Das Linux-Jahr 2004

Ein kleiner Rückblick

Juli

Netscape

Wien erwägt einen Umstieg auf Linux. Einen Monat später verständigen sich die Vertreter auf eine Kompromisslösung. Auf 7500 der insgesamt 16.000 Computerarbeitsplätzen sollen die Mitarbeiter ab dem zweiten Quartal 2005 entscheiden können, ob sie von Windows auf ein Open-Source-Betriebssystem wechseln wollen.

Auch Frankreich spricht sich für Open Source aus. Eine neue Lizenz, die nach Aussagen der Verantwortlichen kompatibel zur GNU General Public License (GPL) sein wird, soll speziell auf die französische Gesetzgebung ausgelegt sein.

In der mündlichen Verhandlung im Streit zwischen DaimlerChrysler und SCO muss sich SCO eine Watsche abholen. Die »Welt AG« bekommt in fast allen Punkten recht. Lediglich die Frage, ob es DaimlerChrysler möglich gewesen sei, binnen der angegebenen Frist zu reagieren, bleibt offen. Ende 2004 weist ein Gericht in Oakland die Klage von SCO gegen DaimlerChrysler endgültig ab.

Nach über einem Jahr Stille kündigt AOL an, den alten Browser Netscape wieder auferstehen lassen zu wollen. Mitte August veröffentlicht der Provider wie versprochen Netscape 7.2. PHP 5.0 wird ebenfalls freigegeben.

August

Das New Yorker Beratungshaus Open Source Risk Management LLC (OSRM), welches bereits mit einer Linux-Rechtsschutzversicherung in Erscheinung getreten ist, veröffentlicht ein Papier, wonach Linux gegen bis zu 283 Patente verstößt. Patente, die durch diese Linux-Versionen verletzt werden könnten, werden unter anderem von IBM (60 Patente), HP (20) und Intel (11) gehalten.

Im Rahmen einer groß angekündigten Konferenz der KDE-Entwickler veröffentlicht das Projekt eine neue Version von KDE. Nach mehr als sechs Monaten Entwicklungszeit stellen die Programmierer KDE 3.3 vor. Später wird bekannt, dass KDE in den kommenden Versionen eine Suchmaschine für die Festplatte und eine Sprachsynthese spendiert bekommt.

September

X.org

Die Entwickler des freien X Window Systems X.org stellen die erste Version des alternativen X-Servers vor. Zu den Neuerungen des Systems gehören neben neuen oder verbesserten Treibern auch zahlreiche Verbesserungen am Server selbst. So bietet die neue Version die von vielen Desktop-Anwendern gewünschte Transparenz der Fenster sowie Schatten, die im Gegensatz zu den bisherigen Lösungen nicht künstlich durch das Kopieren des Hintergrundes erzeugt, sondern direkt im Server generiert werden.

GNOME veröffentlicht eine neue Generation der Umgebung. Neben zahlreichen Verbesserungen enthält GNOME 2.8 auch die Groupware-Applikation Evolution 2.0.

Wie einer Abschrift der Protokolle der Anhörung zu entnehmen ist, sucht SCO vehement nach kopierten Code-Stellen in Linux. SCO gibt in einer Gerichtsverhandlung zu, dass vor und nach Einreichung der Klage gegen IBM kein Vergleich des Linux- und des Unix-Codes durchgeführt wurde. Man habe sich bei SCO auf einen 1999 von Softwareentwicklern durchgeführten Vergleich gestützt, der allerdings nur für interne Zwecke erstellt wurde und nicht für die Öffentlichkeit gedacht war. Die Aktie plumpst weiter nach unten und macht erst bei 3,64 USD Halt.

Die Marktforscher von Gartner stellen fest, dass Linux zu illegaler Windows-Software beitrage. Laut Gartner werden über 40 Prozent der Linux-PCs später mit einer Raubkopie von Windows versehen.

Oktober

Larry Ewing

Zwei Monate nach der Freigabe von Doom3 für Windows dürfen auch passionierte Linux-Spieler sich erschrecken lassen.

Mit der Übernahme der Netscape Security Solutions sichert sich Red Hat die Rechte an Netscapes Directory Service und der Sicherheitstechnologie. Das Unternehmen kündigt an, die Komponenten mit der Red Hat Open Source Architecture zu verknüpfen. Wenige Tage später verlegt der Distributor seine europäische Hauptniederlassung vom englischen Surrey nach München. Mit dem Umzug soll dem zunehmenden Engagement von Red Hat für die wachsende Kundenbasis in neuen Märkten in Mitteleuropa und den angrenzenden Regionen entsprochen werden.

Während Linus Torvalds eine veränderte Versionierung für den Kernel ankündigt, öffnet in Frankfurt die fünfte LinuxWorld Conference & Expo ihre Pforten. 14.600 Besucher finden den Weg in die Hallen der Frankfurter Messe und bestaunten die Stände der 150 teilnehmenden Firmen. Während der Messe werden unter anderem die Gründung des GNOME Deutschland e.V. und eine strategische Partnerschaft zwischen Dell und Novell bekannt gegeben.

Clayton Christensen, der in den USA unter den Management-Beratern als Guru gilt, prophezeit Microsoft eine harte Zeit. Das Unternehmen muss, um den Anschluss an die Open-Source-Konkurrenz nicht zu verlieren, dringend in Linux-Applikationen investieren und »Linux lieben lernen«.