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Thema: Entfernung der x32-Subarchitektur aus Linux vorgeschlagen

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Von Missjö am So, 16. Dezember 2018 um 11:00 #

Das ist echt eine interessante Information. Mir ist jetzt noch nicht klar, ob der Zertifizierungsprozess auch die Eagle Softwareversion beinhaltet. Nach dem Kauf durch Autodesk wurde das gesamte Eagle schließlich komplett umgekrempelt und ist damit ähnlich weit von dem ursprünglichen Tool entfernt wie KiCAD.

Kannst du das noch etwas ausführen, welche Schritte durch so einen Zertifizierungsprozess fest gehalten werden müssen und ab wann bereits eine neue Zertifizierung für das gesamte Produkt erforderlich ist? Bei der Hardware selbst kann ja schon ein anderer Lieferant z.B. Für Elkos großen Einfluss auf das Endprodukt haben.

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    Von Nils am Mo, 17. Dezember 2018 um 17:25 #

    Das kommt immer ganz auf den Kunden an - was der verlangt.

    Das kann nach irgendwelchen Normen gehen oder nach vom Kunden definierten Vorgaben. In diesem Fall hat der Kunde seine eigenen Vorgaben zusätzlich zu verschiedenen Normen als Regelwerk definiert.

    Dieser Kunde verlangt eine bestimmte Eagle-Version, damit da keine Probleme bei Updates auftreten.
    Das Betriebssystem ist dabei Linux, Windows wurde ausgeschlossen. Eine bestimmte Distribution wurde nicht festgeschrieben.
    Der Kunde sagt damit: "Eine ältere Eagle Version inkl. benötigter System-Libraries auf einem aktuellen Linux System zum Laufen zu bringen mag zwar einiges Aufwand bedeuten, aber das ist immer noch besser als Windows 2000 im Jahr 2018 benutzen zu müssen" - Kann ich nur unterschreiben.
    Denn, wenn ich 10 Stunden damit verbringe, das zum Laufen zu bekommen, kostet das den Kunden gar nichts - mein Problem. Wenn die Techniker bei dem Kunden selbst das tun kostet ihn das immer noch weniger, als wenn irgend ein Virus auf dem Win2000 Rechner die Daten frisst oder nach China schickt.

    Wie der Zertifizierungsprozess an sich aussieht weiss ich als kleiner Dienstleister nicht. Ich bekam eine knapp 40 seitige Anforderungsliste. Dort stehen dann auch Sachen drin, welche Schriftart in welcher Grösse und auch wie fett die sein darf.
    Da stehen auch Sachen drin, wie die Daten "transportiert" werden dürfen.
    Der Arbeitsrechner darf nicht am Internet sein, ich muss für alle loschgeschickten Daten ein Backup vorhalten, die Daten müssen auf CD gebrannt werden oder auf USB Sticks kopiert werden und dürfen nur von einem Kurier oder persönlich beim Auftraggeber abgegeben werden.

    All diese Vorgaben für Arbeitsabläufe entstanden aus dem Zertifizierungsprozess. Wenn all das eingehalten wird, kann sich der Kunde sicher sein, dass sein Produkt auch wirklich sein Produkt ist. Und wenn dann nämlich doch was im Argen damit ist, greift die Versicherung - man hat sich ja an alle Vorgaben gehalten.

    Wenn auch nur ein einziges Bauteil nicht mehr lieferbar ist, geht das ganze von vorne los.
    Dafür hat man aber Laufzeitverträge mit Herstellern und Fertigern. Man geht Verträge mit Herstellern ein, die einen verpflichten jedes Jahr X-tausend Stück von einem Bauteil abzunehmen, dafür wird einem garantiert, dass die Bauteile in 20 Jahren immer noch verfügbar sind.
    Das Produkt wurde 1997 entwickelt und seit Mitte 1998 genau so wie heute produziert. Dementsprechend sind da "veraltete" 8051 Controller, PAL/GALs, SRAM, OTP-Flash-Bausteine usw verbaut, die man so heute nicht mehr mit Handschuh anfassen würde - viel zu Aufwändig verglichen mit heutigen Möglichkeiten.

