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Do, 13. Juni 2019, 12:26

Gesellschaft::Wissenschaft

CERN will sich von Microsoft befreien

Vor einem Jahr startete CERN ein Projekt, um Microsoft komplett loszuwerden. Jetzt beginnen erste Pilotprojekte mit alternativen Lösungen.

Derrick Coetzee

Es ist zunächst einmal erstaunlich, dass eine wissenschaftliche Institution wie CERN überhaupt noch von proprietärer Software abhängt, denn freie Software existiert bereits länger als das WWW, das ja 1992 am CERN erfunden wurde. CERN selbst schreibt nun, dass die Abhängigkeit von proprietärer Software im Laufe der Jahre sogar gestiegen ist. Ein wesentlicher Grund dafür war, dass CERN in den meisten Fällen Sonderkonditionen als akademische Institution erhielt, damit war die Software für alle Mitarbeiter problemlos verfügbar und die Lizenzkosten waren relativ gering.

Doch musste CERN auch bereits verspüren, dass die vermeintlich günstigen Konditionen oftmals nur als Köder dienten, um eine Abhängigkeit zum Hersteller zu schaffen. Sobald diese Abhängigkeit zementiert war, fielen plötzlich die günstigen Konditionen weg. Genau das passiert CERN jetzt auch mit Microsoft. 20 Jahre lang konnte CERN die Microsoft-Software sehr günstig nutzen. Doch im letzten Jahr entzog Microsoft dem CERN diesen Status. Mit dem Ende des laufenden Vertrags im März dieses Jahres sollte CERN jedes Programm einzeln lizenzieren. Dadurch, dass die Software allen Mitarbeitern gleichermaßen zur Verfügung stehen sollte, würden sich die Lizenzkosten verzehnfachen. Dies sei nicht finanzierbar, gibt CERN zu Protokoll.

Sofort nachdem dies bekannt wurde, zog CERN die Reißleine und gründete das Projekt Microsoft Alternatives (MAlt). Zugleich wurde mit Microsoft ausgehandelt, die Lizenzkostenerhöhung über einem Zeitraum von 10 Jahren zu verteilen. Dadurch muss CERN zunächst nicht viel mehr zahlen als bisher. Die Migration der Microsoft-Produkte zu freien Alternativen ist für CERN beschlossene Sache, sie wird aber jedenfalls einige Jahre benötigen. Der Aufwand dürfte mit dem der Stadt München vergleichbar sein, als sie auf Linux migrierte. Wie seinerzeit München sieht sich auch CERN als Vorreiter und Vorbild, da zahlreiche andere Institutionen jetzt vor demselben Dilemma stehen.

Projekt MAlt hat das Ziel, den CERN-Mitarbeitern dieselbe Funktionalität bereitzustellen wie bisher. Der wichtigste Punkt ist daneben, die Abhängigkeit von Herstellern zu beseitigen, da diese immer ein Risiko darstellen. Zugleich will CERN Herr der eigenen Daten bleiben, was externe Cloud-Dienste sicher ausschließt. Vor allem die am häufigsten benötigten Nutzungen sollen abgedeckt werden.

Die Umstellung beginnt noch in diesem Jahr mit einigen Pilotprojekten. Zunächst soll ein anderer Mail-Dienst in der IT-Abteilung erprobt und noch im Verlauf des Sommers im ganzen CERN eingeführt werden. Parallel dazu sollen bereits einige »Skype for Business«-Clients und analoge Telefone auf eine Softphone-Lösung umgestellt werden. Daneben arbeitet die IT-Abteilung an Alternativen für viele weitere Produkte und Dienste.

CERN-Mitarbeiter können sich bereits jetzt im Projekt MAlt umsehen und sollen am 10. September in einer Versammlung weitergehend informiert werden. Die Umstellung aller Produkte wird nach Angaben von CERN einige Jahre benötigen.

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