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Thema: Welche Lizenz bevorzugen Sie bei Anwendungen?

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Kommentare von Lesern spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider.
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Von kraileth am Mo, 11. September 2017 um 06:55 #

Was den Erziehungsaspekt angeht, möchte ich diesen etwas differenziert wissen, dann kann ich damit leben. Das, was man geschichtlich unter „antiautoritärer Erziehung“ verstand, ist grausam und unbedingt abzulehnen. Kinder brauchen sowohl Anleitung von Erwachsenen als auch deutlich gesetzte Grenzen. Das Auto zerkratzen, weil es so schön klingt? Geht natürlich gar nicht. Mit dem Glimmstängel ankommen? Nicht bei mir. Die Kinder müssen nach blöden Aktionen keine Angst haben, nach Hause zu kommen, aber ich kann schon auch etwas lauter werden (was manche Leute als unheimlich „autoritär“ auslegen). Eine gewisse Schärfe hat da, wo sie nötig ist (Ermessenssache) durchaus seine Berechtigung.

Wo immer möglich funktioniert aber am besten: Erziehung durch Vorbild. Bei Kindern sowieso, aber auch bei Erwachsenen. Und genau hier mache ich den Unterschied: Einwirken auf seine volljährigen Mitmenschen geht eigentlich nur von Gleich zu Gleich. Und damit fällt die „autoritäre“ Methode aus - denn wer bin ich, anderen im Befehlston irgendetwas Weltanschauliches vorschreiben zu wollen? Davon abgesehen, daß es ziemlich sicher seine Wirkung verfehlen wird: Meine Mitmenschen ständig damit zu nerven, daß Fleischkonsum echt ungesund ist (und sie damit dringend aufhören sollten) dürfte ein ziemlich sicherer Weg sein, sicherzustellen, daß sie weiterhin Fleisch essen. Wer angegriffen wird, schaltet natürlicherweise in eine Abwehrhaltung. Anderes Beispiel: Der Wagen hinter mir drängelt, obwohl ich selbst schon knapp 20 km/h drüber bin. Klar, mir kann jetzt einfallen, daß ich es heute wirklich gar nicht eilig habe und daß 45 auch reichen (und dabei sicherstellen, daß ich garantiert trotzdem nicht überholt werde). Das typische „Verkehrserzieher spielen“ eben. Nur: Von „Erziehung“ bleibt da gar nichts, ich erziehe nicht, sondern reize den anderen nur bis aufs Blut. Da ich nicht höher von Rang bin, spiele ich effektiv Hilfssheriff - und das kann im Kleinen ganz schön anmaßend rüberkommen (und wirkt dann kontraproduktiv). Anders sieht es meiner Ansicht nach aus, wenn ich einen Betrunkenen davon abhalte, in sein Auto zu steigen - dann bin ich höher im „Rang“, da nüchtern.

Genau das trifft aber auch bei den Firmen zu: Nur weil ich mich moralisch höher stehend wähne, habe ich ihnen gesellschaftlich noch gar nichts zu sagen. Sie würden sich wahrscheinlich auf den konkurrierenden Standpunkt stellen: „Was willst du eigentlich - der Erfolg gibt schließlich UNS recht!“. Anders sieht es natürlich bei Eigentum aus. Wenn jemand auf die Idee käme, meinem Gartenzaun einen Anstrich in einer anderen Farbe zu verpassen, würde ich ihn fragen, ob er einen Schaden hat. Ist schließlich meiner und unterliegt damit auch alleine meiner Entscheidungsbefugnis. Ebenso bei von mir geschriebenem Code: Ich bin der Urheber, ich entscheide. Das ist auch der Grund, warum ich natürlich akzeptiere, wenn jemand Code unter die GPL stellt. So weit kann ich Dir entgegenkommen.

Ich halte es aber - aus den vorher schon angeführten Gründen - für sinnvoller, eine permissive Lizenz zu wählen. Denn Deine Position läuft genau darauf hinaus, was ich der GPL unterstelle: „Solange in dieser Gesellschaft die Menge verfügbaren Geldes als Maßstab für Erfolg und sozialen Status dient“, usw. Hier arrangierst Du Dich mit den herrschenden Verhältnissen, obwohl sie Dich stören. Damit stützt Du sie sogar gewissermaßen.

Dem von Dir postulierten volkswirtschaftlichen Schaden möchte ich auch widersprechen, bzw. der direkten Ursache. Denn die liegt meiner Ansicht nach weniger im rücksichtslosen Verhalten der erfolgreichen Firmen als vielmehr darin, daß die Mehrheit der Bevölkerung diese Maßnahmen unterstützt. Wenn der Käufer ethische Entscheidungen treffen würde (vorausgesetzt, seine wirtschaftliche Situation ermöglicht es - denn das ist wieder ein ganz anderes Problem!), wären etwa Massentierhaltung und Intensivlandschaft, welche die Natur ruinieren und zu „Nahrung“ in Abfallqualität aber zu billigen Preisen führen, am Ende. Da sind wir aber noch nicht, auch wenn die Entwicklung langsam (quälend langsam) weiter in diese Richtung gehen wird (um mal Wahrsager zu spielen).