    Dann gibt es auch noch Vertragsstrafen. Wenn ein Hersteller sich nicht dran hält, muss der für den Aufwand aufkommen, der entsteht - oder vielleicht sogar noch mehr - die Details sind mir nicht bekannt. Andersherum muss der Kunde auf jeden Fall jedes Jahr die abgemachte Menge Bauteile abnehmen - bzw zumindest bezahlen. Wenn er die Teile nicht will fliegen die halt auf dem Müll.

    Um aus diesem Grund gibt es auch mehrere Fertiger, die das produzieren können. Wenn einer grade nicht kann, kommt 1:1 das selbe Produkt halt vom Nächsten.

    Bei Änderungen wie z.B. der Beschriftung, müssen da dann Testläufe bei mindestens zwei Fertigern gemacht werden, die dann von den Service- und Montagetechnikern beim Kunden penibel genau darauf geprüft werden, ob alles nach den 40 Seiten Vorgabe gemacht wurde.

    Das beinhaltet noch keinerlei elektrische oder software-Tests.

    Für jeden neuen Kunden meines Kunden, für den ich das mache, wird die Platine neu bedruckt.
    Alle 6 Monate gibt es theoretische Software Updates, die Version muss dann fest auf die Platine gedruckt sein, keine Ausfüllfelder für Folienstift/Aufkleber um Betrug zu verhindern.
    Die Flash Bausteine sind OTP (One Time Programmable) und erlauben somit auch keine Änderungen mehr.
    Die Flash-Bausteine werden mit speziellem Kleber an den Rändern an der Platine verklebt, der sich nur wegbrechen lässt und dabei die Platine beschädigt.

    Auch wenn das Software Update nach 6 Monaten nicht kommt, wird das auf der Platine vermerkt. Es gibt auf jeder Platine eine Historie von 3 Jahren.

    Jeder Schritt von der Erteilung des Auftrags zur Herstellung der Platine bis zur Inebtriebnahme muss nachweisbar sein. Hauptsächlich, weil es dabei um Sicherheitsaspekte geht, die Menschenleben betreffen. Wenn was ist, sucht der Staat den Schuldigen.

    Uff das wurde jetzt ganz schön lang... Wenn du noch mehr wissen, kannst du gerne noch mehr Fragen stellen. Nur zu Details wie "Wer?" oder "Was?" muss ich schweigen.

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      Von Nils am Mo, 17. Dezember 2018 um 17:35 #

      Eins kann ich zur Verwendung doch noch sagen, es geht dabei um Steuerungen zur Herstellung und um Qualitätskontrolle bei Lebensmitteln die mit Fleisch zu tun haben.
      Die Kunden meines Auftraggebers befinden sich dabei rund um den Globus und jedes Land hat andere Vorgaben, darum auch die lückenlose Dokumentation der Versionen usw.
      Jeder Kunde hat ein anderes Programm. Wenn sich Gesetze ändern, kann es sein, da muss eine andere Steuerung rein, wegen neuer Vorgaben und OTP-Speicher.

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        Von Nils am Mo, 17. Dezember 2018 um 17:43 #

        ... und noch was vergessen, im ersten Absatz ganz oben, wo es um Eagle/Linux/Windows geht:

        In der ganzen Zeit seit der Entwicklung wurde die Eagle-Version nur ein einziges mal angehoben. Das war 2007 um mit Fertigern auf einen Nenner zu kommen.

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          Von Missjö am Mo, 17. Dezember 2018 um 19:16 #

          Herzlichen Dank für die extrem ausführliche Antwort! Das ist für mich ein sehr wertvoller Blick in den Bereich einer sehr strengen und qualitätsbewussten Fertigung. Ich bin am ganz anderen Ende im Elfenbeinturm Vorentwicklung unterwegs; da kratzt uns so eine Softwareversion natürlich erst mal gar nicht. Da stellen sich in Bezug auf 'Qualitätssicherung' überspitzt nur banale Fragen wie "Fängt das spontan an zu brennen?", "Überlebt das wenigstens meinen Versuchsaufbau?"...

          Da wir auch nicht im Lebensmittelzweig oder der Pharmaindustrie aktiv sind, ist unsere Qualitätssicherung weniger umfangreich. Da wäre so ein Umstieg auf KiCAD in der Hardwareentwicklung wahrscheinlich sogar zwischen zwei Softwareversionen mit einem kleinen Regressionstest abgefrühstückt.

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