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Mi, 12. Februar 2014, 08:05

Software::Distributionen::Debian

Technischer Ausschuss wählt Systemd zu Debians neuem Init-System

Der Vorsitzende des Technischen Ausschusses bei Debian, Bdale Garbee, hat von seinem Sonderstimmrecht in Patt-Situationen Gebrauch gemacht und Systemd zum Nachfolger von SysVinit erklärt. Somit wird Debian 8 »Jessie« vermutlich mit Systemd als Init-System ausgeliefert.

Software in the Public Interest (SPI)

Seit Oktober 2013 versucht Debians Technisches Komitee (CTTE) eine Entscheidung über das künftige Standard-Init-System für Debian 8 »Jessie« und darüber hinaus herbeizuführen. Das war nötig geworden, weil ein Entwickler moniert hatte, dass in Debian Sid das Paket gnome-session-daemon eine Abhängigkeit auf Systemd mitbringe. Dies lag daran, das Gnome 3 ab Version 3.8 logind aus Systemd zur Verwaltung von Usern und Sessions einsetzt. Somit hatte Debian mit Gnome als Standard-Desktop-Umgebung ein Problem für die Veröffentlichung von Debian 8.

Während das CTTE sich mit den technischen Gegebenheiten der einzelnen Kandidaten vertraut machte, ging die Diskussion im Projekt und auf den Mailinglisten weiter. Bald wurde klar, dass als Kandidaten nur Systemd und das bei Canonical entwickelte Upstart Chancen hatten, der nächste Standard zu werden. Die Ansichten der Befürworter und Gegner der jeweiligen Lösung blieben projektweit und auch innerhalb des CTTE unvereinbar. Erschwerend kam hinzu, dass im CTTE zwei derzeitige und ein früherer Canonical-Mitarbeiter sitzen. Debian schien hiermit kein Problem zu haben, außerhalb des Projekts wurde dies jedoch, wie manches andere in dieser Diskussion, eher belächelt.

In einem dritten Wahlgang fiel dann heute die Entscheidung für Systemd. Die Stimmen wurden hierbei nach der bei Debian verwendeten Condorcet-Methode gezählt. Der erste Wahlgang, den der Vorsitzende bewusst einfach gehalten hatte, um zuerst die Frage nach dem neuen Standard zu klären und dann die Implikationen für Debian 8 in einem weiteren Wahlgang zu entscheiden, wurde von Canonical-Mitarbeiter Ian Jackson abgelehnt, der alle Fragen in einem Wahlgang geklärt wissen wollte. Ein dazu entwickelter Fragenkatalog wurde als zu kompliziert und überfrachtet empfunden und mit Further Diskussion (FD) zur weiteren Diskussion beschieden.

Der kurzfristig von Bdale Garbee angesetzte dritte Wahlgang entsprach seinem ersten Vorschlag, beinhaltete jedoch eine Klausel, auf die man sich wegen der voraussehbar engen Entscheidung geeinigt hatte. Diese Klausel ermöglicht es, eine General Resolution (GR) durchzuführen, bei der alle rund 1.000 Debian-Entwickler wahlberechtigt sind und die lediglich eine einfache Mehrheit braucht, um das Ergebnis des CTTE zu kippen. Ian Jackson war über den unabgesprochen eingeleiteten dritten Wahlgang so erzürnt, dass er die Ablösung von Garbee als Vorsitzendem forderte. Im Projekt dagegen mehrten sich Stimmen, die wegen seines vermeintlich taktischen Wahlverhaltens nicht nur die Entfernung Jacksons aus dem CTTE, sondern aus dem Projekt forderten. Er zog sich daraufhin für ein paar Tage von der Liste zurück.

Normalerweise werden GR mit Zweidrittelmehrheit entschieden. Um eine GR durchzuführen, braucht es lediglich sechs offizielle Debian-Entwickler. Der derzeitige Stand der Diskussion lässt die Einberufung einer GR als recht wahrscheinlich erscheinen. Dabei könnte entweder Systemd bestätigt werden und durch die breitere Basis einen besseren Stand bei den Maintainern haben, es könnte aber auch SysVinit als alter und neuer Standard bestätigt werden. Upstart hätte bei einer GR die vermutlich geringsten Chancen auf den Sieg.

Nachdem absehbar war, das Systemd den Sieg davontragen würde, tauchen seit gestern auf Mailinglisten und in IRC-Kanälen Wortmeldungen auf, die von Häme über Fäkalsprache bis zur Androhung von Gewalt für Systemd-Befürworter alles beinhalten, was ein Ende dieser emotional überladenen unendlichen Geschichte als vorerst wenig wahrscheinlich erscheinen lässt, die kaum mehr etwas mit technischen Entscheidungen zu tun hat,sondern fast ausschließlich sozialpolitische Ausprägungen angenommen hat. Wenn Entscheidungen über freie Software solche Blüten treiben, ist eine GR vielleicht sogar die einzige Lösung, das Projekt wieder zu befrieden.

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