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Do, 16. Juni 2016, 15:00

Interview mit Ulrich Berens von LUKi e. V.

-> Gibt es denn in einer Kirche so viel IT-Verwaltungsinfrastruktur, dass sich ein eigener Verein dafür lohnt?

<- Ja, definitiv. Die Kirchen sind ja nicht von der gesamtgesellschaftlichen Digitalisierung abgekoppelt. Nicht nur jedes Pfarrbüro verfügt über einen oder mehrere PC-Arbeitsplätze, sondern alle kirchlichen Verbände, Vereine, Klöster, die Landeskirchen und Bistümer. Dazu kommt der ganze Smartphone-Bereich. Bundesweit müssen das Hunderttausende von Computern jeder Art sein. Die Kirchen halten eigene IT-Abteilungen vor, die die Anwender unterstützen sollen, und betreiben eigene Rechenzentren. Insgesamt ist die IT-Landschaft der Kirchen sehr bunt gemischt und uneinheitlich. Eines aber haben alle Lösungen gemeinsam: Sie werden meist unter Windows betrieben. Linux holt zwar vor allem im Serverbereich auf, spielt aber wie gesagt noch eine Nebenrolle. Dennoch beobachten wir seit Bestehen von LUKi deutliche Veränderungen hin zu mehr Freier Software in den Kirchen und größerer Offenheit auch Linux selbst gegenüber. Dazu hat auch die weite Verbreitung und Akzeptanz von Android-Smartphones beigetragen, um auf Linux als Alternative aufmerksam zu machen.

Wir versuchen von LUKi aus derzeit, uns im Bereich »ethical computing« und »digitaler Nachhaltigkeit« als Gesprächspartner zu positionieren. Unserer Ansatz dabei ist dieser: In den Kirchen ist es allgemein akzeptiert, dass nach Möglichkeit ethisch korrekt produzierte, also »fair gehandelte« Waren und Produkte genutzt werden. Da ist der ethische Blick schon sehr geschärft.

Im Bereich Software allerdings weniger. Das ist unser Ansatz, zu argumentieren: Wir verweisen darauf, dass Freie Software solidarisch entsteht, weiterentwickelt und verbreitet wird, unabhängig macht und Menschen zusammenbringt. Freie Software steht also für Kommunikation, Teilhabe, Austausch, Hilfe, soziales Engagement. Systeme wie Linux helfen etwa ärmeren Ländern, auch mit weniger aktueller technischer Ausrüstung und Hardware Anschluss an das Zeitalter der Informationsgesellschaft zu erhalten. Freie Software ist also auch deshalb »fair«, weil sie bei der fairen Verteilung von Wissen hilft. Der Einsatz für eine gerechte und inklusive (nicht exklusive!) Weltinformationsgesellschaft sollte gerade den Kirchen selbstverständlich sein.

Diese Argumente wirken und machen Verantwortliche nachdenklich – einfach, weil dieser Aspekt bei allen IT-Entscheidungen in den Kirchen bislang völlig unbedacht war.

-> Wie viel Kirche/Religion ist bei den Aktivitäten des LUKi e. V. dabei?

<- Das ist eher eine Frage des gemeinsamen Bewusstseins: Für unsere Aktivitäten spielen Kirche und religiöse Überzeugungen fast keine Rolle. Dennoch stehen wir als Gruppe unterschiedlichster Christen aber auf einem gemeinsamen Boden. Man könnte also sagen: Die gemeinsame Begeisterung für Linux ist unser »ökumenisches Element«, auch wenn wir – je nach Herkunft und Prägung – das ein oder andere religiös vielleicht unterschiedlich sehen und bewerten.

-> Betreuen Sie nur christliche Einrichtungen oder steht der Verein allen Religionsgemeinschaften offen?

<- Wir haben keine Berührungsängste anderen Religionsgemeinschaften gegenüber. Andererseits ist aber die Wahrscheinlichkeit, dass jemand einer anderen Religion einem Verein beitritt, der das Wort »Kirche« als Namensbestandteil führt, wohl eher gering.

-> Sehen Sie zwischen der Linux- und der Kirchen-Community Ähnlichkeiten oder Unterschiede?

<- Naja, in Sachen Betriebssystem-Präferenz klingen manchmal Gemeinsamkeiten schon an: Da werden ja schnell schon mal »Glaubenskriege« geführt oder es ist von »Open-Source-Evangelisten« oder der »Linux-Gemeinde« die Rede. Ja, ich denke, da gibt es von den Begrifflichkeiten schon – manchmal ironisch gemeinte – Überschneidungen. Ansonsten sind wir vermutlich eine relativ normale Linux User Group wie andere auch.

-> In Schulen ist es wegen der Vormachtstellung von Microsoft oft schwer, einen Linux-Fuß in die Tür zu bekommen. Wie ist das im kirchlichen Umfeld? Sind Kirchenvertreter einfacher oder schwieriger von Freier Software zu überzeugen als »normale« Benutzer?

<- Leider ist es im kirchlichen Umfeld auch nicht leichter für Linux. Das liegt zum einen daran, dass Kirchen generell nicht den Ruf haben, innovationsfreudig zu sein. Oft ist der hierarchische Entscheidungsansatz eine Bremse. Das gilt auch und besonders für den IT-Bereich. Hier fällen oft eigentlich Fachfremde, etwa Pfarrer oder pastorale Gremien, die Entscheidungen aufgrund von Empfehlungen von Fachleuten. Wenn ich nun die »falschen« Berater einlade, also etwa die, deren Horizont kurz hinter Redmond aufhört, dann bringe ich eine ganze Kirchen-IT in das entsprechende Fahrwasser. Gerade im Bereich der Kirchen gibt es zudem leider oftmals fehlende Anwendungserfahrung – schon mit proprietärer Software, aber besonders auch mit Freier Software.

Dieses Manko kann sich leicht zu Ungunsten einer möglichen Umstellung auf Freie Software auswirken: Es geistern schneller Gerüchte herum, die wiederum die Ängste bei den Nutzern nähren und die zuletzt zur mangelnden Akzeptanz der neuen, unbekannten Software beitragen.

Kommentare (Insgesamt: 12 || Alle anzeigen )
Re[3]: Selig oder heilig? (jana, Sa, 25. Juni 2016)
Linux hat es da schwer,... (Anonymous, Mo, 20. Juni 2016)
Freut mich ... (friepro, Fr, 17. Juni 2016)
Re: interessant (De Benny, Fr, 17. Juni 2016)
Re[2]: Mehr ... (Kritiker, Fr, 17. Juni 2016)
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