Und zum Schluß das wichtigste: Es ist immer vielversprechender, den Schwung des Gegners zu nutzen, anstatt riesige Kraft (die man vielleicht gar nicht hat) aufbringen zu wollen, um dienen erst zu stoppen und dann noch einen Konter zu versuchen. Ja, die Großkonzerne sind praktisch durch die Bank weg unethisch. Ich reiche ihnen trotzdem die Hand (in der Überzeugung, daß das keine Teufel sind, sondern moralisch unreife Menschen) und suche nach Möglichkeiten, den beiderseitigen Vorteil zu erringen. Langfristig, davon bin ich überzeugt, setzen wir uns damit durch. Wenn wir uns nur in den Weg stellen, bekommen beide Seiten blaue Flecken (wir sicherlich einige mehr) und die größere Gewalt setzt sich durch. Ich mag aber Gewalt nicht so richtig gern.

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    Von Frank F. am Mo, 11. September 2017 um 07:36 #

    Hört sich ja alles sehr schön an, scheint aber z.B. im Falle von Apple (OS X basiert auf *BSD) nicht zu funktionieren:

    "In der Europa-Zentrale von Apple sollen katastrophale Zustände herrschen. Eine Mitarbeiterin berichtet in einem neuen Buch von Depressionen, Burnouts und sogar Selbstmorden, Appelle an Tim Cook und andere Manager sollen keinen Erfolg haben. Das Stimmungsbild widerspricht völlig der Aussendarstellung des Unternehmens."

    Wo ist jetzt der Vorteil denen auch noch etwas zu schenken? Fühlt man sich da besser wenn der Börsenkurs von Apple steigt, die Mitarbeiter aber schlecht behandelt werden?

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      Von kraileth am Di, 12. September 2017 um 03:32 #

      Wo der Vorteil darin liegt, den Konzernen etwas zu schenken? Das kann ich Dir nicht sagen. Aber ich weise die dabei mitschwingende Unterstellung zurück und möchte betonen, daß es sich dabei entweder um ein Mißverständnis oder ein Ablenkungsmanöver handelt. Denn ich habe nie gefordert, etwas Apple & Co. zu schenken. Ich plädiere dafür, Dinge an alle zu verschenken. Und das ist ein erheblicher Unterschied. Deine Argumentation liefe in letzter Konsequenz darauf hinaus, daß ein Forscher, der eine Möglichkeit zur sauberen Energiegewinnung entdeckt hat seine Erkenntnisse nicht publiziert, weil es ja auch den IS gibt. Aber ist die Bestrafung der Missetaten Einzelner wirklich wichtiger als die uneigennützige Förderung aller? Ich komme einfach nicht umhin, die GPL mehr und mehr mit einem sehr negativen Wirklichkeits- und Menschenbild zu assoziieren. Es ist einfach eine pessimistische Lizenz...

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    Von who knows am Mo, 11. September 2017 um 14:49 #

    Wo immer möglich funktioniert aber am besten: Erziehung durch Vorbild. Bei Kindern sowieso, aber auch bei Erwachsenen. Und genau hier mache ich den Unterschied: Einwirken auf seine volljährigen Mitmenschen geht eigentlich nur von Gleich zu Gleich. Und damit fällt die „autoritäre“ Methode aus - denn wer bin ich, anderen im Befehlston irgendetwas Weltanschauliches vorschreiben zu wollen?
    ...

    Hier wird der Schwachpunkt deiner Argumentation allzu offensichtlich: „von Gleich zu Gleich“. Du setzt dabei voraus, dass ein Manager den „einfachen Coder“ als gleichberechtigt ansieht. Das widerspricht jeglicher Erfahrung im Umgang mit Menschen, die nach Macht und Einfluss streben. Diese Manager selbst wenden allzugerne juristische Mittel, wie etwa die Patentkeule an, um ihren Willen durchzusetzen. Deiner Argumentation zufolge könnten ganze Staaten auf den immens teuren Luxus einer eigenen Armee verzichten und stattdessen die andere Wange hinhalten. Ein kurzer Blick in die Weltgeschichte genügt aber um diese Vorstellung ad Absurdum zu führen. „Wer aus der Geschichte nichts lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ Wer auch immer diesen Spruch, so oder ähnlich, formuliert hat, der wusste genau wovon er sprach. Um wieder zum ursprünglichen Thema zurückzukommen: Ein Manager in einem Großunternehmen wird nur den „für voll nehmen“, der ihn selbst empfindlich treffen kann. Lehrreiche Erfahrungen wären hier nur dann zu erwarten, wenn die breite Masse der Anwender hier genau so empfindlich reagierte, wie es im wissenschaftlichen Umfeld üblich ist. Dazu fehlt es dieser aber an Informationen. Das Copyright der BSD-Lizenz ist meist so gut versteckt, dass man es nur sieht, wenn man danach sucht. Es ist zum Beispiel unüblich beim Start eines Programmes mit einem unübersehbaren Banner darauf hinzuweisen das einige Bestandteile aus Quellen mit BSD-artiger Lizenz stammen. Die Beispiele, die Du anbringst klingen recht populistisch. Du verteilst die Rollen nach eigenem Gutdünken so, dass sie den GPL-Anwender als „notorischen Bremser“ darstellen. Die Entwicklung behindert aber, wer Teile seines Wissens, die der Allgemeinheit nützlich sein könnten, vorsätzlich zurückhält. Nicht umsonst sind zum Beispiel mathematische Algorithmen nicht patentierbar. Wäre dem so, gäbe es wohl einige sehr reiche Nachfahren kluger Köpfe.
    Und zum Schluß das wichtigste: Es ist immer vielversprechender, den Schwung des Gegners zu nutzen, anstatt riesige Kraft (die man vielleicht gar nicht hat) aufbringen zu wollen, um dienen erst zu stoppen und dann noch einen Konter zu versuchen.
    Da legst Du die GPL aber sehr eigenwillig aus. BSD-artige Lizenzen nutzen niemals „den Schwung des Gegners“ aus. Das ist dort nicht einmal im Ansatz vorgesehen. Die GPL hingegen gibt ihrem Anwender wenigstens einen Hebel in die Hand. Es gibt unter den „bösen“ Großkonzernen einige, die mittlerweile auch Code unter der GPL veröffentlichen. Darunter einige, die sogar einem Konzern wie MS die Stirn bieten könnten. Deine argumentative Darstellung des GPL-Nutzers als hilflos mit den Beinen strampelndes Insekt läuft damit ins Leere...

