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Thema: Debian-Projektleiterwahl mit fünf Kandidaten

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Von klopskind am Mi, 20. März 2019 um 20:21 #

"Natürlich schwingen bei Debian stark ausgeprägte ideologische Züge mit, ..."

Ich würde diese Züge nicht ideologisch, sondern ethisch nennen. Und das ist wohl auch das "Erfolgsgeheimnis" von Debian. Die allermeisten Beitragenden sind überzeugt von dem, was sie tun, und handeln aus Überzeugung.

Nenn es, wie du's magst. Für mich sind es zwei Seiten der selben Medaille.

Ich finde es jedenfalls fraglich, inwieweit das Debian-Projekt tatsächlich davon profitiert, bspw. Firmware, die nicht der DFSG entspricht, von den Standard-Installationsmedien bzw. aus main absichtlich zu entfernen. Diese ist teilweise für eine erfolgreiche Installation absolut erforderlich (z.B. WiFi).
Die Absicht hinter jener Entscheidung und die damit vermittelte Botschaft wird jedem potentiellen Anwender spätestens beim Fehlschlagen der Installation klar, und ich weiß Debians Konsistenz und Vehemenz in dieser Argumentation für diesen Punkt wirklich zu schätzen.

Aber ich vermute, dass diese Herangehensweise dem Projekt insgesamt eher schadet, als sie ihm nützt. Die allermeisten anderen Distros - sogar die kommerziellen - schaffen es, die Firmware auf dem Wege des geringsten Widerstands zu verteilen, meistens unter der Formulierung einer Ausnahme der selbst auferlegten, allgemeinen Paketierungsrichtlinien.

Natürlich stellt Debian für genau dieses Problem Installationsmedien mit "unfreier" Firmware bereit - wohlgemerkt inoffiziell und gut versteckt. Das ist eine unnötige Hürde für eine möglichst breiten Einsatz Debians. Das Argument, dass jene potontiellen Anwender, die an diesem Problem bereits "scheitern", sowieso nicht in/um Debian erwünscht sind, zeugt von einem Elitarismus, der hier wirklich fehl am Platze ist. Sogar ein Herr Torvalds ist mit solchen unnötigen Verkomplifizierungen nicht glücklich [0]. Das heißt gleichzeitig aber nicht, dass er ein Verfechter "unfreier" Firmware wäre.

Hinzu kommt noch das Beharren auf Inkompatibilitäten zwischen DFSG und der 'invariant sections' der GFDL [1]. Stattdessen wird Dokumentation nach nonfree verbannt und kann standardmäßig nicht installiert werden. Der Status besteht bis heute.
Jede andere ernstzunehmende Distro verhält sich hier pragmatisch und vernünftig, z.B. mittels Ausnahmeregelungen für die GFDL, wenn es sein muss.

Inkonsequenterweise kümmert sich Debian ein feuchten Furz in rechtlichen Fragen/Angelegenheiten, wenn es um die Paketierung patentierter Software geht. Das hat zwar für den gemeinen, häuslichen Hobbyanwender einen schönen Nebeneffekt des Vorhandenseins diverser Multimediacodecs im Binärformat, aber inkonsequenter geht es nun wirklich nicht.

Gleiches gilt für diverse Forks, z.B. von Mozillas Software, die über Jahre unnötige Spannungen im Ökosystem verursacht haben.

Wer möchte unter diesen Bedingungen gerne freiwillige Beiträge zu diesem Projekt leisten?

Es sind diese (vielen, kleinen) Details, die das Gesamtbild trüben. Vernunft und Pragmatismus seitens Debian kann ich hier bei Leibe nicht erkennen. Es werden Entscheidungen für Maßnahmen aufgrund einer Überzeugung, nicht der Vernunft, gefällt, die dem Projekt vermutlich eher schaden.
Deshalb schwingt das Pendel bei Debian aus meiner Sicht eher in Richtung Ideologie ggü. einer Ethik.
Ideologisch nenne ich Dinge dann, wenn ein fast "heiliger" Kodex zur Wahrung von Werten, die bei der Formulierung des Kodex teils unbeachtet geblieben sind, ohne Bereitschaft zum Kompromiss und ohne der Aufnahme von Ausnahmen strikt angewendet wird.
Ein Kodex kann nicht alle Situationen abbilden und muss stetig angepasst und erweitert werden. Die Welt ist komplizierter und facettenreicher als Regeln, die in Stein gemeißelt wurden, und das macht sie auch so schön.

Da das Projekt viele starke Persönlichkeiten hat, braucht es keinen "starken Führer", der den anderen permanent klarmacht, "wo es lang zu gehen hat", nicht einmal einen "wohlwollenden Diktator" und schon gar keinen auf "Lebenszeit".
Das war auch nicht meine Absicht. Zwischen der jetzigen Rolle des DPL und einem "wohlwollenden Diktator" liegen Welten. Eventuell trifft man sich ja bei einem Fünftel in dem gesamten Spektrum dazwischen. Ein finanziell unterstützter DPL mit nahezu den selben Kompetenzen wie bisher (aber dann auch mit "Pflichten") wäre in meinen Augen jedenfalls ein Gewinn für Debian als Projekt.

Die Kompetenz des Delegierens beim DPL würde im Debian-Projekt auch gar nicht funktionieren, da die Beitragenden dem DPL zu nichts verpflichtet sind.

Ein Dankeschön für den Austausch deiner Ansichten

--
[0] DebConf14 QA with Linus Torvalds
[1] GFDL - invariant sections

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