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Fr, 2. Mai 2003, 14:47

Gesellschaft::Politik/Recht

LIVE: EU-Richtlinie zur Einführung von Softwarepatenten eine existenzielle Gefahr

Angesichts der für Mitte Mai terminierten Debatte des Europäischen Parlamentes zu den sogenannten »Computerimplementierten Erfindungen« will der LIVE-Linux Verband seine eindringliche Warnung vor den bedrohlichen Folgen des Richtlinien-Entwurfs der EU-Kommission verstärken.

Entgegen allen offiziellen Beteuerungen stellt der Richtlinienentwurf der EU-Kommission eine existenzielle Gefahr für Mittelstand und Freie Software dar, so der Dachverband deutscher Linux-Firmen und Nutzer. »Im schlimmsten Fall bedeutet eine Einführung das Aus für die Entwicklung und den Einsatz von Freier Software (Open Source), wie wir sie bisher kennen, und zusätzliche Milliardenkosten und -Risiken für die mittelständische Softwareindustrie insgesamt«, erklärt der Linux-Verband.

Scharf wenden sich die Interessenvertreter der Freien Software gegen die Argumentation der Brüsseler Kommission, die Richtlinie folge nicht dem US-amerikanischen Vorbild, sondern gehe einen eigenständigen Weg. Tatsächlich arbeitet der Richtlinienentwurf mit zweifelhaften Wortschöpfungen der Patent-Lobby und unbestimmten Rechtsbegriffen. Insbesondere die Begriffe »Computerimplementierte Erfindung« und »Technischer Beitrag« sind nach Meinung des Verbandes in der jetzigen Form nichts anderes als Hintertüren für die Einführung von Patenten auf Software und Geschäftsmethoden. Ersteree wird im Richtlinienentwurf dadurch definiert, dass eine programmierbare Vorrichtung benutzt wird, umfaßt also alles, was irgendwie mit einem einem Rechner in Verbindung steht. Die Definition, was unter einem Technischen Beitrag im Sinne des Richtlinienentwurfes zu verstehen ist, hat sich die Kommission gleich ganz gespart. Auch der Text von Frau McCarthy enthalte in dieser Hinsicht lediglich kosmetische Änderungen, betont der Linux-Verband.

Eine echte Erfindung auf einem klassischen Gebiet der Technik, bei der es also um die Kontrolle von physikalischen Kräften geht, ist ohnehin patentierbar, unabhängig davon, ob bei der Implementierung Software verwendet wird oder nicht, eben weil die zugrundeliegende Technik patentiert wird, so der Verband in seiner Stellungnahme. Das ist auch aus unserer Sicht vollkommen unstrittig. Die EU-Kommission will nun aber die Datenverarbeitung selbst zum Gebiet der Technik erklären und damit alles, was irgendwie mit einem Rechner zu tun hat, patentierbar machen. Dies bedeutet, dass in Zukunft jeder Algorithmus darauf überprüft werden muß, ob er nicht ein Patent verletzt. Und bereits eine Webseite, die auch nur ein wenig Interaktivität bietet, enthält unter Umständen eine Sammlung von möglichen Algorithmen.

Noch problematischer ist diese Entwicklung für Freie Software, da es hier wegen der nicht vorhandenen Lizenzeinnahmen auch keine Möglichkeit gibt, Patentausgaben gegenzufinanzieren. Logikpatente und Freie Software sind zwei unvereinbare Gegensätze. »Der Richtlinienentwurf ist ein direkter Angriff auf das Modell der Freien Software und auf Linux«, so der Verband weiter. »Für uns geht es hier um die Existenz.«

Daher ist es, wie der Verband sagt, ein Skandal, wie die EU-Kommission einseitig den Interessen einer kleinen Gruppe von Patent-Lobbyisten aus US-Konzernen, Patentanwaltschaft und den aus den Patentgebühren finanzierten Patentämtern folgt. Dass die EU-Kommission ihren Entwurf vorab mit der BSA, einem rein amerikanischem Lobbyverband ohne ein einziges europäische Mitglied, abstimmt, die Postitionen des LIVE oder auch des DIHK aber ignoriert, ist ein Skandal sondergleichen, moniert der Linux-Verband die Praxis der zuständigen Generaldirektion Binnenmarkt in der EU-Kommission.

»Was wir brauchen, ist eine Richtlinie, welche die europäische mittelständische IT-Industrie und die Entwickler Freier Software vor einer Ausweitung des Patentwesens auf den Bereich der Logik schützt«, so LIVE weiter. Der Linux-Verband ruft deshalb noch einmal alle mittelständischen IT-Unternehmen und Anwender auf, die aktuelle Petition der Euro-Linux-Allianz an das Europa-Parlament zu unterstützen und weist auf die wissenschaftliche Konferenz am 7. und 8. Mai in Brüssel hin.

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