    who knows

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      Von kraileth am Di, 12. September 2017 um 06:01 #

      Der Manager Deines Beispiels sieht meiner Ansicht nach den Programmierer tendenziell gar nicht, wenn irgendwo fertiger, brauchbarer Code rumliegt. Deswegen schrieb ich auch davon, daß diese Leute durch die Spielregeln „des Marktes“, denen sie sich unterworfen haben und an die sie wahrscheinlich glauben, bestimmt werden. Das ist gewissermaßen eine andere Welt als unsere, in der sie sich bewegen - und dazu eine Welt, die uns nicht besonders behagt. Laß sie mal nach Einfluß streben! Wer kein kompletter Idiot ist, sieht ziemlich schnell, daß er gerade auch für den eigenen Erfolg auf andere angewiesen ist. Und hier kommen wir ins Spiel und können entscheiden zwischen a) Du bist doof b) Klar bin ich bereit, dir zuzuarbeiten, wenn wir beide etwas davon haben. Der „erzieherische“ Einfluß von b) ist marginal - der von a) nicht vorhanden (außer man ist totalitär genug eingestellt, daß man fordert, alle müßten sich a) anschließen, um etwas zu verändern - dann würde der Haß mancher Leute auf die „Streikbrecher“ von b) natürlich verständlich ;)).

      Huch? Jetzt sind wir von einem digitalen, virtuellen Gut plötzlich in der gänzlich materiellen Sphäre des Krieges? Tut mir leid, den Vergleich gehe ich nicht mit. Es ist eine völlig andere Situation, wenn jemand lächelnd zu mir kommt und mich auffordert: „Setzen wir uns doch mal zusammen und diskutieren über Softwarelizenzen!“ als wenn jemand grimmig den Morgenstern schwingend auf mich zustürmt. Ich rede ganz bestimmt nicht der Wehrlosmachung der Völker das Wort, nur weil ich an den höheren Wert der Kooperation glaube!

      Wenn man leidenschaftlich argumentiert (war das denn wirklich je ein Problem?), dann fällt heute wohl der „Populismus“vorwurf. Gut, damit kann ich leben und werde weiterhin von meinem Recht Gebrauch machen, die Dinge so zu schildern, wie sie sich mir darstellen. Das tut die Gegenseite übrigens auch und ich glaube sogar, eher mit Wertungen gespart zu haben, als das üblicherweise der Fall ist. Aber wir können die Diskussion natürlich auch weiter zuspitzen, indem ich etwa auf die Zeloten der Stallman-Truppe verweise, alle ihre Verdienste unter den Tisch fallen lasse und mich stattdessen über deren Beschimpfung meiner bevorzugten Lizenz als „lax“ beklage. Dann kommst Du wieder. Anschließend fällt mir auf, daß „notorische Bremser“ vielleicht etwas zu wohlwollend formuliert ist und mir „kleingeistige Provinzstümper“ viel besser gefällt. Nur: Wo ist der Vorteil davon? Wo der Gewinn im Hinblick auf die Frage, die wir hier eigentlich behandeln?

      Abschließend: Ich lege die GPL gar nicht aus, ich habe besseres zu tun, als dieses Monster immer wieder zu lesen. Den Schwung des Gegners (oder dessen Finanzkraft) ausnutzen, sehe ich durch die Kooperation, die uns langfristig mehr nützt, erfüllt. Darum ging es - in diesem Fall sogar teilweise unabhängig von der Lizenz. Immerhin gibt es auch Kooperationen mit Firmen, welche sich der GPL gebeugt haben, wie Du richtig herausstellst. Und wo der GPL-Nutzer als hilfloses Insekt erschienen sein soll, erschließt sich mir leider nicht ganz.

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