Login
Newsletter
Werbung

So, 11. Mai 2003, 00:00

Softwarepatent-Konferenz in Brüssel

Konferenz im Europäischen Parlament

N.N, Axmark, Cohn-Bendit, Stallman (v.l.n.r.)

hjb

N.N, Axmark, Cohn-Bendit, Stallman (v.l.n.r.)

Wir kommen nun zum Donnerstag, den 8. Mai 2003. Die Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament veranstaltete von 9 bis 12:30 Uhr die Konferenz »Software Patents and European SMEs«, zu der alle Teilnehmer der FFII-Konferenz und weitere Besucher erschienen. Die Leitung übernahm der Abgeordnete Daniel Kohn-Bendit. Er erteilte Richard Stallman das Wort für die Keynote, die dieser souverän und im gesetzten Zeitlimit vorbrachte. Er betonte, daß Patente die Freiheit der Entwickler und Anwender einschränken. Er verglich das Entwickeln von Programmen mit dem Komponieren klassischer Musik. Beides besteht aus der Kombination einiger neuer Ideen mit vielen bereits bekannten. Was hätte es für Konsequenzen gehabt, wenn die klassischen Komponisten ihre Ideen hätten patentieren können? Offensichtlich keine guten.

Danach folgten drei Panels, die nacheinander von Frau Echerer, Professor Kahin und Neil McCormick geleitet wurden. Es gab hier einige Fallbeispiele zu hören. So erklärte David Axmark, Mitgründer von MySQL, daß die freie MySQL-Datenbank täglich 30.000 mal heruntergeladen wird. Er habe kein Interesse, seine Rechte mit Patenten zu schützen. Das Copyright genüge völlig. Hakon Wium Lie, Geschäftsführer von Opera, erklärte, daß er Dutzende von Briefen im Monat erhalte, die auf angebliche Patentverletzungen durch Opera hinweisen und mit Klagen drohen. Jedem Fall muß einzeln nachgegangen werden, was viel Geld und Zeit kostet. Somit wird die Produktivität der Firma von 120 Mitarbeitern merklich behindert.

Konferenzsaal »Petra Kelly«

hjb

Konferenzsaal »Petra Kelly«

Schlimmer noch hat es Lemke Software getroffen. Deren Grafik-Konverter für den Mac enthält auch Import und Export von GIF-Bildern. Unisys hält, wie man inzwischen weiß, ein Patent auf GIF. Nachdem Unisys etliche Jahre auf der Lauer gelegen und abgewartet hatte, bis das GIF-Format weit verbreitet war, stellte es plötzlich Lizenzforderungen. Lemke konnte nicht anders als auf die unverschämten Forderungen von Unisys einzugehen und zu zahlen. Alle drei Monate muß er seine Geschäftszahlen an Unisys berichten. Dabei sitzt das Unternehmen Lemke gar nicht in den USA, es hat nur 55% seiner Kunden dort.

F. Gaethgens von der kleinen Firma Symlabs.com, deren Sitz in Portugal ist, sprach aus, was die meisten Teilnehmer empfanden: »Wir brauchen keine Software-Patente.« Seine Firma, etwa 10 Personen, hat ein Programm geschaffen, in dem mehrere Mannjahre Arbeit stecken. Wollte ein Konkurrent ein ähnliches Programm schaffen, so würde dies Jahre in Anspruch nehmen. In dieser Zeit wäre aber die Symlabs-Software schon viel weiter entwickelt. Patente würden nur die eigene Produktivität hemmen: Copyright, und besser zu sein als die Konkurrenz, das genügt!

Puay Tang von der Universität Sussex stellte eine weitere Studie (URL noch nicht bekannt) über Software-Patente in kleinen und mittleren Unternehmen vor. Die Studie verfügte, wie Frau Tang erläuterte, nur über sehr begrenzte Finanzierung und konnte daher nur etwa 50 Unternehmen ansprechen, von denen 12 antworteten. Die Resultate besagen, daß unter diesen Unternehmen sehr unterschiedliche Meinungen zum Thema Software-Patente bestehen. Nur 8% bevorzugen Patente als Methode, ihre Ideen zu schützen.

