommierte Entwickler zählen. Sie sind der Meinung, dass diese Ausfälle unprofessionell, verletzend und letztlich ein Schaden für die Gemeinschaft sind. Um so mehr, wenn der betroffene Entwickler eigentlich in bester Absicht gehandelt hat.

Die Begründung für den neuen »Code of Conduct« ist, dass der ursprüngliche Code of Conflict sein Ziel verfehlt habe. Der neue »Code of Conduct« soll nun für alle Kernel-Bereiche gelten und den Kernel zu einer freundlicheren Umgebung machen. Der Text beruht auf der Vorlage von www.contributor-covenant.org. Gleich nach Bekanntgabe der Änderung wurde zahlreich Kritik geäußert, vielfach allerdings von außerhalb des Kernels. Auf der Kernel-Mailingliste selbst nahm die Diskussion keinen breiten Raum ein, hier dürften allerdings die relevantesten Beiträge zu finden sein. Die Kritik stößt sich daran, dass die Regeln sehr allgemein und an manchen Stellen unklar formuliert sind, und dass gleich mit Gegenmaßnahmen wie Ausschluss gedroht wird, was zu Zensur oder Selbstzensur führe. Wie schon im Vorgängertext sind die Mitglieder des technischen Beirats der Linux Foundation als Mediatoren vorgesehen, die Umsetzung von Maßnahmen liegt aber in den Händen von anderen. So gehen beispielsweise die Verwalter der Mailinglisten schon heute gegen Spammer, aber auch, in sehr seltenen Fällen, gegen Trolle vor.

Konkret schrieb Edward Cree, dass der »Code of Conduct« für ihn unangenehm und eine Bedrohung sei. Er leide am Asperger-Syndrom und könne sich daher kaum in andere Menschen einfühlen. Daher müsse er immer sehr vorsichtig sein mit dem, was er schreibe. Der »Code of Conduct« mache das viel schlimmer, da er nun befürchten müsse, nach einem unbeabsichtigten Fehlverhalten ausgeschlossen zu werden.

Mit einer tiefergehenden Analyse des Phänomens meldete sich Eric Raymond zu Wort und stellte Zusammenhänge zu Kultur und Ethik her. Sein Beitrag sollte nach seinen eigenen Angaben nur Argumente liefern, aber keine Position beziehen. Stark verkürzt lautet sein Kommentar, dass der Übergang von einem kaum reglementierten System zu so starken Regelungen wie dem »Code of Conduct« von vielen Entwickler als Verschlechterung empfunden würde und sie dadurch von der Mitarbeit abschrecken könnte. Seiner Meinung nach wurde noch kein Projekt besser, nachdem es einen »Code of Conduct« eingeführt hat.

Derweil gibt es einen anonymen Schreiber auf der Mailingliste, der die Kernel-Entwickler, die aufgrund des »Code of Conduct« ausgeschlossen wurden, dazu auffordert, dem Kernel die Lizenz an ihrem Code zu entziehen. Durch sein Vorgehen, das einem Spammer in nichts nachsteht, hat sich dieser Schreiber allerdings bereits disqualifiziert, Reaktionen erhält er keine mehr. Auch wurde sehr wahrscheinlich noch niemand ausgeschlossen und es ist wenig wahrscheinlich, dass dies je passieren wird. Ted Ts'o und andere Mitglieder des technischen Beirates bekundeten, keinerlei Interesse daran zu haben, jemanden ausschließen zu wollen. Die Lizenz zu entziehen, ist technisch gesehen auch gar nicht möglich - die GPLv2 sieht den Verlust der Lizenz nur im Fall einer Lizenzverletzung vor. Von einem juristischen Standpunkt aus könnte ein Lizenzentzug dagegen möglich sein. Eric Raymond, der allerdings auch kein Jurist ist, glaubt, dass die Gesetze der meisten Staaten einen Lizenzentzug ermöglichen, unabhängig davon, was die GPLv2 sagt. Es bestehe daher eine reale Gefahr, dass einzelne verärgerte Entwickler dem Kernel schaden könnten. Das sollte mit berücksichtigt werden, wenn der »Code of Conduct« weiter diskutiert wird.

Damit gibt es derzeit mindestens drei Strömungen, die die Zukunft des »Code of Conduct« im Kernel beeinflussen. Einige wollen ihn unverändert beibehalten, weil sie sich davon eine Verbesserung erhoffen und keine schlimmen Auswirkungen in der Praxis erwarten; einige betrachten den Text als Vorlage, die angepasst und klargestellt werden sollte, und einige wollen ihn ganz entfernt wissen. Welche Meinung sich letztlich durchsetzt, wird sich wahrscheinlich erst zeigen, wenn Torvalds wieder zurück ist.

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