Am abschließenden Panel nahm auch Frau Elly Plooij-Van Gorsel teil, Abgeordnete von der Fraktion der Liberalen (ELDR) und Mitglied des Komitees über Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie (ITRE). Sie ist die Berichterstatterin dieses Komitees an das Parlament. Sie sagte, die Richtlinie werde niemandes Kreativität beeinträchtigen. Die Interessen der SMEs werden genauso berücksichtigt wie die der großen. Auf Fragen, die nach ihrer Rede gestellt wurden, ging sie nicht ein. Dies führte zu Unmut unter den Anwesenden. Einer der Anwesenden, Geschäftsführer zweier kleiner Unternehmen, drohte der EU gar mit einer Schadensersatz-Klage in Höhe von zwei Milliarden Euro, falls die Direktive zum Gesetz würde.

Frau Echerer schlug vor, daß die Anwesenden eine Resolution erstellen sollten, damit wenigstens etwas Greifbares vorläge. So wurde im Hintergrund schnell ein Text ausgearbeitet und verteilt:

Appeal to the European Parliament

We, participants of the conference "SMEs and software patents"
hold in Brussels on 8 May 2003, call upon the Members of the
European Parliament to be aware of the dramatic consequences the
implementation of software patents would have on the Lisbon
process and therefore on job creation and growth in the EU.
The draft directive on patentability of computer-implemented
inventions (McCarthy report, com2002-092) that is currently
discussed in the European Parliament would open the door to
patents on software.

We call upon the MEPs to take into account the 5 following points
during the vote:

1. Copyright is the appropriate and sufficient tool for the
protection of software. Ideas and algorythmes should continue to
be excluded from patent law.
2. Saveguard interoperability
3. Software patents hinder access to and exchange of information
4. Innovation is adversely affected by patents on software
5. Software patents impede competition, lead to monopolies and
cartels, therefore reduce the economic chances for SMEs

Anschließend luden die Grünen zu einem Büffet und einem Straßen-Theater auf die Place du Luxembourg vor dem Parlaments-Gebäude. Hier wurde in symbolischer Form die Freiheit der Software-Entwicklung zu Grabe getragen. Auch zwei Transparente und einige Plakate wurden aufgehängt. Ferner gab es etwas Straßentheater, das die Bevorzugung der Konzerne durch das Gesetz auf die Schippe nahm. Alles schön und gut, aber die Publicity der Veranstaltung lag nahe bei Null.

Zweiter Konferenz-Teil

Der Konzern, das Gesetz und der Programmierer

hjb

Der Konzern, das Gesetz und der Programmierer

Die Konferenz wurde um 15 Uhr im Dorint-Hotel fortgesetzt. Das Programm erfuhr auch an diesem Nachmittag wieder kleine Modifikationen.

Jean-Paul Smets-Solanes hielt einen Vortrag darüber, wie Software-Patente von Firmen zum Sparen von Steuern genutzt werden können. Eine Firma, die es clever anstellt, wird keinen Cent Steuern mehr zahlen, wenn Software-Patente kommen. Zum einen stellen Ausgaben, die zur Entwicklung einer patentierbaren Erfindung führen, genauso eine Investition wie die Anschaffung einer Maschine dar, zum anderen gibt es Länder wie Irland, wo Einnahmen aus Patent-Lizenzen steuerfrei sind.

Danach sollten noch ein oder zwei Panels folgen, doch für mich war aus Zeitgründen die Konferenz hier beendet.

Wie geht es weiter?

Am 18. Juni 2003 wird das Parlament darüber entscheiden, ob die Vorlage auf die Tagesordnung gesetzt wird. Dann erst wird klar sein, wann die Abstimmung überhaupt stattfindet. Vielleicht ist sie spät genug, daß man den LinuxTag in Karlsruhe (10. bis 13. Juli) noch als publikumswirksame Plattform nutzen kann, um Anwender und Parlamentarier wachzurütteln. Bis dahin sollte außerdem jeder die Zeit nutzen, um sich bestmöglich zu informieren (z.B. über die FFII-Webseiten) und Mitglieder des Parlaments zu kontaktieren und sie auf die Konsequenzen der Direktive aufmerksam zu machen.

Kommentare (Insgesamt: 0 )
Pro-Linux
Pro-Linux @Facebook
Neue Nachrichten
Werbung